„Implant(at)karthaus“ ist das Thema der heurigen Ausstellung im ehemaligen Kloster im Schnalstal. Ein Implantat ist ein Fremdkörper, der eingesetzt, eingepflanzt, ausgesetzt oder eingebaut wird. Die Umgebung kann das Fremde annehmen oder abstoßen. Das Implantat kann Wurzeln schlagen, neue Entwicklungen auslösen und zu einem Mehrwert führen oder das Alte überwuchern und verändern. Oder es passiert gar nichts. Als Thema einer Ausstellung in einer aufgelassenen Klosteranlage weckt es Neugier. Die beiden Kuratoren Michael und Thomas Rainer haben sieben junge Südtiroler Künstler:innen eingeladen zum Thema Arbeiten zu schaffen und in der ehemaligen Kartause Allerengelberg auszustellen. Kunst in der Kartause ist seit Jahren zu einem fixen Sommerevent geworden und so konnten Benjamin Santer, der Präsident vom Kulturverein Schnals und Alexander Zoeggeler, der Präsident vom Südtiroler Künstlerbund, nicht nur die ausstellenden Künstler und Künstlerinnen, sondern auch viele Kunstfreunde aus dem ganzen Land zur 33. Ausstellung in Karthaus begrüßen. Mehrere Redner erinnerten bei der Begrüßung daran, dass die Klosteranlage bei der Entstehung selbst ein Fremdkörper war und als Implantat in eine fremde Umgebung eingesetzt wurde und sich von der Außenwelt abgeschlossen hat. Viele Installationen der Künstler stehen auch in einem engen Bezug zum Kloster und der Lebensweise im Kloster. Bei der Ausstellungseröffnung wurde auch von mehreren Rednern an Monika Gamper, die als langjährige Vizepräsidentin vom Kulturverein Schnals erinnert. Sie hat diese Ausstellung maßgeblich vorbereitet und bereits im letzten Jahr eröffnen wollte. Wegen der Corona-Pandemie konnte 2020 keine Ausstellung durchgeführt werden und am 3. Jänner kamen Monika Gamper und ihr Mann Michael Grüner bei einem Lawinenunglück im Schnalstal ums Leben. Kulturlandesrat Philipp Achammer erinnerte an Karthaus als Ort einer besonderen Stille und an die schwierige Situation vieler Künstler:innen in der Zeit des Lockdowns. Kunst richtet den Blick auf das Wesentliche, ein Dialog zwischen Kunst und Gesellschaft ist deshalb wichtig, besonders in schwierigen Zeiten, meinte der Landesrat. Der Zugang zur modernen Kunst ist nicht einfach. Viele Menschen stehen oft kopfschüttelnd und sprachlos vor den Werken. Auch die sieben Kunstwerke bei der heurigen Ausstellung verlangen nach einer Einführung. Diese Erläuterungen gaben die beiden Tiroler Kunsthistoriker und Kuratoren der Ausstellung bei der Eröffnung am 10. Juni. Auch eine Broschüre gibt ausführliche Erklärungen und Hintergrundinformationen. Die Ausstellung selbst regt an nachzudenken und viele Fragen zu erörtern.
Heinrich Zoderer
Die Ausstellung ist vom 11. Juli bis 22. August 2021 ganztägig zugänglich.
www.kunst-in-der-karthause.it
7 Künstler:innen, 7 Installationen, 7 Implantate
Stefan Alber
geboren 1991, aus Bruneck, lebt in Berlin. Die Karthäuserzelle als frei zugängliche Holzskulptur mit Bett, Bank, Tisch und Schrank zum Schlafen, Beten und Lesen. Ein enger Innenraum, die Mönchszelle, wird im Außenraum platziert und nach allen Seiten geöffnet. Damit wird die Klosterzelle, die sich abgekapselt im eingeschlossenen Klosterkomplex befindet, auf den Kopf gestellt und zu einer freien Zelle im öffentlichen Raum. Wieviel Öffnung und wieviel Abkapselung brauchen wir für unser Leben?
