Brachliegen musste unsere deutschsprachige Kultur lange als Folge faschistischer Unterdrückung; Mussolini wollte uns die deutsche Sprache verbieten. Deshalb hat der freiheitsliebende Künstler Christian Stecher die „Faschobeile“ am Siegesdenkmal von Bozen mit einem rote Stift durchgestrichen. Die Adlerköpfe mit den Hakenschnäbeln und die zähnefletschenden Wolfsköpfe bedrohen weiterhin unser Land.
Wien, Schönbrunn, zu den Machtsymbolen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gehörte die Darstellung des römischen Rutenbündels mit dem Richtbeil; daran hielten sich auch die Habsburger. Und deshalb begegnen wir im Schönbrunner Schlossgarten auch diesem Hoheitszeichen aus Maria Theresianischer Zeit.
Ganz so wie am Bozner Siegesdenkmal, wo 16 Beile den Besiegten zeigen sollten, wo nun die Macht liegt. Nach der Bedeutung gefragt, gab ein Witzbold folgende Erklärung: Die Marmorsäulen mit den Rutenbündeln erinnern an Spaghettipackungen; die leeren Mauernischen aber warten auf Berühmtheiten aus der Welt des Sportes oder der Politik. Also Nischen für berühmte Haubenköche; die Südtiroler haben die hohe Küche entdeckt und bekommen immer wieder Michelinsterne. Die 16 Beile aber warten auf Südtiroler Rebellen aus den Haupt-und Nebentälern ... die Zahl 16 ist eine ungefähre Schätzung.
Das uralte Wort „Brache“ meint den unbestellten Teil der Flur im Sinne von „nicht angebaut“. Alternativen zum Siegesdenkmal zeigen in der „Brache“ verschiedene Künstler, Martin Geier, Hans Wielander u.a. - die flämische Belgierin Kristin Duthoit schätzt ganz besonders den Schnalser Künstler Friedrich Gurschler: Schnals und Bozen, zwei Marmorkunstdenkmäler als Zugänge zu unserer Geschichte.
An neuen Zugängen zu unserer Südtiroler Geschichte arbeitet Siegfried de Rachewiltz in seinem volkskundlichem Bericht „Mist versus Brache“, eine ausführliche Dokumentation alter Techniken für den Transport von Dünger am Steilhang.
Karin dalla Torre schreibt, wenn es darum ginge, den Begriff Brache zu visualisieren, wäre das Bergdorf Stilfs im Ortlergebiet eine stimmige Metapher: „Auf 1300 Meter, wie ein Schwalbennest an den Hang geklebt, scheint es aus der Zeit gefallen“.
In diesem Beitrag spricht sie auch vom „Abrasch“, einem Begriff aus der Teppichweberei; gemeint ist damit das leichte Abweichen vom Muster, wodurch das Werkstück einzigartig und wertvoll wird.
Dieses Abweichen vom üblichen Denken wird in dieser ARUNDA ideenreich zelebriert, angefangen vom Beitrag zur Philosophie der Badewanne des Pustertalers Anton Holzer bis zu der Fotoserie „radikales bauen im zwischenraum“ von Erich Kofler Fuchsberg.
Ein Ultner Bauernsohn zeigt auf eine mit Brettern vernagelte Hütte und erinnert sich: „Hier hat die Verkündigung stattgefunden“ und auf ein mit Farnblättern abgedeckte Konstrukt: „Und hier haben wir Doktorlus gespielt.“
Im Vorwort zu dieser 100sten ARUNDA schreibt Mitherausgeber Ulrich Wielander: „das UND hat nichts gegen das ENTWEDER ODER“.
Der Erich Kofler Fuchsberg bringt seine Erfahrungen auf die Kurzformel: „Frau = Hauswirtin, Mann = Hüttenwirt“. Und dann zeigt er auf „Schupfn und Schlagln“ zwischen Berlin und Vinschgau: „Die Seele braucht ... eigentlich kein Haus, sie braucht nur einen Ort, einen vorläufigen Unterschlupf“.
Der Mitherausgeber Christian Stecher ist verantwortlich für den erdfarbig geprägten Leineneinband. Er führt uns durch das wilde Mexiko, zu in Plastik verpackten Heuballen, die monatelang in der Landschaft herumliegen, zu visuellen Verschmutzungen und zu neuen Denkmustern. Die Themen des Malers: Farbe: Zufall, urbane Ästhetik in Mexiko Stadt und in Mérida.
Verde Cancún, ein Türkisfarbton, den es auf der Halbinsel Yucatán in vielen Schattierungen gibt.
ARUNDA 100/Brache - 184 Seiten, Leineneinband mit Prägung, Hardcover, reich bebildert. Herausgeber: Christian Stecher und Ulrich Wielander, erschienen in der ARUNDA Reihe. ISBN: 978-88-945648-0-8, bestellbar in ausgewählten Buchhandlungen und bei der ARUNDA Redaktion: info@arunda.it