Das Leben der Priorin im Benediktinerinnenkloster St. Johann in Müstair ist sehr einfach. Es ist geprägt vom täglichen Gebet, von Arbeit und Gehorsam. „Wir alle sind wichtig und richtig so wie wir sind, und rückblickend ist alles gut so wie es ist“, meint sie.
von Christine Weithaler
Priorin Aloisia Steiner beginnt unser Gespräch mit einem Kreuzzeichen. Sie ist als Franziska Steiner 1951 geboren und mit vier Geschwistern in Taufers i. M. aufgewachsen. Die Familie betrieb eine kleine Landwirtschaft.Es ging ihnen verhältnismäßig gut. Jedoch fehlte es oft an Bargeld. So suchte ihr Vater im Winter Arbeit. Er fand öfters eine Anstellung im Kloster St. Johann. Es baute sich eine engere Beziehung zum Kloster auf, und eines Tages fragte der Klosterverwalter ihren Vater, ob er nicht eine Tochter hätte, die an der Pforte aushelfen könnte. Ihre Eltern überlegten und die Wahl fiel auf Franziska. Schon im Kindesalter war sie öfters den Ordensfrauen begegnet. Sie fühlte sich von deren Kleidung und deren Umgang, den diese mit ihnen pflegten, angetan. Im Gegensatz zu ihrem alltäglichen Leben war es eine andere Welt, eine geistliche, die Franziska als Jugendliche auch einige Male bei Exerzitien in Meran erleben durfte. Sie empfand dies als sehr intensive Zeit und nahm vieles daraus mit. Sie trat mit 15 Jahren ihren Aushilfsdienst im Kloster an. Es zog sie zum Klosterleben hin. Im Alter von 18 Jahren entschied sie sich für den Ordensberuf. 1986 wurde ihre „Profess“ gefeiert, und sie erhielt den Schwesternnamen Aloisia. Ihr Alltag ist geprägt vom Gebet, Arbeit und Gehorsam. Sie ist dankbar, dass ihr dies schon im Elternhaus mitgegeben wurde. Anfänglich waren manche Verhaltensformen, die früher etwas strenger waren als heute, gewöhnungsbedürftig. Aber dies legte sich schnell, und heute sieht sie diese als hilfreich für das alltägliche Zusammenleben. Ohne die Gemeinschaft und die gute Zusammenarbeit aller im Kloster wäre vieles nicht zu bewältigen. Die neun Schwestern, die zwischen 59 und 91 Jahre alt sind, sind auf Angestellte angewiesen. Diese unterstützen sie in der Küche, im Garten und bei der Betreuung der Gäste. Um halb sechs Uhr morgens beginnt der Tag für die Benediktinerinnen mit einem gemeinsamen Gebet. Untertags verrichten sie zusammen anstehende Arbeiten, gestalten den Gottesdienst und beten sieben Mal am Tag. Sie essen schweigend mit Tischlesung in der Gemeinschaft, und beim täglichen Kaffee um 15:00 Uhr „plaudern“ sie etwas. Mit dem „Komplet“ (Schlussandacht) um halb acht Uhr abends endet der Tag wiederum mit dem gemeinsamen Gebet. Danach gilt Stillschweigen bis zum Morgen. Zeit für sich selbst, bleibt wenig. Hat Aloisia Zeit, liest sie gern, auch mal einen Krimi. Vor der Zeit als Priorin stickte sie Trachten, nähte die Kutten der Ordensschwestern und sorgte sich um die Gnadenkapelle im Kloster. Sie verzierte Kerzen und kümmerte sich um das Geschehen in der Küche. Noch heute kümmert sie sich um das Brot bei den Mahlzeiten für die Mitschwestern. Sie empfindet dies als wertvolle und schöne Aufgabe. Beim Abendessen am Sonntag legt eine Mitschwester Musik auf. Früher wählte Aloisia diese Musik. In der Jugend hörte sie gerne Volksmusik. Heute findet sie jede Art von Musik schön. Musik kommt vom Inneren des Menschen. Und alles, was von innen kommt, ist schön. Jeder ist so wie er ist richtig und wichtig für das Zusammenleben. Fehlt zum Beispiel eine der Mitschwestern, fehlt sie, in der Gemeinschaft, als Mithilfe aber vor allem als Mensch mit ihrer Persönlichkeit. Im Kloster ist jede für sich eigenständig, aber alle verfolgen gemeinsam das gleiche Ziel. Das Leben der Schwestern ist sehr einfach. Sie haben keine hohen Ansprüche an sich und die Mitmenschen. Aloisia sagt: „Wir alle haben positive Eigenschaften, und es ist schön, wenn wir diese zeigen. Wir tun alle unser Möglichstes. Wir sollen nicht über unsere Kraft hinaus gehen“, erklärt sie. „Man soll immer wieder den Heiligen Geist zu sich einladen und um Gottes Willen bitten. Irgendwann bekommen wir auf alles eine Antwort.“ Vor drei Jahren wurde sie zur Priorin gewählt. Es war eine große Umstellung. „Bis auf das Gebetsbuch war alles neu“, lacht sie. „Man erhält Aufgaben und die nötige Kraft dazu“. Sie nahm die neue Aufgabe an und erfüllte sie nach ihren gegebenen Möglichkeiten. Im vergangenen Oktober wurde Aloisia von ihren Mitschwestern als Priorin wiedergewählt, für unbestimmte Zeit. Das ist eine ehrenvolle Bestätigung für ihre Arbeit. Die Zukunft kennt die 71-Jährige nicht, wichtig ist für sie das Jetzt. „Es ist gut, wenn man warten lernt, geduldig und zuversichtlich ist“, so die Priorin. Sie beendet unser Gespräch mit einer Einladung zu Kaffee und Kuchen.