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Nationalpark Stilfserjoch - Landwirtschaft und Gesellschaft - eurac research stellt Landwirtschaftsreport Südtirol 2020 vor

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Das Nebeneinander von viehhaltender Landwirtschaft, Gemüseanbau und Obstkulturen ist schwierig geworden Das Nebeneinander von viehhaltender Landwirtschaft, Gemüseanbau und Obstkulturen ist schwierig geworden

Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Konstantin, 21. Mai

Am 6. Mai ist von eurac research Bozen der 1. Landwirtschaftsreport Südtirol vorgestellt worden. Herausgeberin ist Frau Prof. Ulrike Tappeiner, die Leiterin des Institutes für Alpine Umwelt an der Eurac und Präsidentin der Freien Universität Bozen. An diesem 1. Südtiroler Nachhaltigkeitsreport zur Landwirtschaft haben 16 Wissenschaftler mitgearbeitet. Im Report wird Nachhaltigkeit unter drei Teilaspekten untersucht: dem ökologischen, dem sozialen und dem ökonomischen Aspekt. Der Bericht 34Eist im Internet verfügbar: https://beta.eurac.edu/de/reports/landwirtschaftsreport-nachhaltigkeit-suedtirol-2020. Die gedruckte Papierversion kann am Sitz der Eurac in Bozen, Drususallee 1 unentgeltlich bezogen werden. Auf 141 Seiten wird Südtirols Landwirtschaft von der Wissenschaft unter die Lupe genommen. Dies ist meines Erachtens aus mehreren Gründen gut und wichtig:
• Landwirtschaft und Gesellschaft tun sich zunehmend schwerer, miteinander zu reden. Das hat bei uns im Vinschgau nicht zuletzt die Pestiziddiskussion in Mals aufgezeigt, die bis zu Gerichtsstreiten eskaliert ist.
• Die Zahl der Vollerwerbsbauern sinkt, die Zahl der Menschen in den urbanen Räumen mit wenig oder keinem Bezug zur Landwirtschaft steigt. Damit vergrößert sich die Kluft zwischen dem Wissen um die Landwirtschaft, das auf Fakten beruht und nicht aus Bauchgefühlen argumentiert, und den realen Gegebenheiten und Bedürfnissen am Bauernhof. Schnell und leicht erwachsen daraus fundamentalistische und unversöhnliche Positionen. Dann wird vieles zu emotional diskutiert. Ein Beispiel, wie kontrovers und uneinsichtig diskutiert wird zwischen ortsfremden Städtern und bodenbewirtschaftenden Bauern ist der nunmehr seit Jahren schwelende und auf der Stelle tretende Konflikt nach der spontanen Rückkehr des großen Beutegreifers Wolf und der gestützten Wiederansiedlung des Braunbären im Trentino.
• Die Ansprüche an die Landwirtschaft von außen werden immer größer: Sie soll uns Konsumenten mit gesunden Nahrungsmitteln versorgen, sie soll nachhaltig sein und schonend mit den Ressourcen Boden, Luft und Wasser umgehen, sie soll die Landschaft und die Biodiversität erhalten, sie soll Emissionen reduzieren, um den Treibhauseffekt zu senken und zum Klimaschutz beizutragen.
Wer sich ernsthaft um die nachhaltige Ausrichtung der Südtiroler Landwirtschaft interessiert und an der Diskussion über sie qualifiziert beteiligen will, dem sei die Konsultation und das Studium des Landwirtschaftsreports 2020 von eurac research empfohlen.

Die zwei großen Krisen
Die zwei großen Krisen der Jetztzeit, der Klimawandel und das Artensterben zwingen zu entschiedenem Handeln in allen Bereichen unseres Lebens. Die letzten Vereinbarungen der Staatenlenker dürfen nicht totes Papier bleiben: Die Regierungschefs DSC 8521der wirtschaftlich stärksten Länder unserer Erde haben vor wenigen Wochen vereinbart, dass wir bis 2030 (in 9 Jahren!) die Emissionen der Treibhausgase um 55 % gegenüber 1990 senken und bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden wollen und müssen. Damit haben die Staatschefs die Ziele der Weltklimakonferenz von Paris 2015 verschärft. In Paris war eine Reduktion von 40 % bis 2030 im Vergleich zu 1990 festgeschrieben worden.

