Schlanders erzählt... Märchenherbst

Maerchenherbst24

 
 

Die Sprache der Justiz

geschrieben von

Aus dem Gerichtssaal - Gerichtsurteile ergehen bekanntlich „Im Namen des Volkes“. Dies auch deswegen, weil in einer Demokratie das Volk der Souverän ist. Das war nicht immer so. Nach dem Ersten Weltkrieg, auch noch während Mussolinis faschistischer Diktatur, verkündeten die Richter ihre Urteile „Im Namen des Königs“. Der Unterschied ist keine bloße Spitzfindigkeit. Er sollte die Abkehr vom Obrigkeitsstaat und die Hinwendung zu einem demokratischen Gemeinwesen symbolisieren. Damit hätte auch ein Wandel in der Sprache einhergehen sollen. Hierzulande war den Leuten der Zugang zu Recht und Gesetz zusätzlich erschwert, dass ihm diese in der Staatssprache, also in Italienisch begegneten. Die mangelnde Zweisprachigkeit äußerte sich auch in so kläglichen Übersetzungsversuchen wie „Tribunale“ in „Tribunal“ und „Pretura“ in „Prätur“, wie sie lange den Eingang zum Hauptsitz des Gerichts in Bozen „verzierten“. Richter, welche die deutsche Sprache beherrschten, waren Mangelware. Erst in den späten 60-iger Jahren änderte sich langsam etwas: Der spätere langjährige Richter am Landesgericht Bozen, Josef Kreuzer, machte den Anfang. Ihm folgten die mit Tauferer Wurzeln „behaftete“ Margit Fliri und der Meraner Heinz Zanon, die ihre Karrieren als Vorsitzende des Jugendgerichts bzw. als Präsident des Landesgerichts beendeten. Seit den 80-iger Jahren werden Sonderwettbewerbe zur Rekrutierung von zweisprachigen Richtern durchgeführt, welche zu einer guten „Durchmischung“ geführt haben. Zwei humorvolle Episoden möchte ich den Lesern nicht vorenthalten, welche die Notwendigkeit der Kenntnis beider Sprachen durch den Richter veranschaulichen. Da fand vor dem Bezirksgericht Schlanders ein Strafprozess wegen Amtsehrenbeleidigung statt. In der in Italienisch abgefasten Anklageschrift stand zu lesen, der Angeklagte habe einen Forstaufseher als „caccamolla“ tituliert. Erst auf die Nachfrage des Richters war verständlich, dass damit ein „Schleimscheißer“ gemeint war, was nun bei Gott keine feine Anrede für einen Uniformierten darstellt. Und in einem Musterprozess, der ebenfalls vor dem Gericht in Schlanders ausgetragen wurde, stand im Anklagesatz zu lesen, ein Tscharser hätte einen Schnalser in einem Gasthaus in der Weise beleidigt, dass er ihn mit den Worten begrüßte: “Eccoti qui, Senalese dalla coda lunga“, was in die Urform übertragen dann hieß: “Hoi, bisch a schun do, du longseckelter Schnolser“.
Aber seit im Jahre 2013 sämtliche peripheren Bezirksgerichte aufgelassen und an den Hauptsitz des Landesgerichts in Bozen übersiedelt wurden, finden auch so volksnahe Prozesse wie die oben beschriebenen nicht mehr statt. Denn Hand in Hand damit ging eine Entmenschlichung und Bürokratisierung der Justiz, und das alles aus Gründen der Sparsamkeit, wobei mir noch niemand erklären konnte, worin die Einsparung bestehen soll. Gegen diesen Kahlschlag zum Schaden der Peripherie wäre ein ähnlicher Widerstand angebracht gewesen wie vormals gegen die versuchte Dezimierung der Bezirkskrankenhäuser.

Peter Tappeiner,
Rechtsanwalt
peter.tappeiner@dnet.it

Gelesen 2361 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.