Kultur: „Projekt Femizid“

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In der Klasse 3A an der WFO in Schlanders mit den Professoren im Hintergrund Heidi Pohl und Heinrich Zwischenbrugger: Die Schlussfolgerungen der Schüler:innen: Es bräuchte mehr und leichteren Zugang zu Frauenhäusern, eine besserer Ausbildung für die Carabinieri in Sachen Strafanzeige ... In der Klasse 3A an der WFO in Schlanders mit den Professoren im Hintergrund Heidi Pohl und Heinrich Zwischenbrugger: Die Schlussfolgerungen der Schüler:innen: Es bräuchte mehr und leichteren Zugang zu Frauenhäusern, eine besserer Ausbildung für die Carabinieri in Sachen Strafanzeige ...

Von Schulbeginn an bis kurz vor den Weihnachtsfeiertagen haben Schülerinnen und Schüler gemeinsam und initiiert von den Professoren Heinrich Zwischenbrugger und Heidi Pohl an vielen brisanten Fragen gearbeitet. Im „Projekt Femizid“ sind vor allem die Schüler:innen der 3A an der Wirtschaftsfachoberschule Schlanders aus vielen Perspektiven an die Themen Frauenmorde und Gewalt gegen Frauen herangegangen.

 

Was in der WFO in Schlanders als „Projekt Femizid“ bezeichnet und durchgeführt worden ist, war eine gesellschaftliche Herausforderung für die Schüler:innen und für die beteiligten Professoren. Unmittelbarer Anlass für viele Fragestellungen, für das Projektdesign, für die Zielsetzung war der Mord an Celine Frei Matzohl. Der Femizid in Schlanders hat betroffen gemacht, fassungslos, sprachlos. Gerade auch in der Klasse 3A. Denn Celine hat die WFO besucht und ihr Sitzplatz war auch im Klassenraum in der heurigen 3A.
Diese Sprachlosigkeit wollte und konnte Heinrich Zwischenbrugger, der an der WFO Recht und Ökonomie unterrichtet, nicht so stehen lassen und im Rahmen der Arbeitsgruppe „PolitikCafé“ hat er das Konzept zum Projekt Femizid ausgearbeitet. Organisatorisch mitgearbeitet hat die Professorin Heidi Pohl. An der WFO ist diese Arbeitsgruppe für die Koordination der politischen Bildung zuständig.
Der Vinschgerwind war kurz vor den Weihnachtsfeiertagen in die Klasse 3A geladen. Die Schüler:innen erzählen, dass sie Zeitungsberichte und soziale Medien untersucht haben, die Stellungnahmen von verschiedenen Parteiexponenten, von den Grünen, von der Süd-Tiroler-Freiheit auch, von den Freiheitlichen. Und vor allem die Leser:innenkommentare unter den Zeitungsartikeln. Dass sie sich über Verhaltensweisen ausgetauscht haben. Jede Schülerin und jeder Schüler ergreift das Wort. Sara Bagozzi und Claudia Pichler vom Verein „Frauen gegen Gewalt“ in Meran