Eurac Research - Vinschgau - Vogelarten, die an extensive Wiesen und Weiden gebunden sind, sind im Rückgang begriffen. Wo und welche in Südtirol noch vorkommen, hat Eurac Research 2020 zusammen mit dem Amt für Natur erforscht. Die Ergebnisse des Spezialprojekts liegen nun vor.
Denken wir an ein Vogelnest, denken die allermeisten wahrscheinlich an ein Nest in Bäumen. Doch nicht alle Vögel richten sich ihre Nistplätze in Baumkronen ein: In Hecken oder Sträuchern, oder gar direkt am Boden legen Graslandvögel ihre Eier ab. Diese spezialisierten Vogelarten haben sich die einst in Südtirol häufigen extensiven Wiesen und Weiden oder blütenreiche Ackerreine zum Lebensraum gemacht. Doch wie ihre Lebensräume, ist auch das Vorkommen der Wiesenbrüter stark rückläufig, und einige sind in Südtirol sogar ganz verschwunden.
Spezialprojekt liefert Daten
Aufgrund des drastischen Rückgangs von Grünlandarten hat sich Eurac Research in Zusammenarbeit mit dem Amt für Natur (Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung) 2020 mit den Wiesenbrütern auseinandergesetzt. In einem Spezialprojekt im Rahmen des Biodiversitätsmonitorings Südtirol haben Fachleute das Vorkommen von Graslandvogelarten im ganzen Land erforscht.
Während der Nistzeit der Grünlandvögel besuchten die Fachleute die untersuchten Gebiete zweimal in den frühen Morgenstunden. Am Standort angekommen, notierten die Experten alle Vogelindividuen, die sie sahen oder singen hörten. Aufgenommene Gesänge wurden abgespielt, um einige seltene Vogelarten zum Singen zu animieren. Andere Arten mit hauptsächlich nächtlicher oder dämmerungsabhängiger Aktivität, wie z.B. Ziegenmelker oder Wachtelkönig, wurden in den Abendstunden erhoben. Nun liegen die Ergebnisse der Untersuchungen vor.
Trend bestätigt
Die Erhebungen bestätigten: die Verbreitung von Vogelarten, die an extensive Wiesen und Weiden gebunden sind, ist stark rückläufig. Besonders betroffen ist die Gruppe der Bodenbrüter, die ihre Gelege direkt am Boden einrichten, meist in Wiesen, Weiden oder Böschungen. Werden die Wiesen zu früh im Jahr gemäht oder die Weiden zu stark beweidet, werden die Gelege zerstört und die Brut fällt komplett aus. Arten wie Wachtelkönig und Feldlerche sind aus diesem Grund selten geworden.
Andere Arten, wie etwa der Neuntöter, nisten nicht am Boden, jedoch in Bodennähe. Dementsprechend sind sie auf ein Mosaik zwischen offenen Wiesen- bzw. Ackerflächen mit Heckenstrukturen angewiesen. Diese Arten sind zwar noch vorhanden, aber in vielen Fällen nur noch mit lokal begrenzten Populationen, und nur dort, wo noch Hecken- und Feldgehölzstrukturen vorhanden sind.
Arten wie Sperbergrasmücke oder Ortolan, sind fast vollständig verschwunden. Die Sperbergrasmücke konnte im Zuge dieser Erhebungen nur noch an einem einzigen Punkt am Vinschger Sonnenberg gefunden werden.
„Im Vinschgau kommen der Malser Haide und den Trockenweiden des Sonnenbergs besonders große Bedeutung für den Erhalt unserer Vogelwelt zu,“ erklärt Matteo Anderle, Ornithologe des Biodiversitätsmonitorings. Insgesamt haben die Erkenntnisse die Bedeutung der von der Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung geförderten Landschaftspflegeprämien untermauert, um die in den Wiesen lebende Flora und Fauna zu schützen und so den Erhalt dieser wertvollen Landschaften zu ermöglichen.
Zusammenarbeit nötig
Der Schutz von Grünlandarten kann nur in Zusammenarbeit zwischen Naturschutz, Forschung, einzelnen Landwirten und bäuerlichen Verbänden geschehen, damit nicht nur eine ökologisch, sondern auch eine ökonomisch nachhaltige Landwirtschaft möglich ist. Diesen Ansatz wählte z.B. das Interreg-Projekt „Wiesenbrüter in der Terra Raetica.“
Julia Strobl & Andreas
Hilpold, Eurac Research