Kortsch/Stilfs - Der Vinschgau war lange Zeit ein eher armes Tal. Nicht jede Familie konnte sich zu Weihnachten eine eigene Krippe leisten. Trotzdem gab es in fast jedem größeren Ort die eine oder andere schöne Hauskrippe.
In Kortsch zum Beispiel, beim “Brunner“ (Gelserhof), der Heimat des am 21. Juni dieses Jahres verstorbenen Künstlers Karl Grasser, stand schon immer eine Hauskrippe. Karl erzählte: „Ich bin schon als Kind mit der Krippe aufgewachsen. Bei uns Zuhause hatte der Peter Holzer eine Tischlerwerkstatt. Ich hatte das Glück, dass sich meine Kammer genau neben seiner Werkstatt befand. Ich habe immer gebettelt hingehen zu dürfen, um bei seinen Schnitzarbeiten zuschauen zu können. Sobald ich 14/15 Jahre alt war habe ich dann selber angefangen zu schnitzen. Zu Weihnachten 1942 hatte ich das erste Mal meine eigene Krippe in der Stube aufgestellt. Am 5. Jänner 1943 musste ich einrücken. Ich bin morgens früh mit meinem Koffer die Haustreppe hinunter und habe mir gedacht, ob ich meine Krippe nocheinmal aufstellen kann, mit den Figuren, die ich damals schon geschnitzt hatte? Ich muss unbedingt nocheinmal hinauf, wer weiß, ob ich sie nocheinmal sehe, dachte ich mir.
Nach dem Krieg habe ich meine Krippe dann noch zwei- oder dreimal zu Weihnachten aufgestellt. Dann ging ich zu einer Krippenaustellung nach Brixen und als ich diese sah, dachte ich mir: Karl, du bist auf dem falschen Weg, du musst etwas ändern. Dann habe ich meine orientalische Krippe hergegeben und eine Tiroler Krippe gemacht. Einige meiner Figuren habe ich dem Pauli in Latsch gegeben“.
Der Pauli (Auer Paul, 1895-1969), bekannt als der „Sennen Pauli“ in Latsch, hatte ebenfalls eine schöne Hauskrippe. Zum „Krippele schaugn“ ging man in Latsch gerne zu ihm in die „Lungasse“. Nebenbei erzählte er immer auch Geschichten oder las den einen oder anderen Witz aus seinem Witzbüchlein vor. Der „Sennen Pauli“ schnitzte selber keine Krippenfiguren, er war ein begeisteter Krippenbauer. Seine orientalische Hauskrippe war ein Sammelsurium von Figuren in verschiedenen Materialien und allen möglichen Stilrichtungen. Nach seinem Tod wurde seine Hauskrippe noch bis anfangs der 80er Jahre zur Weihnachtszeit in der Pfarrkirche von Latsch aufgestellt. Seit 2011 befindet sie sich bei seiner Enkelin Tschenett Walburg in Stilfs. (pt)