„Wir haben’s im Griff“

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Robert Rainer, 59, ist Primar der Abteilung  Gynäkologie am Krankenhaus Schlanders und  koordiniert als ärztlicher Leiter die internen Abläufe und vertritt das Krankenhaus Schlanders nach außen. Robert Rainer, 59, ist Primar der Abteilung Gynäkologie am Krankenhaus Schlanders und koordiniert als ärztlicher Leiter die internen Abläufe und vertritt das Krankenhaus Schlanders nach außen.

Der ärztliche Leiter des Krankenhaus Schlanders und Primar der Abteilung Gynäkologie Robert Rainer führt uns im Interview auf die Covid-Station, in die Intensivstation, Rainer spricht über die Belastungen des Krankenhauspersonals, aber auch über die fantastische Arbeitsmoral und über den Zusammenhalt im Krankenhaus.

Vinschgerwind: Herr Primar Rainer, begleiten Sie uns gedanklich auf die Covidstation im Krankenhaus Schlanders. Wo befinden wir uns und was sehen wir dort?
Robert Rainer: Ins Spital kommt man über eine Prätriage. Dort, am Eingang, wird Fieber gemessen und Händedesinfektion verabreicht. Die weiteren Wege sind farblich gekennzeichnet. Die Covid-Station ist mit roter Farbe beschildert. Wir haben zwei Abteilungen mit Covid-Patienten, das ist einmal die Medizin 1 und im zweiten Stock die Abteilung, in der sich normalerweise die chirurgische Abteilung befindet. Der Covid-Bereich ist nur über eine Schleuse zugänglich. In der Schleuse wird die Bereichskleidung angezogen, vor Betreten der Krankenzimmer wird die komplette Schutzausrüstung über die Bereichskleidung angezogen: Überzugschuhe, doppelte Handschuhe, Mantel, Mundschutz, Schutzbrille, Haube. Ich kann ganz beruhigt sagen, dass wir momentan die Versorgung im Griff haben.

Vinschgerwind: Wie viele Betten stehen für die Covid-Normalstation zur Verfügung?
Robert Rainer: in der Abteilung 1 und der Abteilung 2 stehen uns jeweils 23 Betten zur Verfügung. Von diesen insgesamt 46 Betten benötigen wir aber auch Isolationszimmer für Patienten in Abklärung die nur einzeln belegt werden können. Voll ist die „grüne Station“, das sind die „Normalpatienten“ ohne Covid. Allerdings besuchen uns derzeit, wie auch bei der ersten Welle weniger „Normalpatienten“. Üblicherweise haben wir im Spätherbst und im Winter das Krankenhaus immer voll belegt und noch um einiges an Gangbetten mehr.

Vinschgerwind: Haben die Normal-Patienten Angst ins Krankenhaus zu kommen?
Robert Rainer: Auch das mag eine Rolle spielen. Auf der anderen Seite sind die Haus-ärzte und die pflegerische Hausbetreuung als Filter sehr aktiv.
Vinschgerwind: Ins Krankenhaus kommen Covid-Patienten, die mit dem Verlauf der Infektion zu Hause nicht mehr klarkommen. Atemnot? Fieber?
Robert Rainer: Patienten mit wenig Fieber und geringeren Symptomen bleiben normalerweise zu Hause. Ins Krankenhaus kommen Patienten mit zunehmenden Atembeschwerden oft dann auch schon mit dem Weißen Kreuz. Ein zu langes Zuwarten ist nicht angeraten, weil der Verlauf bei auftretender Atemnot manchmal sehr rasch voranschreiten kann und eine Beatmung notwendig wird.

Vinschgerwind: Begleiten Sie uns in die Intensivstation. Was finden wir da vor?
Robert Rainer: Wir haben 4 Intensivbetten. Die Patienten auf der Intensivstation sind schwer krank, sie sind intubiert, müssen also beatmet werden. Die Pflege ist sehr aufwändig. Eine hochgefährliche Situation für die Patienten und viele, vor allem ältere Menschen, versterben. Jüngere Patienten schaffen es im Normalfall. Das Personal der Intensivstation ist sehr exponiert. Es wird in einem 12 Stunden Turnus gearbeitet, damit kann Schutzmaterial eingespart werden. Für das Personal ist diese Situation aber sehr anstrengend und belastend auch aus psychologischer Sicht. 12 Stunden in voller Schutzausrüstung führt zu einem massiven Flüssigkeitsverlust, ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist kaum möglich.