haben über Formen von Gewalt gegen Frauen referiert. Haben Anlaufstellen und Telefonnummern für Hilfestellungen angegeben, erzählen die Schüler:innen. Eine Schülerin sagt, dass das Angebot von Frauenhäusern ausgebaut und die Anlaufstellen niederschwelliger werden müssten. Damit Frauen in Gewaltsituationen schneller Zuflucht und Hilfe finden könnten. Mit Reinhard Kuppelwieser haben die Organisatoren einen Vertreter der Carabinieri aus Schlanders eingeladen, der über Strafanzeigen informiert hat. Die Schüler:innen sind sich einig, dass gerade an dieser Schnittstelle Nachholbedarf in der Aus- und Forbildung bestehe. Denn Mädchen und Frauen in Gewaltsituationen bräuchten an der Kontaktstelle zum Rechtsstaat geschultes und entsprechend sensibles Personal. Die Juristin Elisa Lutz hat in einem Vortrag zu Strafprozess und Strafrecht zum Mord referiert und den Abschluss der Vorträge bildete am 19. Dezember das Referat „Psychologie des Femizids“ von Andreas Conca, dem Primar des Zentrums für psychische Gesundheit in Bozen. Nicht alle Aussagen in den Referaten finden ungeteilte Zustimmung bei den Schüler:innen. Dass alle Männer in einen Topf geworfen werden, finde er nicht richtig, sagt ein Schüler.
Beim Besuch des Vinschgerwind antworten alle Schüler und Schülerinnen überlegt, bedächtig und sie haben sich Meinungen gebildet, sind nicht immer einer Meinung, so wie es auch in der Gesellschaft ist. Anerkennend wird von mehreren Seiten hervorgehoben, dass das Thema „Gewalt gegen Frauen“ aus ganz unterschiedlichen Perspektiven angegangen worden ist. Aus psychologischer Perspektive, aus einer zivilgesellschaftlichen, aus einer rechtlichen und aus einer politischen. Um die gesellschaftlichen Rollenbilder Mann-Frau aufweichen zu können, sagt eine Schülerin, könne sie sich vorstellen, dass bereits im Kindergarten damit begonnen werden solle. Kindergärtner und Handwerkerinnen würden da helfen. Mehr Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft auch. Ein Schüler fordert mehr Zivilcourage. Bei Gewalt gegen Frauen sollte jeder hinschauen, einschreiten und sie unmissverständlich verurteilen.
Die Schülerinnen haben sich mit drei Grundfragen beschäftigt. „Was ist geschehen?“ „Wie reagieren?“ und „Was sollte die (richtige) Antwort sein?“ Leichte Kost war und ist das nicht. Ein Prozess, ein Denkprozess, ein emotionaler auch konnte jedenfalls angestoßen werden.
Die Arbeitsgruppe „PolitikCafé“ an der WFO in Schlanders schlägt vor, an Südtiroler Schulen einen Tag „Schulen gegen Gewalt“ einzuführen. (eb)

