Buchbesprechung
Oxana Matiychuk:
Rose Ausländers Leben im Wort.
Graphic Novel. Danube Books, Ulm, 2021. 56 S.
Kompakte Textpassagen, knallige Farben und Illustrationen, die an Pop Art erinnern: Das Leben von Dichterin Rose Ausländer kommt frisch daher. Ein Leben, das 1901 im österreich-ungarischen Kronland der Bukowina unbeschwert begonnen und zahlreiche Knicke erfahren hatte. Da waren private Schicksalsschläge, die sie trauern ließen. Und politische. Der Erste Weltkrieg verpflanzte sie nach Wien. Da war eine notgedrungene Flucht vor der Mittellosigkeit nach Amerika vor genau hundert Jahren, doch der American Dream stellte sich nicht ein. Auch die Heirat verlief unglücklich, doch Rose zerbrach nicht an den Neuanfängen. In ihren Exilgedichten beschreibt sie die Sehnsucht nach der „grünen Mutter“ Bukowina und nach der Hauptstadt Czernowitz, einem Schmelztiegel von Sprachen und Kulturen, dem auch Paul Celan entstammte. Es gelang ihr, dorthin zurückzukehren. Die Buchseiten, die die 40er Jahre illustrieren, leuchten rot und treten schwarz hervor. Zuerst als ehemalige US-Bürgerin von den Sowjets verfolgt, geriet sie als Jüdin in die grausamen Fänge der Nazis. Sie besetzten die Stadt, brandschatzten und mordeten. Rose Ausländer wurde mit Tausenden ins Ghetto gepfercht, sie kam mit dem Leben davon – und schrieb. Nach dem Holocaust veränderte sich ihr Ton, „der Reim ging in die Brüche.“ Die Vieldeutigkeit der Sprache, auch dank der originellen Bildhaftigkeit, behielt sie bei. Wie rastlos sich ihr Leben nach dem Überleben und mit dem Wissen über die Verbrechen gestalten ließ und wie sie ihren Lebensabend verbrachte, erzählt dieses quirlige Bändchen. Es zitiert wenig, aber weckt die Lust, nach einem der Gedichtbände zu greifen. Es sind mehr als 30! „Der Traum hat offene Augen“ ist die letzte Gedichtsammlung aus dem Jahr 1987. Ein Jahr später verstarb Rose Ausländer. Sie lebt in ihren Sprachhäusern, getreu ihren Verszeilen: Sei was du bist / Gib was du hast.
Maria Raffeiner