Vinschgerwind: Kehren wir in die Covid-Normalstation zurück. Wie sind die Altersklassen dort verteilt?
Robert Rainer: Bei der ersten Welle waren es überwiegend ältere Menschen. Bei der zweiten Welle brauchen jetzt auch vermehrt jüngere Patienten stationäre Hilfe.

Vinschgerwind: Es heißt, dass einige Visiten, einige Maßnahmen auf anderen Stationen nicht mehr oder nur mehr eingeschränkt wahrgenommen werden können. Ist das so?
Robert Rainer: Auf alle Fälle. Wir mussten Ressourcen umverteilen. Pfleger und Ärzte braucht es jetzt mehr im medizinischen und intensivmedizinischen Bereich. Wir führen weiterhin dringende Visiten, Kontrollvisiten und onkologische Visiten durch. Nicht dringende Visite mussten verschoben werden. Ab Dezember ist das Ambulatorium in Mals und in Naturns wieder in Betrieb, wo PAP-Abstriche, gynäkologische und senologische Vorsorgeuntersuchungen gemacht werden können. Dringende Visiten werden auch im Krankenhaus gemacht. Geburtshilfe und geburtshilfliche Visiten laufen mit entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen ganz normal weiter.

Vinschgerwind: Die gute Nachricht ist, dass die Chirurgie einen neuen Primar hat. Kann der neue Primar der Chirurgie Schlanders Daniele Misuri operieren?
Robert Rainer: Notfälle werden immer operiert. Jede Disziplin hat jeweils einen Tag in der Woche zum Operieren zugewiesen bekommen. Ein weiterer Notfall-OP steht immer zur Verfügung.

Vinschgerwind: Hat sich die Medikation und die Behandlung für Covid-Patienten seit der ersten Welle verändert?
Robert Rainer: Behandelt wird nun hauptsächlich mit Cortison und Blutverdünnern (niedermolekulare Heparine). Die Behandlung mit Blutplasma (Antikörper) scheint gute Erfolge zu zeigen. Die Beatmung der Patienten wurde optimiert.

Vinschgerwind: War das ein Lernprozess?
Robert Rainer: Das war ein Lernprozess.

Vinschgerwind: Geändert hat sich auch einiges in der öffentlichen Wahrnehmung. Ärzte und Krankenschwestern bzw. Krankenpfleger haben im Frühjahr noch Applaus bekommen. Wie erklären Sie sich, dass sich das geändert hat?
Robert Rainer: Das ist interessant. Ich kann mich erinnern, als ich im Frühjahr ins Krankenhaus gegangen bin, haben die Leute gewunken und geklatscht. Ich denke, dass wir alle einiges über die Erkrankung dazu gelernt haben und versuchen nun mit dieser Erkrankung auch besser zurecht zu kommen. Wir haben auch gesehen, dass wir den Verlauf der Erkrankung beeinflussen und mildern können. Wir haben uns auch bestimmte Verhaltensmuster angeeignet, um die Ansteckungsgefahr zu vermindern. Die Tragik der ersten Welle, wo wir gar nicht wussten was noch alles auf uns zukommt hat sich deutlich vermindert.

Vinschgerwind: Sind Sie der Meinung, dass die politischen Maßnahmen – also der bisherige Lockdown – übertrieben ist?
Robert Rainer: Mah, wenn man zu Hause bleibt und das weiß man, ist die Ansteckungsgefahr viel niedriger. Die Maßnahmen waren notwendig. Mutig war es, die Massentests zu machen. Mit über 360.000 teilnehmenden Bürgern hat wahrscheinlich niemand gerechnet, ich auch nicht. Durch die Tests konnten Positive isoliert und damit auch das Ansteckungsrisiko vermindert werden.

Vinschgerwind: Was können Sie den Aussagen abgewinnen, dass sich die Infektionswelle über die Erntehelfer ausgebreitet hat?
Robert Rainer: Bei den Erntehelfern hat es schon einige positiv Getestete gegeben. Aber nur sie alleine sind sicher nicht die Ursache für den Verlauf der Erkrankung im Vinschgau.

