Schlanders erzählt... Märchenherbst

Maerchenherbst24

 
 

„Di Leit sein aus alle Herren Länder kemmen…“

geschrieben von
Rosl Thuille Pinzger, geb. 1938, Vetzan. Sie war jahrelang herzliche Gastgeberin für Feriengäste. Heute ist sie nur noch für ihre Kinder, Schwiegerkinder, für die sieben Enkelkinder und den Urenkel da, die sich  alle regelmäßig über neue Socken freuen können. Rosl Thuille Pinzger, geb. 1938, Vetzan. Sie war jahrelang herzliche Gastgeberin für Feriengäste. Heute ist sie nur noch für ihre Kinder, Schwiegerkinder, für die sieben Enkelkinder und den Urenkel da, die sich alle regelmäßig über neue Socken freuen können.

Rosl war elf Jahre alt als ihre schwangere Mutter 1949 an Tuberkulose erkrankte und zur längeren Kur ins Sanatorium nach Brixen kam, wo sie ihr achtes Kind zur Welt brachte.
Es durfte nicht bei der Mutter bleiben.

von Magdalena Dietl Sapelza

Noch heute hat Rosl das Bild vor Augen, wie ihr Vater mit dem drei Tage alten Baby im Arm heimkam. Er hatte es in Brixen abgeholt und mit dem Zug nach Laas gebracht. Der Vater unterrichtete als Lehrer und musste nun auch den Haushalt bewältigen und das Neugeborene versorgen. Die elfjährige Rosl war die älteste der Kinder und half nach Kräften mit. „Miar hobm aa guate Frauen kopp, dia inz beigstondn sein“, erinnert sich Rosl. Eine davon war eine junge Frau aus Tanas, die wegen Heimweh das Kloster in Algund verlassen und in der Lehrerfamilie Unterschlupf gefunden hatte. „Di Tresl isch pa inz bliebn, bis di Mama kemman isch,“, erzählt sie. Rosl wäre gerne Krankenschwester geworden, doch an eine Ausbildung war nicht zu denken. Sie musste ihrer Mutter beistehen. Hie und da verdiente sie sich in den Gasthäusern des Ortes ein Taschengeld. Sie war geschickt und immer herzlich willkommen. Da der Lehrergehalt sehr dürftig war, hielt die Familie ein Schwein und mehrere Ziegen. Jeden Sommer half der Vater beim Kornschneiden in Tanas und Allitz, wo er dafür Lebensmittel erhielt. Rosl begleitete ihn. In aller Herrgottsfrüh hob sie Korn auf, band Garben. Später stapelte sie diese auf den Leiterwagen. „Iatz konnsch heiratn, weila guat Fuader lodn konnsch“, das habe ihr ein Bauer einmal zugerufen. Rosl verdiente sich etwas Geld beim Obsthändler Telser in Laas, beim Krautstechen in den Eyrser Mösern, in der Tankstelle Kuntner in Schluderns. Im „Gasthof Reschenscheidegg“ trat sie ihre erste Saisonstelle als Kellnerin an und wechselte dann zum „Hasenwirt“ nach Schlanders. Dort lernte sie Konrad Pinzger (Jg. 1937) aus Vetzan kennen, der sie 1962 in der Laaser Lourdeskirche zum Altar führte. Das Paar zog in sein Elternhaus. Kurz darauf bauten sich Rosl und Konrad in der Nähe ein eigenes Haus mit Gästezimmern, finanziert mit einem Kredit. Ihre drei Kinder füllten das Haus schon bald mit Leben, genauso wie die Gäste, denen Rosl „Zimmer mit Frühstück“ anbot. „Di Leit sein aus alle Herren Länder kemmen, aus Deutschland, Holland, der Schweiz, aus Italien. Sorgfältig und in beeindruckender Schönschrift führte sie die Gästebücher. „I konn heint nou nochlesn, wer olz Urlaub gmocht hot“, betont sie. Denn sie hat die Bücher aufbewahrt. Diese sind Zeugen einer Epoche, in der sich der Tourismus im Tal langsam entwickelt hat. Die Gäste genossen Rosls Herzlichkeit und den Familienanschluss. Sie durften sich wie zu Hause fühlen und kamen Jahr für Jahr wieder. Es gab Wochen, in denen so viele Gäste anklopften, dass die Kinder sogar ihre Zimmer räumen mussten. Sie schliefen auf Matten im Elternzimmer. „Gfolln hotts ihna nit, obr miar hobm olz gnutzt, um die Schuldn oo zu zohln“, erklärt sie. Auch Konrad half tatkräftig mit, den Kredit zu tilgen, zuerst als selbständiger Bodenleger, dann als Arbeiter in den Firmen Polyfaser und Esterglas. In den 1970er Jahren erkrankte er schwer. Es folgte eine belastende Zeit für die Familie. Konrad starb 1981.
In der 1990er Jahren gab Rosl die Frühstückspension auf. Eine neue Aufgabe fand sie im „Vinschgerhof“, wo sie als „Tant Rosl“ von den Gästen aus nah und fern geschätzt wurde.
Auch sie blieb nicht von einer schweren Krankheit verschont. Doch sie kämpfte sich gesund. Kraft schöpfte sie aus ihrem Glauben und aus ihrer harmonischen Familiengemeinschaft. Kraft geben ihr seit Jahren auch die jährlichen Wallfahrten mit Kindern, Schwieger- und Enkelkindern. Weißenstein war oft das Ziel. „Pa inz isches Traditon, dass miar selm mitnond picknickn“, erklärt sie. Gerne zeigt Rosl die Fotobücher, in denen die Wallfahrten festgehalten sind. Besonders stolz ist sie auf die Geburtstagsüberraschung ihrer Kinder zum 80. Geburtstag, und zwar auf die große - der Zahl 80 nachempfundenen - Collage mit Fotos aus ihrem Leben. Für die Zuneigungen dankt sie ihren Lieben oft mit bunten Wollsocken. Denn das Stricken ist ihre große Leidenschaft. „Iatz isch dr kloane Franzl droun“, verrät sie. „Denn im Februar bin i Guggnandl gwortn“.
Dankbar ist sie, dass es ihren Familienmitgliedern gut geht, und dass sie alle gesund und munter um sich hat, anders als einst ihre Mutter.

Gelesen 1955 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.