Datengrundlagen verbesserungsbedürftig
Der Landwirtschaftsreport 2020 räumt ein, dass in einigen Bereichen die greifbaren und öffentlich zugänglichen Daten noch dünn und unvollständig sind. So z. B. zum Wasserverbrauch in der Landwirtschaft oder zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
Wegen der Erderwärmung wird weniger Wasser im festen Aggregatzustand als Eis und Schnee gespeichert. Und die Forscher schätzen, dass sich die Verdunstung auf Landwirtschaftsflächen in den nächsten 70 Jahren um bis zu 15 % erhöhen kann. Deswegen führt kein Weg daran vorbei, Wasser in Zukunft noch effizienter als bisher einzusetzen, etwa im Bereich Obstbau durch Umstellung auf Tropfberegnung. Bewässerung wird nach Bedarf und nicht nach festen Turnussen erfolgen müssen.
Zum viel diskutierten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln fehlen ebenfalls belastbare Zahlen. Obwohl die Landwirte über deren Einsatz zur Buchführung in den Spritzheften verpflichtet sind, unterliegen diese Angaben dem Datenschutz und sind somit nicht öffentlich zugänglich. Unter anderem auch diese fehlende Information befeuert die stark emotional geführte Diskussion über Pestizide. Im Landwirtschaftsreport wird anhand der Importdaten über Pflanzenschutzmittel geschätzt, dass die Südtiroler Situation ähnlich jener in Österreich ist. Laut Studien werden in Österreich im Obstbau 40 kg Wirkstoffe je Hektar und Vegetationsperiode und im Weinbau 16 kg ausgebracht.

20181016 103639Subventionen in der Landwirtschaft
Die Diskussion um die öffentlichen Förderungen in der Landwirtschaft wird ebenfalls lauter und heftiger geführt. Sie ist oft aber wenig artikuliert und kaum differenzierend. Die Monokulturen im Obstbau sind eine andere Landwirtschaft als die Milchviehbauern in den Kleinbetreiben mit Grünlandbewirtschaftung. Letztere erbringen, wenn die Flächen extensiv bewirtschaftet werden, landeskulturelle Leistungen wie etwa die Almpflege und tragen damit zur Biodiversität bei. Andere Leistungen sind der Bodenschutz vor Erosion und die Landschaftsästhetik. In der Milchwirtschaft und in den Kleinbetrieben beruhen laut Report etwa 40 % der Nettostundenlöhne auf Subventionen.
Was den ökonomischen Aspekt von Nachhaltigkeit betrifft, artikuliert der Landwirtschaftsreport 2020, dass der Nettobetrag pro geleistete Arbeitsstunde ohne Fremdarbeit im Obst- und Weinbau mit etwa 17 Euro am höchsten ist. Im Vergleich dazu kommt die Milchwirtschaft auf einen Ertrag von 9 €/Stunde und die Kleinbetreibe von 8 €/St. Die EU-Agrarsubventionen und der Green Deal der EU werden bei der Ausschüttung von Fördermitteln zwischen industrieller Landwirtschaft und kleinstrukturierter Berglandwirtschaft stark nachjustieren und kontrollieren müssen.

Methan und Turbokühe
Noch eine kritische Bemerkung zum Futtermittelzukauf. Ein großer Teil des Kraftfutters wird auch für die Südtiroler Hochleistungskühe von außen zugekauft. Mit mehreren negativen ökologischen Folgen. In den Ländern, wo diese Futtermittel angebaut werden, ist die Südtiroler Milchwirtschaft mitverantwortlich für die Produktion von Treibhausgasen, weil die Futtermittel weite Transportwege bis zu uns haben. In Zukunft wird auch die Mobilität von Waren neu definiert und justiert werden müssen. park tiereDer Stellenwert der Nahversorgung und der regionalen Prodúkte muss und wird steigen. Und eine zweite Folge: Rinder sind Wiederkäuer. Und Wiederkäuer setzen bei ihrer Verdauung Methangas frei. Methan ist ein 28 Mal stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid. Und schlussendlich: Der zu hohe Viehbesatz im Verhältnis zur Hoffläche erbringt zu große Güllemengen, die in ihrer Ausbringung Böden und Gewässer mit Nitrat überlasten.

Unser ökologischer Fußabdruck
Wir Europäer leben heute auf einem Lebensstandard, der jährlich die nachwachsenden Ressourcen von 2,5 Erden verbrauchen würde, wenn alle Erdenbürger so lebten wie wir. Der sogenannte Erdüberlastungstag ist vom 30. Dezember im Jahr 1970 im Jahr 2020 auf den 22. August vorgerückt. 2019, vor Corona, lag er gar schon beim
29. Juli. Und wir haben nur diese eine Erde! Nachhaltiges Wirtschaften ist das Gebot unserer Zeit. Und die Nachhaltigkeit schließt nicht nur die Bauern als Produzenten, sondern uns alle als Konsumenten ein!

 

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