Vinschgerwind: Was sagen Sie jenen, die Verschwörungserzählungen in die Welt setzen, also das Virus schlichtweg leugnen und damit grundsätzlich alle Maßnahmen für übertrieben und unangemessen halten?
Robert Rainer: Die Krankheit wird von einem Erreger ausgelöst, das kann man nicht leugnen. Kleinste Teile des Erregers können in einem Test nachgewiesen werden, auch wenn man das Virus bislang noch nicht gesehen hat. Tatsache ist, dass viele Menschen an diesem Erreger erkranken. Und viele sterben auch daran. Es ist unfair, wenn bestimmte Gruppierungen dies alles in Frage stellen, in erster Linie den Patienten gegenüber und dann auch gegenüber dem gesamten Sanitätspersonal. Das kann man einfach nicht verneinen. Covid kann eine schwere Erkrankung verursachen, eine ansteckende Erkrankung, die sich ausbreitet und den Sanitätsbetrieb an seine Versorgungsgrenzen bringen könnte. Ich glaube, dass wir in Südtirol derzeit gut aufgestellt sind. Wir haben das Geschehen im Griff. Aber wenn wir den Verlauf in anderen Länder verfolgen, dann ist das schon sehr dramatisch. Besonders ärgert mich die politische Instrumentalisierung dieser Situation.

Vinschgerwind: Wie ist die Stimmung in den Reihen des Krankenhauspersonals in Schlanders?
Robert Rainer: Das Personal ist sehr belastet. Viele sind müde, einige sind erkrankt. Das Personal ist dermaßen motiviert, das ist unglaublich, positiv getestete möchten so rasch wie möglich wieder im Krankenhaus arbeiten. Es ist phantastisch zu sehen, wie sich alle um die schwerkranken Patienten kümmern. Die psychische Belastung ist enorm. Die Sterbebegleitung ist ganz wichtig, kann aber nicht nur durch das Pflegepersonal alleine bewältigt werden. Unsere Seelsorger sind sehr aktiv und zu jeder Zeit in Rufbereitschaft. Der Teamgeist ist enorm.

Vinschgerwind: Passiert diese Sterbebegleitung ohne Angehörige?
Robert Rainer: Wir schauen schon, dass die Angehörigen Abschied nehmen können, dass Angehörige die Sterbenden begleiten können. Wenn man sich nicht von einem Angehörigen verabschieden kann, dann fehlt einem etwas, das ist ganz, ganz traurig. Die Anwesenheit von Angehörigen hilft und entlastet auch unser Personal.

Vinschgerwind: Was ist Ihre Aufgabe als ärztlicher Leiter?
Robert Rainer: Viele Sitzungen, viel Schreibarbeit, Video-konferenzen usw. Wird ja auch ganz wichtig sein. Lieber wäre ich aber öfters bei unseren Patienten.

Vinschgerwind: Ein Blick in die Zukunft: Wird es eine dritte Welle geben?
Robert Rainer: Ich hoffe nicht. Mir hat die erste Welle gereicht und mir reicht nun auch die zweite! Aber es wird möglicherweise doch noch eine Phase geben, in der vermehrt Menschen erkranken werden. Wenn es sein sollte, wir sind da und werden auch die dritte Welle bewältigen.

Vinschgerwind: Und noch ein Blick in die Zukunft: Sie sind Skifahrer. Sollten die Skigebiete vor Weihnachten öffnen, kann der Sanitätsbetrieb bzw. das KH Schlanders die dann kommenden Skihaxn, also die Knochenbrüche oder sonstigen Gebrechen behandeln?
Robert Rainer: Ich denke schon. Wir haben Traumatologen und Orthopäden vor Ort, die das bewältigen können. Sollte es zu viel werden, dann werden wir das gemeinsam mit Meran bewältigen. Da besteht eine gute Zusammenarbeit. Ich glaube, dass heuer nicht so viele Skifahren werden. Was sicher zunehmen wird, wird das Schneewandern und das Skitourengehen sein. Vor langer, langer Zeit, wenn ich noch ein kleiner Bub war, da sind wir erst am Stefanstag Skifahren gegangen, da hat ja noch das Christkind die Skier gebracht. Noch etwas möchte ich hinzufügen: Eine besondere Anerkennung und ein besonderer Dank von meiner Seite aus geht an unser gesamtes Personal!
DANKE.

Interview Erwin Bernhart

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