Das „Doktorhaus“in Laas, erbaut in der Zeit des Späthistorismus anfangs des 20. Jahrhunderts im Auftrag der Gemeinde, befand sich lange im Dornröschenschlaf, ehe es nun - auch dank engagierter Bürgerinnen und Bürger - wieder in altem Glanz erstrahlt.
von Magdalena Dietl Sapelza
Das zentral gelegene Doktorhaus im Ortskern von Laas war in den Jahren 1920/21 im Auftrag der Gemeinde Laas erbaut worden. Als Planer scheint ein Baumeister aus Meran auf. Das hatten die Recherchen des Chronisten Franz Waldner für das im Jahre 1990 erschienene Buch „Häuser von Laas, Tschengls, Eyrs und Tanas“ ergeben. Wie der Name schon sagt, fanden in der Villa die Arztambulatorien und eine Wohnung für den damaligen Gemeindearzt Dr. Domenikus Horrer und dessen Familie ihren Platz. Auch das Gemeindeamt, das sich vorher im oberen Stockwerk des Platterhauses am Laaser Hauptplatz befand, konnte hierher übersiedeln.
Das Gemeindeamt wurde dann in den 1960er Jahren in das ehemalige ENAL Gebäude verlegt, das die Gemeinde gekauft hatte.
Im Doktorhaus ordinierten - teils lebten sie auch mit ihren Familien dort - im Laufe der Jahre mehrere Gemeindeärzte darunter Horrers Sohn Dr. Ernst Horrer. Es folgten Dr. Karl Paulmichl und zuletzt die Gemeindeärztin Dr. Monica Scherer. Als diese schließlich vor einigen Jahren auszog, fiel die Villa in einen Dornröschenschlaf. Denn die Gemeindeverwaltung wartete mit der nötigen Sanierung ab, auch weil andere wichtigere Vorhaben zu finanzieren waren. Der Zahn der Zeit begann am historischen Bauwerk zu nagen. Und mehrere Laaser Bürgerinnen und Bürger sorgten sich, dass der Jugendstilbau irgendwann abgerissen werden und einem modernen Bau Platz machen könnte.
Michael Gurschler, in Laas aufgewachsen und heute Lehrer und Künstler in Wien, war einer, der für den Erhalt der Villa kämpfte. Er sensibilisierte die Bevölkerung und regte Diskussionen an, die letztendlich in der Gemeindeverwaltung zur Entscheidung führte, die Villa in altem Glanz erstrahlen zu lassen.
Das „Doktorhaus“ steht heute nach fast zweijähriger Sanierungsphase mustergültig saniert da – ein kostbares Schmuckstück umgeben von einer umzäunten Freifläche.
Im Untergeschoss des Hauses haben mittlerweile die kleinsten Laaserinnen und Laaser in der Kita drei passende Gruppenräume gefunden. Ein größerer Gruppenraum steht auch im Untergeschoss bereit.
Das Obergeschoss und die Dachräume werden künftig wieder als Arztambulatorien und Therapieräume genutzt. Kurzum, das Doktorhaus, im Charme des Jugendstils, macht seinem Namen nun auch weiterhin die Ehre.
Die zweistöckige Villa in Masssivbauweise im ehemaligen Spitalanger entspricht der Vorkriegsarchitektur und ähnelt den Villen in Meran, die sich an den Formen des Späthistorismus orientieren und sich an die Bautradition der Münchner Schule, des Münchner Jugendstils anlehnen. Die Villa wurde auf einem Natursteinsockel errichtet. Der Runderker im Obergeschoss steigt bis unter den leicht gewalmten Kreuzgiebel und erinnert an Festungstürme. Das Walmdach war mit Biberschwanz Ziegeln eingedeckt worden. Ein Walmdach ist eine Dachform, die im Gegensatz zum Satteldach nicht nur auf der Traufseite, sondern auch auf der Giebelseite geneigte Dachflächen hat. Am Bau sind runde Elemente vorherrschend. Die runden Formen wiederholen sich auch bei den Bogenfenstern. Ins Auge stechen die Fachwerkelemente auf der Südseite und die Holzverkleidung einer angedeuteten Holzveranda. Die Räume sind detailreich gestaltet. Holzbalkendecken, hölzerne Vertäfelungen und geschnitzten Holzelemente zeugen von großer Handwerkskunst. Die Villa war für die damalige Zeit etwas Besonderes und brachte der Gemeinde Laas – laut Recherchen von Michael Gurschler (publiziert im Vinschgerwind am 15. 11. 2016) in der Südtiroler Gewerkschaftszeitung der Sozialdemokraten (1919 bis zum Verbot 1924) die lobende Bezeichnung „aufstrebende Gemeinde“ ein. Unter anderem wird folgendes vermerkt: „Die hiesige Gemeinde hat mit einem bedeutenden Kostenaufwande ein mit allen neuzeitlichen Anforderungen ausgestattetes Heim erbaut. Die Gemeinde hat durch den Neubau nicht nur ihren verdienten Gemeindearzt, sondern auch sich selbst geehrt.“
Mit der Restaurierung des Doktorhauses betraute die Gemeindeverwaltung den Prader Architekten Martin Stecher. Es ist ihm gelungen, Altes mit Neuem harmonisch zu verbinden und die Einteilung der Villa so anzupassen, dass sie den künftigen Anforderungen als Arztambulatorium, Therapie- und Kitaräume gerecht wird.
