Am 11. Dezember vor 50 Jahren starb Hans Ebensperger. Er wurde 42 Jahre alt. Am 12. Dezember vor einem Jahr starb Sven Sachsalber. Er wurde 33 Jahre alt. Beide waren Obervinschger. Gemeinsam war beiden ihre Radikalität im positiven Sinne, sich in ihrer jeweiligen Kunstform und Zeit durchzusetzen. Ebensperger war Maler und Sachsalber Performance-Künstler. Zur Erinnerung.
Hans Ebensperger (1929 – 1971)
Hans Ebensperger war ein „Vollblutmaler“, mit all seinen guten und weniger guten Seiten. Bei Frauen war er sehr beliebt und begehrt. Er ließ sich feiern und hat selber gerne gefeiert. Er liebte die Freiheit und sein Auto.
Seine frühe Kindheit verbrachte Hans meist bei seiner Großmutter in Prad. Früh erkannte man sein zeichnerisches Talent. Von 1948 bis 1952 besuchte er die Akademie der Bildenden Künste in Wien. Bedeutend für seinen malerischen Weg war vor allem die Begegnung mit dem Künstler Max Weiler. 1956 heiratete Ebensperger Siegfriede Coufal, eine Studienkollegin. Einige Jahre später kehrte er mit seiner Familie in sein Heimatort Prad zurück.
Es war ein internationales Phänomen, dass man in der Nachkriegszeit vom Figurativen weg und hin zur Abstraktion ging. Auch Ebensperger folgte diesem Trend. Ebensperger hat damit mit seinen damaligen Südtiroler Künstlerkollegen, allen voran Peter Fellin, die Moderne Kunst in unser Land gebracht. Es war ihr Verdienst, dass eine erste Öffnung zur internationalen Kunst stattfand.
Die ersten Südtiroler Schaffensjahre waren für Hans Ebensperger aber alles andere als leicht. In der Nachkriegszeit war kaum Geld vorhanden, es gab nur wenige, die sich Kunst leisten konnten. Um etwas Geld zu verdienen hat Hans Ebensperger einige „Auftragsarbeiten“ angenommen, welche aber mit seinem künstlerischen Werdegang wenig zu tun hatten. Solche Arbeiten sind heute noch zu sehen z. B. an der Fassade des Gasthaus zur kleinen Cilli in Gomagoi, im Cafe Hofer in St. Valentin auf der Heide und beim Rosenwirt in Schlanders.
Die besten Arbeiten des Hans Ebensperger sind aber seine abstrahierten Landschaftsbilder. Seine Landschaftsbilder versah er manchmal mit knappen lyrischen Gedichten am Rand des Blattes hingeschrieben, wie eine Tagebuchnotitz mit Datum vermerkt. Vallung ist eine der selten präzis genannten Landschaften im Oberen Vinschgau.
Hans Ebensperger war salopp gesagt, ein „wilder Hund“. Er wollte das Physische, die Kälte, Wind, Nebel und Schnee ganz stark erleben. Tagelang war er alleine in den Bergen unterwegs und hat Nächte dort verbracht. Natur und Schöpfung waren das Hauptema seiner Arbeiten. Der unmittelbare Bezug zur Natur wird in jedem Werk sichtbar. Eingebunden in seine Malerei war immer auch sein Erleben in der Natur.
Hans Ebensperger sagte einmal: „Ich lebe nicht in New York, sondern im Oberen Vinschgau. Ich lebe am liebsten zwischen Steinen und Bäumen und deswegen male ich eben diese Welt“. Das sagt viel über den Künstler Hans Ebensperger aus. Seine Welt war der Vinschgau.
Sven Sachsalber (1987 – 2020)
Sven Sachsalber suchte die weite Welt und wählte die Performance um sich künstlerisch auszudrücken.
Man erzählt, dass er ein angenehmer, heiterer, aufgeschlossener und interessierter Mensch war. Mit seiner Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Klarheit war er ein Vorbild. Er hat alles von sich gezeigt, Stärken und Schwächen. Er war ein eigenwilliger Kopf, er wollte „sein Ding durchziehen“, ging bis an seine Grenzen. Der Sven war etwas Besonderes.
Aufgewachsen in Laatsch besuchte er die Sportoberschule in Mals. Nach einer schweren Skiverletzung änderte sich sein Leben. Er ging zunächst nach Bologna, studierte Wirtschaft und Sprachen. Dann von 2010 bis 2013 studierte er Kunst am Fine Arts Royal College of Art in London, 2014 verlegte er seinen Lebensmittelpunkt nach New York. Dort fand er das große Glück bei seiner Freundin Andra. Er arbeitete als Assistent beim Künstlerstar Raymond Pettibon. Sein großer Mentor war Rudolf Stingel.
Öfters im Jahr kam Sven nach Hause nach Laatsch. Freunde erzählen: „Dann besuchte er Oma Frieda, Mama Priska sowie den Rest der Familie. Sven war einer, der mit allen geredet hat, mit Jung und Alt, egal ob im Gasthof Lamm beim „Mala Peppi“ oder sonst wo. Sven war ein Laatscher und blieb ein Laatscher. Er gehört immer zu uns. Wenn er kam, dann war er von der ersten Minute an da, so als ob er nie weg gewesen wäre. Sven war sehr traditionsbewußt, beim Scheibenschlagen oder zur Fasnacht war er immer da, wenn es ihm irgendwie möglich war. Wir haben miteinander gefeiert, sind auf Feste gegangen, haben intensiv gelebt. Häufig waren wir mit dem Radl unterwegs, sind auf das Stilfserjoch gefahren. Manchmal haben wir auch über Kunst geredet, wie man unter Kollegen halt über Kunst redet“.
Sven Sachsalber war Künstler aus Überzeugung. Er wollte immer schon Künstler werden. Als Sportler hatte er gelernt diszipliniert und ausdauernd zu sein. Disziplin und Ausdauer hat er 1:1 auf die Kunst übertragen und eine unglaubliche Durchschlagskraft entwickelt. Dieses Verhalten hat ihn als Künstler ausgezeichnet.
Mit seinen ungewöhnlichen Aktionen hat Sven Sachsalber bald auf sich aufmerksam gemacht. Mit der Nadel im Heuhaufen in der Pariser Galerie „Palais de Tokyo“ oder dem Puzzle „Hands“ in der New Yorker Galerie „White Columns“, wo er mit seinem Vater Markus die Erschaffung Adams nach Michelangelo zusammenfügte, erreichte er einen hohen Bekanntheitsgrad.
Sven hatte sich eine Aufgabe gestellt und diese wollte er zu Ende bringen, dabei bleiben und nicht von der Arbeit wegrennen. Das fällt bei jeder seiner Arbeiten auf, egal, ob er nun 30 Stunden lang eine Nadel im Heuhaufen suchte, ob er das Puzzle aus 13.200 Teilen zusammenstellte oder 24 Stunden mit einer Kuh in einem verschlossenen Raum verbrachte. Sven hatte mit seinen Aktionen erreicht, was er wollte: bei sich sein, sich selber und das Leben aushalten.
2019 erhielt Sven Sachsalber den Paul Flora Preis als Anerkennung für seine Leistung in der zeitgenössischen bildenden Kunst.
Peter Tscholl