 

Statements der Schüler:innen

s27 3781Der Mord an Celine Frei Matzohl hat uns alle zutiefst schockiert. Sie war eine Schülerin an meiner Schule und ging durch die gleichen Gänge, die ich heute nutze. Es bedrückt mich zutiefst, denn immer wieder hört man von ermordeten Frauen, und die Frage bleibt, wer als nächstes betroffen sein könnte. Deshalb bin ich dankbar, dass ich am Projekt „Femizid“ teilnehmen durfte. Das Projekt begann im September und endete diese Woche, Mitte Dezember. Ich bin meinen Professoren Herrn Zwischenbrugger und Frau Pohl zutiefst dankbar, dass sie verschiedene Vorträge organisiert haben. Polizisten, Rechtsanwälte, Psychologen und Mitarbeiter des Frauenhauses Meran besuchten unsere Schule und informierten uns darüber, wie man eine Anzeige erstattet, welche rechtlichen Schritte folgen und was Personen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, tun können. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die Ursachen für Femizide und die Erkenntnis, dass nicht nur kulturelle Hintergründe eine Rolle spielen, wie viele glauben. Am Ende dieses Projekts kann ich auf sehr erfahrungsreiche und lehrreiche Monate zurückblicken.

Christandl Nina, Taufers im Münstertal

 

s27 3771Über mehrere Wochen haben sich die Projekte über „Femizide“ und „Gewalt an Frauen“ hinausgezogen, jedes davon wurde interessanter und hat sich auf ein konkretes Thema bezogen. Von Vorträgen der Carabinieri, eigenen Recherchen anschließend auch Präsentationen bis hin zu Diskussionsrunden. Ich finde, dass genau dieses Thema oftmals viel zu selten angesprochen wird, da es mittlerweile leider auch hier bei uns ein geläufiges Thema ist. Durch diese zahlreichen Projekte konnten wir sehr viel darüber erfahren und auch unsere Fragen dazu klären. Was man dazu sagen muss ist, dass wir das alles nur durch unseren Herrn Prof. Zwischenbrugger und Frau Prof. Pohl durchführen konnten. Mir persönlich haben die Projekte über das Hauptthema „Gewalt an Frauen“ sehr gut gefallen, weil man die verschiedensten Meinungen hören und ich sehr viel dazulernen konnte. Durch solche Projekte wird einem erst bewusst, wie wichtig dieses Thema eigentlich ist und man es in Schulen, Seminaren usw. behandeln sollte.

Egger Stefanie, Kastelbell-Tschars

 

s27 3780Mit dem Thema Femizide und generell Gewalt an Frauen wurden wir in diesem Jahr des Öfteren konfrontiert. Umso interessanter war es also, dass wir uns hiermit auch im Unterricht beschäftigt haben. Dabei haben wir festgestellt, dass Gewalt an Frauen ein deutlich komplexeres Thema ist als zuvor vielleicht angenommen. So gibt es verschiedene Arten von Gewalt sowie verschiedene Gründe, warum es dazu kommen kann. Dazu haben wir beispielsweise selbst Präsentationen vorbereitet, aber auch Experten wurden eingeladen, um Vorträge zu halten und mit uns zu diskutieren. Ich finde es gut, dass wir all diese Projekte gemacht haben, da sie uns einfach einen größeren Einblick in die Thematik „Femizid“ gegeben haben. Es wurde verständlicher gemacht, welche Faktoren sowohl auf Seiten der Täter als auch auf Seiten der Opfer eine Rolle spielen, dass es überhaupt zu solchen Vorfällen kommen kann. Insgesamt denke ich, dass wir sicher alle viel von diesem Thema mitnehmen und uns eine eigene Meinung bilden konnten.

Martin Ladurner, St.-Martin im Kofel

 

s27 3775Im bereits vergangenen ersten Semester haben wir, die 3A der WFO Schlanders, uns besonders intensiv mit dem Thema Frauen in unserer Gesellschaft/Frauengewalt auseinandergesetzt. Der Schwerpunkt lag dabei unter anderem auf dem Mordfall Celine Frei Matzohl, welcher sich Mitte August ereignet und ganz Südtirol erschüttert hat. Wir haben den Fall von verschiedensten Seiten beleuchtet/betrachtet. In Form von Referaten, Lektüren und auch einigen Vorträgen haben wir uns immer mehr in diese Thematik eingearbeitet. Den sozialen Medien kann man zurzeit eine Menge Artikel, Kommentare oder auch Statements entnehmen, welche sich aufs Thema beziehen. Auch bei uns in Südtirol ist es aktueller als nie zuvor, besonders seit dem Vorfall im Spätsommer bei uns im Vinschgau. In dieser Zeit hatte jeder von uns die Möglichkeit sich eine eigene Meinung zu bilden und einen eigenen Standpunkt zu erarbeiten. Teilweise gestaltet es sich schwierig diesen zu äußern, es versteht nicht jeder alles gleich, oder möchte es zum Teil auch gar nicht verstehen. Ich bin zum Schluss gekommen, dass es sicherlich an der Zeit ist, die Südtiroler Gesellschaft in der Hinsicht zum Thema Gewalt an Frauen zu sensibilisieren und es ihr näher zu bringen. Wir wollen gemeinsam Veränderung schaffen um uns als gesamte Gesellschaft angemessen weiterzuentwickeln. Dies wird viel Arbeit mit sich bringen in den kommenden Jahren, aber wenn wir uns alle daran beteiligen, uns mit Respekt begegnen und gemeinsam an einem konstruktiven Plan für die Zukunft arbeiten, sind wir auf einem guten Weg.

Laimer Annalena, Naturns

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