Der historische Bestand des Doktorhauses in Laas wurde durch behutsame Sanierung in seinen Grundzügen so belassen, wie es seit einem Jahrhundert dastand. Allerdings mussten einige neue Anpassungen vorgenommen werden, um den unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden. Diese Anpassungen sind als solche zu erkennen. Altes und Neues geht eine harmonische Verbindung ein.
Der Zugang zu den Ambulatorien, den Therapieräumen und zur Kita wurde an die Nordseite des Hauses verlegt. Von dort aus führen ein internes Treppenhaus und ein Lift zu allen Stockwerken. Der ehemalige Eingang auf der Süd-West-Seite dient als Zugang zur angrenzenden Spielwiese und ist mit einer Rampe versehen.
Aus statischen Gründen - aber auch wegen der hohen Kosten - wurden die Holzbalkendecken entfernt und durch Stahlbetondecken ersetzt. Die Kamine wurden entfernt, da sie nicht mehr gebraucht werden. Die zwei vertäfelten Stuben wurden gereinigt und in ihrer ursprünglichen Form belassen. In allen Geschossen erfolgte ein neuer Fußbodenaufbau. Die Mauern wurden innen mit einer Dämmung versehen. Um Wärmeaustritt zwischen Wand und Decke zu verhindern, wurde im Eckbereich der Decke ebenfalls eine Dämmung eingelegt. Die neuen Fenster und Außenelemente wurden den bestehenden nachgebaut. Das Dach wurde statisch verstärkt, ebenfalls gedämmt und mit neuen Biberschwanz Ziegeln gedeckt. Im Bereich der Kita fiel die Entscheidung für eine Fußbodenheizung, während in den Ambulatorien Heizköper montiert wurden. Das Doktorhaus ist am Fernwärmenetz der Leeg Laas angeschlossen.
Daten:
Sanierung Doktorhaus Laas
Entstehungszeit: Anfangs des 20. Jahrhunderts nach dem Vorbild der Jugendstil-Villen in Meran
Bauherr: Gemeinde Laas
Projektant: Architekt Martin Stecher, Prad
Statiker/Sichheitskoordinator: Ing. Hubert Telser, Eyrs
Planung HLS + EL: per. ind. Martin Zuech, Lana
Bauvolumen: oberirdisch: 1894,28 m3 / unterirdisch: 258,51 m3
Baubeginn: Frühjahr 2020
Bauende: Frühjahr 2022
Beteiligte Unternehmen: siehe Anzeigen
Das Doktorhaus in Laas:
Vom Kleinod zur Sehenswürdigkeit?
Das Doktorhaus verbinde ich mit meiner Kindheit, mit meinem Schulweg, mit dem Ort an dem ich aufwuchs, mit Laas. Als ich vor einigen Jahren die Leute darüber reden hörte, man werde das alte Gebäude wohl abreißen und durch einen Neubau ersetzen, begann die Bestandsaufnahme. Ich redete mit den Laaser*innen, die sich an frühere Bewohner*innen und Mediziner*innen im Doktorhaus erinnerten, und die das Doktorhaus noch als Gemeinde- und Schulhaus kannten, ich fand alte Ansichten und Zeitungsartikel, viele Geschichten und ich fand nicht selten vor allem eines: Enttäuschung und Empörung über die im Raum stehende Demolierung.
Aus der Veröffentlichung eines Gastkommentars im Vinschger Wind 2016 wurde eine kleine Bürger*innenbewegung mit dem Ziel, das Gebäude und den Medizinstandort zu erhalten und zu revitalisieren. Zusammmen mit Franz Fliri vom Heimatpflegeverband Südtirol gelang es, das Amt für Bau- und Kunstdenkmäler der Autonomen Provinz Bozen auf das Doktorhaus aufmerksam zu machen. Es ist allerdings den kämpferischen Laaserinnen und Laasern aber auch Altbürgermeister Andreas Tappeiner zu verdanken, dass das Doktorhaus heute noch steht.
Da ich meine medialen Erfahrungen mit der Gemeindepolitik als Beispiel einer gelebten Demokratie gerne an meine Schüler*innen weitergebe, kennen in Wien mittlerweile zwei Maturajahrgänge das Doktorhaus, zumindest aus den Zeitungsartikeln. Irgendwann, versicherten mir einige, möchten sie es selbst einmal sehen, wenn die Sanierung abgeschlossen sei.