Dienstag, 05 März 2013 00:00

„...ma muaß es drpockn“

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

Portrait - Klara Zwick Gruber, Burgeis/Schleis

s15_7060Die Heizdecke war Klaras erste Anschaffung, nachdem der „Polsterhof“ 1978 einen Stromanschluss erhalten hatte. „I hon entla worm hoobm gwellt“, meint sie. Seit ihrer Hochzeit mit Sepp Gruber im Jahre 1960 waren Petroleum- und Karbidlampen die Lichtquellen in den dunklen Stunden. Von Elektrogeräten konnte Klara nur träumen, ebenso von fließendem Wasser im Haus. Sie wusch am Brunnen und bügelte mit dem Kohle-Bügeleisen. „Ma isch friaer oghärtet gweesn“, sagt sie.

Als ältestes Mädchen einer zwölfköpfigen Familie in Burgeis war sie von kleinauf in der elterlichen Landwirtschaft gefordert. Mit 19 Jahren trat sie ihre erste Stelle als Mädchen für alles in der Fürstenburg an. Dann folgten einige Wintersaisonen auf einer Skihütte in Klosters. „Jedn verdiantn Knopf hon i hoamtrogn“, erinnert sie sich. „Olle hoobm zommgschaug, suscht war’s nit gongan.“ Zusammenschauen hieß es auch auf dem „Polsterhof“. Nachdem sie als Jungbäuerin dort eingeheiratet hatte, setzte sie alles daran, mit den Mitgliedern der Großfamilie gut auszukommen. „Ma hot gschoffn gmiaßt“, so Klara. Ihrer Schwiegermutter stand am Herd, während sie  sich auf dem Feld und im Stall nützlich machte. Die Familie war Selbstversorger. Salz, Zucker und Polantamehl kaufte Klara nach der Sonntagsmesse im „Schleiser Ladele.“ Nach einem Jahr lag der Stammhalter Karl in der Wiege. In den folgenden Jahren schenkte sie noch zwei Buben und drei Mädchen das Leben. Nachdem Sepps Geschwister nach und nach auszogen, traten Klaras Kinder in deren Fußstapfen als Arbeitskräfte.
Dann kam der verhängnisvolle Tag im Mai 1977. Sepp fuhr mit dem beladenen Miststreuer über die abschüssige Wiese. Das Fahrzeug kam ins Rutschen. Sepp sprang vom Traktor und versuchte mit aller Kraft das Kippen zu verhindern. Doch das schwere Gerät drückte ihn vor den Augen seines Sohnes Karl zu Boden. Von den Hilfeschreien alarmiert rannte Klara zur Unglücksstelle. Alle Rettungsversuche waren umsonst, Sepp verstarb kurze Zeit später im Alter von 46 Jahren. Nach dem  lähmenden Schock kam die Verzweiflung. Aufgewühlt und mit den weinenden Kindern an den Händen folgte sie dem Pferdegespann mit der Bahre. Klara stand nun mit ihren Kindern alleine da. Der Älteste war 16, die jüngste drei Jahre alt. „I hon norr ounheibm gmiaßt, mit di Kindr schintn“, betont sie. Es musste irgendwie weitergehen, dessen war sie sich bewusst. Sie versuchte, die Geschicke auf dem Hof im Sinne des Verstorbenen weiter zu führen. Oft stieß sie an ihre Grenzen. Sie musste allein entschieden,  suchte oft Trost im Gebet. Stütze gaben ihr die Kinder. Mit ihnen gemeinsam schaffte sie es, neue Kraft zu schöpfen und die schwere Arbeit zu meistern. Dann ereilte sie 1985 der nächste Schicksalsschlag. Ihre 17-jährige Tochter Imelda erkrankte plötzlich und starb kurz darauf im Krankenhaus von Bozen. Als Todesursache wurde Nierenversagen angegeben. Genaues erfuhr Klara trotz Nachfrage nicht. Das schmerzte. Dieser Verlust zerriss ihr fast das Herz „Kind isch Kind. Dia Wundn hoaln nia“, resümiert sie. Wieder rappelte sie sich auf und versuchte zu verdrängen. Sie war froh, als Karl die Geschicke auf dem Hof übernahm und heiratete. Drei  Enkelkinder brachten Leben ins Haus, und Klara freute sich darüber. Mit ihrer Schwiegertochter Elfriede verband sie ein inniges Verhältnis. Klara vertraute ihr und gönnte sich sogar einen längereren Meeraufenthalt. Sie unterstützte den Bau des neues Hauses neben der Hofstelle, in das die junge Familie mit den Kindern einziehen wollte. Doch wieder schlug das Schicksal zu. Die Schwiegertochter erkrankte an Krebs. „Wenn’s oam guat geat, kimmp gwiiß eppas“, meint Klara. Ein bedrückender Leidensweg begann für die ganze Familie. Kurz bevor die junge Frau die Augen für immer schloss, bat sie ihre Schwiegermutter, sie möge sich um die Kinder kümmern. „Sou bin i fa di oanan zu di ondern Kindr kemman“, sagt Klara. Das Wohl der Kleinen lag ihr stets am Herzen, und sie  bemühte sich ihnen, so gut es ging, die Mutter zu ersetzen. „Richtiger Muatrersotz hon i obr nia sain kennt“, unterstreicht sie. Sie umsorgte auch ihren Sohn. Dieser zog nach dem Tod der Frau nicht ins neue Haus. Dort wohnt jetzt der Enkel Matthias mit seiner Freundin. Oft schaut  er bei seine Großmutter vorbei. Trotz der schmerzenden Lebensabschnitte hat Klara ihren Humor und ihr herzhaftes Lachen nicht verloren. „Di Orbat hilft über vieles hinweg“, sagt sie. Und die Arbeit geht ihr auch  heute nie aus. Oft schaut sie auf die Jahre zurück und fragt sich, wie sie imstande gewesen war, die Schicksalsschläge zu ertragen. „Ma drpockt viel, man muaß es drpockn.“ Wie eh und je steht sie morgens kurz nach fünf Uhr auf und kocht für Karl die „Brennsupp“. Gegen neun Uhr abends legt sie sich ins Bett. „Es gibt nichts Scheaneres, als in a worms Bett inni z’schliafn“, schwärmt sie. Das beste elekrische Gerät ist für sie noch heute die Heizdecke.

