Wolfgang Platter, am Tag der Hlg. Margareta, 20. Juli 2021
Das neue avimundus zeigt in Zukunft noch mehr aus der Welt der Vögel. Die Einrichtung in Schlanders ist das fünfte Besucherzentrum des Nationalparks Stilfserjoch in seinem Südtiroler Länderanteil. In der Fußgängerzone zentral gelegen, wurde das Gebäude von der Gemeinde Schlanders in der Partnerschaft mit einem privaten Unternehmen als PPP-Projekt errichtet und wird in Zukunft vom Südtiroler Amt für den Nationalpark Stilfserjoch geführt. Am Freitag, 27. August wird diese Einrichtung der Umweltbildung und -sensibilisierung offiziell seiner Bestimmung übergeben. Damit kehrt der Nationalpark Stilfserjoch mit einer attraktiven Bildungseinrichtung in den Vinschgauer Hauptort zurück. Bis 1961 war Schlanders der offizielle Sitz des Nationalparks gewesen. Nach den Sprengstoffanschlägen war der Verwaltungs- und Rechtssitz des Nationalparks von Schlanders nach Bormio verlegt worden. Im Februar 2016 sind die Kompetenzen zur Verwaltung des Nationalparks Stilfserjoch vom staatlichen Umweltministerium an die drei Länder Lombardei, Trentino und Südtirol für ihren jeweiligen Länderanteil übergegangen. Damit konnte ein jahrzehntelanges Ringen um größere Autonomie in Sachen Nationalpark erfolgreich beendet werden, welches unter maßgeblicher Beteiligung des Schlanderser Landtagsabgeordneten und Landeshauptmann-Stellvertreters Dr. Alfons Benedikter nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen hatte. Von 1935, dem Jahr seiner Ausweisung, bis 1985 war der Nationalpark dem Sonderbetrieb der Staatlichen Demanialforste zugeordnet, von 985 bis 2016 wurde er von einem Konsortium zwischen dem Staat und den drei Ländern verwaltet.
Das fünfte Nationalparkhaus in Südtirol
Mit avimundus am neuen Standort und der vergrößerten Ausstellungsfläche öffnet das 5. Besucherzentrum des Nationalparks Stilfserjoch in seinem Südtiroler Länderanteil. Die Nationalparkhäuser sind Umweltbildungseinrichtungen, welche aus Mischfinanzierungen mit Geldmitteln der Europäischen Gemeinschaft, des staatlichen Umweltministeriums, des Landes Südtirol und der Standortgemeinden seit den 1990er-Jahren errichtet worden sind. Die Einrichtungen folgen einem Konzept, das in seinen thematischen Schwerpunkten und in der geographischen Verteilung der Standorte komplementär ist:
• naturatrafoi an der Stilfserjochstraße in Trafoi wurde als erstes Haus eröffnet. Es ist der Alpinökologie und der Geologie der Ortler-Cevedale-Gruppe gewidmet und zeigt schwerpunktmäßig die Anpassungen der Pflanzen und Tiere an die extremen Standortbedingungen im Hochgebirge.
• aquaprad in Prad am Unterlauf des Suldenbaches stellt bei Lebendtierhaltung die Fischfauna Südtirols vom sauerstoffreichen Gebirgsbach der Forellenregion bis zu den stehenden Gewässern mit warmem Wasser im Kalterer See vor. In diesen aquatischen Lebensräumen sind die Karpfen und die Barsche die Hauptfamilien der vorkommenden Fische.
• culturamartell in der Freizeitanlage Trattla in Martell zeigt Ausschnitte der bergbäuerlichen Kulturlandschaft im Arbeiten, Wirtschaften und Wohnen. Generationenlanges Arbeiten, Schuften und Schinden auf den Höfen in Subsistenzwirtschaft haben diese landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaft unter erschwerten Arbeitsbedingungen geschaffen und erhalten.
• Die Lahnersäge in St. Gertraud in Ulten stellt den Wald in den Mittelpunkt der Ausstellung. Ulten ist ein Waldtal. Schutz, Nutz, Lebensraum, Erholung, Wasserspeicher, Klimaregulator sind nur einige Schlagwörter für die vielen und wertvollen Funktionen des Waldes im Berggebiet der Alpen. Die wasserbetriebene Venezianer Säge am Zusammenfluss von Kirchbergbach und Falschauer wurde sachkundig restauriert und durch einen einfühlsamen Zubau erweitert.