Barbara Gamper
geboren 1981, aus Meran, lebt in Berlin. Ein 100 Meter langes Stoffband mit Abdrücken von Händen und Füßen soll auf die Votivgaben in der Kapelle hinweisen, die zum Dank für die Rettung aus einer Notlage oder für die Heilung von Krankheiten von Gläubigen hinterlassen wurden. Mit den knallbunt-poppigen Farben platziert sie die alten Votivgaben in die heutige Zeit und haucht ihnen dadurch ein zweites Leben ein. Wer rettet uns in Notlagen, wem danken wir?
Irene Hopfgartner
geboren 1986, aus Bruneck, lebt in Wien. Ein Kreis aus Fliegenpilzen, ein Hexenkreis, bildet eine perfekte Täuschung und eine verführerische Anziehung. Soll man in den Kreis eintreten oder besser draußen bleiben? Liefert man sich dadurch einer höheren Macht aus? Durch diese Installation wird Kunst zur Imitation der Natur und zu einer Verbindung zwischen Kunst und Magie. Lassen wir uns täuschen und verführen?
Judith Neunhäuserer
geboren 1990, aus Bruneck, lebt in München. Eine Installation als Zeit – Implantat mit den acht Gebetszeiten der Mönche. Durch diesen Zeitrhythmus und dem Wechsel zwischen Beten und Arbeiten wird der Tagesablauf stark strukturiert. So erhält der 24-Stunden-Tag ein zeitliches Korsett, ein Zeit-Implantat. Auch wir selbst haben unser Leben eingebettet in verschiedene Zeit-Korsette. Wieviel Freizeit und wieviel verplante Zeit haben wir?
Wolfgang Nöckler
geboren 1978, aus dem Ahrntal, lebt in Innsbruck. Sprachimplantate, Spracharchäologie: auf der Suche nach den Sprachwurzeln. Nöckler ist Autor und Poetry-Slammer. Der Innenhof des Kreuzgangs, wo die meisten Installationen zu sehen sind, wurde zu einem Forschungsfeld, einem Ausgrabungsort. An vier Stellen hat Nöckler die Grasdecke aufgebrochen und die oberste Erdschicht abgetragen, auf der Suche nach verschütteten, vergrabenen und vergessenen Wortgebilden im Ahrntaler Dialekt. Er zeigt mit dieser Aktion auf, dass alte Sprachbilder durch neue Medien und eine junge Generation verdrängt und vergessen werden. Gibt es auch für uns vergessene Wörter, verdrängte Bilder, vergrabene Erinnerungen?
Leander Schönweger
geboren 1986, aus Meran, lebt in Brüssel. Käfige für Kleintiere und Käfige für Menschen. Nicht nur Tiere wie Hamster, Mäuse oder Meerschweinchen werden in Käfigen gehalten, auch Menschen lassen sich in Käfige „einsperren“ bzw. sperren sich selbst in Käfige ein oder umgeben sich mit einem Panzer der Unnahbarkeit. Bei dieser Installation wird nicht das Künstliche ins Natürliche eingepflanzt, sonders das Natürliche (Tiere oder Menschen) in das Künstliche (einen Käfig bzw. in einem Rückzugsort) Das Implantat wird zum Exoskelett, zum Außenskelett als Zuhause, das Schutz bietet, aber auch zum Gefängnis werden kann, um maximale Kontrolle auszuüben. Wie frei sind wir und wie eingezwängt fühlen wir uns?
Alexander Wierer
geboren 1989, aus Brixen, nach langen Aufenthalten im Ausland lebt er nun wieder in Sarns bei Brixen. Das Kreuz als vielschichtiges Symbol und Skulptur. Die Kreuzform ist eine Grundstruktur des Siedlungsbaus. Der Cardo bildete bei römischen Anlagen die Hauptachse, die meist in Nord-Süd-Richtung angelegt wurde. Senkrecht zu dieser Hauptachse wurde eine meist in Ost-West-Richtung verlaufende Achse festgelegt, die Decumanus genannt wird. Das Kreuz ist auch ein religiöses Symbol und findet sich vielfach in der Natur und bei verschiedenen Handwerksarbeiten. Die Grundstruktur des Kreuzes wird z.B. bei der Wildbachverbauung und Lawinenverbauung eingesetzt. Wierer macht aus seiner Kreuz-Skulptur ein modernes Kommunikationssystem mit WLAN. Wie wichtig sind für uns religiöse oder politische Symbole oder andere Zeichen und Symbole?