02. Mai 1945 – das blutige Kriegsende in Laas

geschrieben von

Aus dem Gerichtssaal - An der Ortsausfahrt von Laas, kurz vor der Lourdeskirche, steht am rechten Rand der alten Landstraße eine Marmorstele. Sie trägt die Inschrift:“Qui caddero per la liberazione della patria”, also “hier fielen für die Befreiung des Vaterlandes”. Es folgen 10 Namen. Schaut man genauer hin, sticht das Todesdatum ins Auge: 2. Mai 1945. Man fängt an, in der geschichtlichen Erinnerung zu kramen: 30. April – Hitler begeht Selbstmord; 29. April – in Caserta wird im alliierten Hauptquartier der Vertrag über die bedingungslose Kapitulation der deutschen Truppen in Italien unterzeichnet, der am 02. Mai um 14 Uhr in Kraft tritt. Um welche „vaterlandsbefreienden“ Kampfhandlungen kann es sich dabei wohl gehandelt haben? Mein Wissen darüber war eher lückenhaft. Die Erzählungen aus meinem dörflichen Umfeld in Laas waren immer eher ausweichend gewesen. So fragte ich beim wandernden Lexikon in Bozen, dem über Göflan mit dem Vinschgau verbundenen Marjan Cescutti nach. Der wiederrum verwies mich an Herbert Raffeiner, den Schuldirektor a. D. in Tschengls. Und aus dessen Fundgrube an zusammengetragenen Material, von ihm angereichert mit Erzählungen von Zeitzeugen, schöpfe ich dankend und ungeniert. Also hier die Rekonstruktion der Ereignisse: Am Nachmittag des 2. Mai gegen 15 Uhr überfiel eine Gruppe von ca. 10 bewaffneten Italienern (Zivilisten) das Munitionslager von Tschengls, das seit 1943 vom deutschen Militär besetzt war. Sie entwaffneten das Wachpersonal und besetzten das Depot. Es fiel kein Schuss. Einer der Wachmänner fuhr mit dem Fahrrad nach Laas. Dort traf er auf einen Trupp deutscher Feldgendarmen, denen er von dem Überfall berichtete. Die wiederrum fuhren kurzerhand nach Tschengls, entwaffneten die Freischärler und führten 11 von ihnen auf einem Lkw nach Laas. Gegen deren Erschießung im Dorf wehrten sich die Leute. Also brachten die Gendarmen sie außerhalb des Ortes, erschossen sie am Straßenrand und warfen die Leichen über die Böschung. Einer der Todeskandidaten versetzte einem Soldaten beim Sprung vom Lkw einen Faustschlag und entfloh im anschließenden Durcheinander. Ein zweiter ließ sich fallen und blieb scheintot liegen. Die Feldgendarmen setzten anschließend ihren Rückzug fort. Sie konnten nie identifiziert werden. Dieser Vorfall macht eigentlich nur die Sinnlosigkeit des ganzen Geschehens deutlich. Für die italienischen Freischärler und deren Helfer im Inneren des Lagers hatte die Aktion lediglich den Zweck, noch im allerletzten Moment „die Kurve zu kratzen“ und sich auf der Siegerseite zu positionieren. Ein Akt großer Tapferkeit war das sicher nicht. Und das deutsche Militär hätte auch ohne diese schauerliche Grausamkeit den Rückzug fortsetzen können. Rein rechtlich waren die Erschießungen durch die Haager Landkriegsordnung aus dem Jahre 1907 gedeckt, welche die standrechtliche Hinrichtung irregulärer Kämpfer gestattet.
Aber auf dem Gedenkstein ist auch als Kämpfer ein Name vermerkt, der dort überhaupt nichts verloren hat, nämlich der des Arztes Dr. Michele Indovina. Doch diese Geschichte erzählen wir ein anderes Mal.
Peter Tappeiner Rechtsanwalt
peter.tappeiner@dnet.it

Gelesen 2971 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.