Kultur: Aufbrechen & sichtbar machen

geschrieben von
Die Werkstätte für Menschen mit Behinderung in Prad bietet den Menschen Sicherheit und Schutz. Es ist aber auch ein besonderer Ort mit vielen kreativen Talenten, die es aufzuspüren und zu fördern gilt. Die vielen Arbeiten würden es verdienen, öfters sichtbar gemacht zu werden.  Die Werkstätte für Menschen mit Behinderung in Prad bietet den Menschen Sicherheit und Schutz. Es ist aber auch ein besonderer Ort mit vielen kreativen Talenten, die es aufzuspüren und zu fördern gilt. Die vielen Arbeiten würden es verdienen, öfters sichtbar gemacht zu werden.

Die Werkstätte für Menschen mit Behinderung bzw. Beeinträchtigung in Prad ist ein großzügiger Bau mit hellen Räumen auf drei Stockwerken. Für die 13 BetreuerInnen und 35 Klienten ist genügend Platz im Innern des Hauses und im Außenbereich. Im Untergeschoss ist eine große Tischlerei, im Erdgeschoss werden Dekorationsgegenstände, Teppiche und Textilwaren hergestellt, im oberen Stock ist die Malwerkstätte. Es werden Beschäftigungen ausgeführt, um die handwerklichen, kreativen, die kognitiven, sozialen und motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erhalten und zu fördern. Die Werkstätte ist eine Tageseinrichtung für Menschen mit geistiger und/ oder körperlicher Behinderung. Die Klienten leben in einem geschützten Raum, werden betreut und sind gut versorgt. Um der Routine des Alltags zu entfliehen, werden auch Aktionswochen wie die „kunterbunten Begegnungen“ durchgeführt, es gibt Theater, Musik und Tanz. Es gibt sogar eine eigene Werkstattband, die „Kraut und Ruabm Band“, welche zu besonderen Anlässen und auf den Märkten aufspielt. Die Behindertenwerkstätte in Prad war immer schon eine besondere Werkstätte, die neben der Alltagsroutine eigene Akzente gesetzt und außerordentliche Talente aufgespürt und gefördert hat. Georg Paulmichl, der kürzlich verstorbene Dichter und Maler der Prader Werkstätte, hat viele Bewunderer weit über die Landesgrenzen hinaus. Man hat nicht nur in den Räumen der Werkstätte die verschiedenen Tätigkeiten ausgeführt, sondern man ist ganz bewusst und gezielt aufgebrochen, um sich sichtbar zu machen und die eigenen Kreationen zu zeigen. Wen man nicht sieht, der wird vergessen, meint der langjährige Betreuer Dietmar Raffeiner. Die Gefahr, sich abschieben zu lassen und im geschützten Bereich zu verharren, ist sehr groß. In einem ausführlichen Gespräch mit dem neuen Strukturleiter Philipp Tappeiner und den beiden Betreuern Dietmar Raffeiner und Daniel Zwick wird über die Wichtigkeit der Routine, einem geregelten Tagesablauf gesprochen, die den Klienten Sicherheit geben und in ihr Alltagsleben Ruhe und Strukturierung bringen. Betont wurde aber auch, nicht nur die Defizite zu sehen, sondern auch nach den Potentialen, den Talenten, den besonderen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu suchen und diese zu fördern.

 

Was die Menschen brauchen, um ihre Fähigkeiten zeigen zu können, ist Empathie, Stimulation und Begleitung.

Es geht darum, die Fähigkeiten der Menschen zu erkennen und deren Umsetzung zu fördern. Manchmal bedeutet das, in einem gemeinsamen Prozess Spuren freizulegen, Muster zu durchbrechen, damit Neues entstehen kann. Der Tischler und Betreuer Daniel Zwick erzählt von Franz, der lange Zeit immer dasselbe gemacht hat: Ecken in ein Holz schnitzen. Daniel Zwick hat angeregt, dass Franz plastische Arbeiten macht und Gesichter schnitzt. Erst bei diesen Arbeiten wurden die Phantasie und das Talent von Franz sichtbar. Die Christusfigur mit den markanten Händen ist eine seiner Arbeiten. Es ist eine originelle Arbeit mit ureigenen Ausdrucksformen, die man in der „Normalität“ nicht findet. Die Menschen in der Behindertenwerkstätte haben meistens keine Angst „Fehler“ zu machen, sie haben andere Herangehens- und Ausdrucksweisen und entwickeln so ganz persönliche und für Außenstehende ganz eigenartige Ideen. Was sie brauchen, um ihre Fähigkeiten zeigen zu können, ist Empathie, Stimulation und Begleitung. Es muss eine Spur gelegt werden, es braucht einen Anstoß, eine Anregung, damit sie selber experimentieren und ihr Potential ausspielen können. In der Ausführung bleiben sie manchmal stecken oder wissen nicht mehr weiter. Da braucht es Hilfestellungen, Ermutigung und Betreuung. Wenn ein neues Werk gelingt, kann das zu einer neuen Beziehung zwischen dem Betreuer und den Betreuten führen, zu einer Beziehung auf partnerschaftlicher Ebene. Nicht mehr die Behinderung und sein Defizit stehen im Mittelpunkt, sondern seine kreative Arbeit, sein freigelegtes Potential, seine Persönlichkeit.
Heinrich Zoderer

Gelesen 2703 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.