Kultur: Glaser und Spengler

geschrieben von
Langgediente Butzenscheiben. Erfahrung und Weiterbildung sind ein gutes Rezept für altes Handwerk. Langgediente Butzenscheiben. Erfahrung und Weiterbildung sind ein gutes Rezept für altes Handwerk.

Seit Generationen übt die Familie Spechtenhauser die uralten Berufe des Spenglers und Glasers aus; einst gehörten diese jetzt getrennten Handwerkszweige zusammen. Der Hauptsitz der Werkstatt befand sich im Zentrum von Schlanders, in der Nähe vom Gasthaus Rosenwirt. Die Familie Spechtenhauser hat den Betrieb modernisiert und an die Südostausfahrt des Ortes verlegt.
Der Peppi Spechtenhauser hat nicht nur die Glasfenster der Hügelkirche von St. Jakob bei Prissian restauriert (dort befinden sich auch gotische Fresken mit der frühesten Darstellung einer südtiroler Berglandschaft), er zählte auf unserer Fahrt durchs ganze Land eine ganze Reihe von Burgen auf, in denen er Arbeiten gemacht hat.
P1030238Immer wieder alte Fenster mit Butzenscheiben, die ersetzt oder neu verbleit werden müssen. Beiläufig erwähnt er auch die frühesten Vorkommen von verglasten Fenstern aus dem spätantiken Persien. Dorthin, und in viele andere Zentren des Handwerks führte den interessierten Glasermeister die Wanderlust; er versteht es, im Handwerk Kultur und Geschichte zu vereinen.
Und schon bald drehte sich unser Gespräch um farbige Glasfenster, die immer wieder achtlos beseitigt und zerstört werden. Farben öffnen den Blick ins Jenseits ... so ungefähr klingt das begeisterte Lob der Besucher der französische Kathedrale von Chartres. Der mystische Raum war nicht nur Vorbild für die spätgotische Architektur, in ihr erreichte auch die Technik der Glasfenster ihren Höhepunkt. Die Symbolik rankt sich erzählerisch um die Heilsgeschichte: Die Gottesmutter steht mit dem Jesuskind im Zentrum der Nordrose. Umgeben wird die Himmelskönigin von Engeln und Erzengeln.
Bei uns wird die Gottesmutter von den Heiligen des Ortes begleitet. Für die Kirche von Schluderns stiftete Johannes Graf Trapp ein Glasfenster mit dem Wunder der heiligen Walpurga; ebenfalls von Robert Scherer stammt die große Glaswand im Zubau der Pfarrkirche von Kortsch mit Motiven aus der Vinschgauer Heiligen- und Kirchenlandschaft: Das Ostlicht wirft Farbschatten auf eine in Holz gearbeitete Pietà.
Die Familie Fuchs aus Latsch verewigte sich mit einem Glasfenster von Robert Scherer in der Latscher Nikolauskirche, ähnlich darin dem Votivbild des Unternehmers Martin Trojer in der Kapelle des Bürgerheimes von Schlanders.
Wichtige Ereignisse werden immer wieder in Bildern festgehalten. Das Glasfenster aus dem Jahr 1949 wurde von „Frauen“ gestiftet: Der Krieg ist aus, die Toten sind bestattet, die gefangenen Soldaten sind zurückgekehrt. Dieses Gedächtnisglas wurde allerdings der bald darauf folgenden Erneuerung des Kircheninneren geopfert, ebenso wie die vier Evangelisten über den großen Fenstern aus Farbglas.
P1030235Das Innere der barocken Kirche braucht viel Licht und verträgt sich schlecht mit den Farbgläsern aus dem Innsbrucker Glasatelier. Um 1880, also zur Zeit der Bildherstellung, gab es sie noch, die habsburgische, die kaiserliche Ordnung, die hier aufleuchtet. Als man im Kölner Dom nach dem zweiten Weltkrieg die zerbrochenen Glasfenster rekonstruieren wollte, musste man dafür aus Belgien flämische Handwerker beauftragen, weil es in Deutschland zu wenige sachkundige Glaser und Spengler gab. Die erhaltenen und (vom Pepi Spechtenhauser) geretteten Farbgläser sind ein Denkmal sozialer Harmonie. Der hiearchische Bildaufbau verspricht mathematische Ordnung.
Die Welt betrachtet durch Butzenscheiben ergibt wiederum ein anderes Bild. Die kreisrund geblasenen Gläser wirken manchmal vergrößernd, verwischen die Umrisse und zerteilen das Geschehen in kleine Ausschnitte. Verbunden wird alles mit dem teuren Bleiband, das die Gläser auch bei Sturm zusammenhält.
Das konnten sich nur reiche Adelige oder Bürger leisten, die sich dann oft auch mit einem Wappen verewigten. Der Peppi muss manchmal auch die Heraldik befragen.
Hans Wielander

Gelesen 3337 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.