• Und ab diesem Sommer 2021 eben das neue avimundus Schlanders zur Ornithologie. Herzstück der Ausstellung ist die vollständige Sammlung der Vogelpräparate von Hansjörg Götsch. Diese lebenslang zusammengetragene Sammlung auf einer erstklassigen Präparationsqualität stellt Hansjörg der Gemeinde Schlanders und dem Nationalpark Stilfserjoch als Leihgabe zur Verfügung. Die Sammlung umfasst alle Brutvogelarten Südtirols und auch die Durchzieher als Zugvögel.
Umweltbildung, Dokumentation und Forschung
Schlanders ist Mittelpunktsort und Oberschulstandort. Dem neuen und erweiterten Nationalparkhaus avimundus kommt Bedeutung als Bildungs-, Dokumentations- und Forschungsort zu. Und es ist dem Nationalpark Stilfserjoch zu wünschen, dass avimundus mit der Schaffung einer Planstelle im Organigramm der Südtiroler Landesverwaltung eine ganzjährige Öffnung anbieten und gewährleisten kann.
Vögel in ihren Lebensräumen
Als vormaliger Leiter des Nationalparks Stilfserjoch dürfte ich das Regiebuch für die neue Ausstellung im Nationalparkhaus avimundus schreiben und in den letzten Monaten in einer interdisziplinären Arbeitsgruppe in der baulichen Umsetzung begleiten. Der architektonische Entwurf des Gebäudes stammt aus der Feder von Architekt Stephan Marx und seinem Büro, die grafische Gestaltung der Ausstellung von den Grafikern Katrin Gruber und Laurin Kofler.
Konzeptionell wird avimundus die Vögel in ihren Lebensräumen zeigen: Von innen nach außen und von unten nach oben: Vom Siedlungsraum Dorf über die landwirtschaftlichen Nutzflächen hinaus in den Wald. Und von den Auwald-Resten in der Talsohle hinauf bis in die alpine Stufe der Nadelwaldgrenze und in die nivale Stufe der Felsen und Gletschervorfelder. Die Besonderheiten des Vinschgauer Sonnenberges werden ebenso vorgestellt wie die alten und neuen Besiedler des Haider Sees als stehendes Gewässer mit langer Eisdecke im Winter.
Dazu gibt es Sonderthemen, welche das Leben und die Biologie der Vögel ausmachen wie die Feder und der Flug, das Ei und die extrauterine Entwicklung oder die Stimme, die Lautäußerungen und der Gesang der Vögel.
Der Bartgeier
Die künstliche Horstnische im Marteller Schludertal hat bei der Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen in den 1990er-Jahren bei der Freilassung von nicht ganz flüggen Jungtieren aus Zoo-Zuchten eine bedeutende Rolle gespielt. Daher bildet das Wiederansiedlungsprojekt des Bartgeiers einen weiteren Themenschwerpunkt im neuen avimundus. Es wird in avimundus zumindest saisonal auch Live-Bilder aus einem Bartgeier-Horst geben, wenn der Horst besetzt ist und Brutgeschäft stattfindet!
Die Fledermäuse
Auch die einheimischen Fledermäuse werden in avimundus vorgestellt. Sind sie doch bedrohte Insekten-Jäger der Nacht und Natura 2000-Arten der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Und der Kirchturm der Schlanderser Pfarrkirche und das Dachgebälk über dem Kirchenschiff der Vetzaner Kirche sind seit Jahrzehnten Heim- und Brutstätte zweier verschiedener Fledermaus-Arten.
Dreidimensionales Geländemodell
Als Unikat wird in avimundus einmalig und erstmals ein dreidimensionales und maßstabsgetreues Geländemodell des gesamten Nationalparks Stilfserjoch in seiner lombardischen, trentiner und südtiroler Flächenausdehnung gezeigt. Mit Überblendtechnik können am Modell Sachthemen wie die Vegetation, die Geologie, die Wassereinzugsgebiete, aber auch das Verbreitungsareal z.B. des Birkhuhnes auf das Modell projiziert werden. Zusätzliche kartographische Informationen zu den Landschaftsschutzgebieten in Südtirol und im gesamten Alpenbogen ergänzen das Informationsangebot.