Kultur: „Sprechen über Südtirol“ mit dem Filmemacher Karl Prossliner

geschrieben von
Karl Prossliner, Portrait von Walter Haller (Algund) Karl Prossliner, Portrait von Walter Haller (Algund)

von Peter Tscholl

 

Karl Prossliner hat seinen Weg gefunden. Er wurde Filmregisseur, produzierte eine Unzahl von Features und widmet sich dem dokumentarischen Film.
Geboren wurde er als dritter von fünf Brüdern 1953 in Mals. Aufgewachsen ist er in Glurns. Sein Vater war dort Gemeindsekretär. Als Karl 11 Jahre alt war übersiedelte die Familie nach Naturns. „Ich war Schulversager, bin herumgeflippt und wusste nicht, was ich machen sollte“. 1977 ging er nach Wien und schaffte die Aufnahme an der Filmhochschule. Zu seinen Lehrpersonen gehörten u.a. die Regisseure Axel Corti und Albert Quendler. 1983 schloß er sein Studium im Fach Regie ab. Seither lebt er als freischaffender Filmemacher. Anfangs der 90er Jahre kehrte Prossliner nach s28 messnerSütirol zurück. Seitdem lebt und arbeitet er in Meran.
Als Verteter von Italien ging Karl Prossliner anfangs der 90er Jahre noch mit Otto Mair in der Theaterthek Naturns mit mehreren Theaterstücken zum internationalen Jugendtheater nach Lingen (D), u.a. mit dem Stück „Sintflut“.

 

Dokumentarfilme und TV- Sendereihen:

Schon in seiner Wiener Zeit hatte Karl Prossliner Künstler und Kulturschaffende porträtiert. Einer seiner ersten Dokumentarfilme war „Sonderurlaub ohne Bezüge“ mit Roman Moser (1989). Bekannt wurde Prossliner in Südtirol aber vor allem mit seinen Filmreihen für das Fernsehen: Sprechen über Südtirol in 7 Folgen (1994/95), Archiv des Alltags, Bildbeschreibung und Menschenbilder. Nachfolgend eine Auswahl seiner Dokumentarfilme:

- Marmor – Für Franz Tumler (1992)
- Hühnerdreck und Asche – Besuch im Paradies (1998)
- Das russische Haus (1999)
- Menschen am Ziel Gipfelnotizen (2006)
- Ära Durnwalder – Der Abschied (2015)
- Das Dorf (2018)

Für seine Dokumentationen erhielt Karl Prossliner zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Prof. Klaus Gatterer Preis (2009) für sozial engagierten Journalismus, den „Goldenen Enzian“ beim Trientner Bergfilmfestival oder den „Fuji-Preis“ beim Dokumentarfilmfestivals in München.

2 FotoProssliner hat seinen eigenen Stil gefunden. Er ist Menschenfilmer und erzählt Menschenschicksale mit einer eigenen Bildsprache. In seinen Filmen wird nur die Sprache des Dargestellten und nie ein erklärender Off-Text verwendet. Auf die Frage, was ihm als Dokumentarfilmer bei seinen Arbeiten besonders gefällt, antwortet er: „Mich interessieren einfach Menschen, weil der Mensch einzigartig und eine Welt ist. Als Dokumentarist ist für mich die Begegnung mit allen Menschen interessant. Schön ist, wenn man durch Recherchen überrascht wird und die eigene Einschätzung nicht zutrifft. Durch Fragen erfährt man letztendlich immer auch mehr über sich selbst“.
Auf die Frage, was Karl Prossliner auszeichnet, antwortet sein Freund Hubert Scheibe: „Es ist vor allem die Sesshaftigkeit in der Gegend, in der er aufgewachsen ist. Er arbeitet mit Menschen, die in seiner Gegend leben. Mit seinen Filmen kommt er diesen Menschen sehr nahe und die Antworten, die er dabei erhält, erzählen über die Landschaft, in der diese Menschen leben und arbeiten“.

 

Heimat – die andere Erzählung:

5 SonderurlaubAufsehen erregte Karl Prossliner mit dem Film „Heimat – die andere Erzählung“ (2021). In dem Dokumentationsfilm porträtierte Prossliner den Historiker Leopold Steurer, der in seinem Buch „Südtirol zwischen Rom und Berlin, 1919 - 1939“ gewagt hatte, an Südtiroler Tabus wie Option und Verwicklung in den Nationalsozialismus zu rütteln. Steurer machte sich damals in der Ära Magnago, als die Kriegsgeneration noch die politische Führung im Lande hatte, bei vielen Südtirolern der Kriegsgeneration unbeliebt. „Jetzt sind es schon 70 Jahre her, aber wir sind immer noch die Kriegsverbrecher, Schuld sind diese Linken, dieser Steurer“ erzählte ein alter Kriegsveteran.
Gestüzt auf Arbeiten Leopold Steurers, der in seinem Buch aufzeigte, dass die Südtiroler nicht nur Opfer, sondern auch Täter waren, hatte Reinhold Messner mit seiner Aussage, die Südtiroler Optanten seien Heimatverräter, eine öffentliche Diskussion, eine Lawine losgetreten. Für Prossliner war diese Aussage ein wichtiger Impuls für die Vergangenheitsbewältigung. Er liebt es nämlich Themen umzusetzen, welche auf Menschen und ihre Realität eingehen.
Prossliner hatte für den Dokumentationsfilm über Leopold Steurer Ausschnitte aus der Sendung „Am Runden Tisch“ mit Robert Pöder, Josef Rampold, Friedl Volgger und Reinhold Messner aus dem Jahr 1982 verwendet.
Im Kulturzentrum „Mairania“ sollte der Film „Heimat – die andere Erzählung“ heuer im Frühjahr ausgestrahlt werden. Der RAI Südtirol Koordinator Markus Perwanger hatte allerdings die Rechte zur Ausstrahlung des Films in ganzer Länge wegen der fehlenden Zustimmung der Hinterbliebenen verweigert. 66 Südtiroler Kulturschaffende hatten in einem offenen Brief gegen diese Maßnahme daraufhin protestiert.
4 Leopold SteurerKarl Prossliner sagt dazu: „Ich möchte die ganze Geschichte nicht hochspielen. Zum 75. Geburtstag von Leopold Steurer sind einige Historiker an mich herangetreten und haben mich gebeten eine Doku über Steurer zu machen. Da habe ich also das Porträt gemacht. Weil ich „Poldi“ gut kenne, er ist ein eher medienscheuer Mensch, war ich der Meinung, dass dies der einzige Film über ihn sein wird und deswegen wollte ich keine Änderungen mehr vornehmen. In meinen Augen war alles in Ordnung. Inzwischen will auch die RAI mit dem neuen Koordinator Zeno Braitenberg den Film in voller Länge ohne Änderungen ausstrahlen“.

Angesprochen auf seine Wünsche für die Zukunft antwortet Karl Prossliner: „Große Wünsche habe ich keine mehr. Gerne würde ich so ein ähnliches Filmprojekt machen wie damals mit „Sprechen über Südtirol“, das aber die Gegenwart thematisiert“.

Gelesen 1513 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.