Magdalena Dietl Sapelza

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 3275 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 25-24

titel Vinschgerwind 24-24

titel vinschgerwind 23-24

 weihnachtsbroschüre 2024

 winterwind 2024

WINDMAGAZINE

  • Warm und trotzdem atmungsaktiv. Funktionsbekleidung ermöglicht es uns, selbst bei klirrenden Temperaturen den Schnee und die traumhafte Winterlandschaft zu genießen, ohne ins Frösteln zu kommen. Baumwolle, Fleece oder Daunen? Was…
    weiterlesen...
  • Die tierischen Protagonisten aus der Weihnachtsgeschichte an den Futterkrippen anzutreffen, war einigermaßen überraschend. Weniger unerwartet war, dass ihre Landwirte auch im Winter tüchtig sind. Ein bisschen Zeit für die Ofenbank…
    weiterlesen...
  • Der junge Vinschger Martin Fahrner ist seit 2018 Chef der World Racing  Academy WRA. In der Skisaison 2024/2025 ist er mit 12 Athleten im  internationalen Skizirkus unterwegs. Sein Vater Hans…
    weiterlesen...
  • Promenaden verfügen standesgemäß über besondere Flanierqualitäten, bieten interessante Blickbeziehungen und dienen in der Regel dem Lustwandeln.  Der fünf Kilometer lange Rundweg um den Haider See im Vinschger Oberland vereinigt diese…
    weiterlesen...
  • Ein paar winterliche Überlebensstrategien von Alpentieren und -pflanzen stelle in diesem Beitrag vor. Vereinfacht und in einer systematisierenden Übersicht kann man aktive und passive Überwinterer unterscheiden. Von Wolfgang Platter, dem…
    weiterlesen...
  • Un racconto per immagini di Gianni Bodini   La Val Venosta offre agli amanti degli sport invernali diversi centri ben attrezzati, ma anche per chi si “accontenta” della natura non…
    weiterlesen...
  • Die magische Geschichte der „VALANGA AZZURRA“ („blaue Lawine“),  dem damals erfolgreichsten Ski-Team der Welt rund um Gustav Thöni wurde  verfilmt. Vorgestellt wurde der Kino-Film jüngst am Filmfestival in Rom. von…
    weiterlesen...
  • Unvergessliche Pistenerlebnisse Atemberaubendes Panorama und 44 bestens präparierte Pistenkilometer: In Sulden sind Wintersportträume Wirklichkeit.   Das Skigebiet in Sulden ist kein Geheimtipp, Sulden ist höchstes Niveau, Sulden ist „First Class“:…
    weiterlesen...
  • Schließen Sie die Augen und träumen Sie vom perfekten Winterurlaub mit der Familie … Text: Stephan GanderFotos: Lucas Pitsch / Sebastian Stip In Trafoi, mitten im Nationalpark Stilfserjoch erlebt man…
    weiterlesen...
  • Eine Oase der Ruhe, ein Ziel für Wanderungen, ein beliebter Treffpunkt für Genießer, auch zum Feiern, Ausgangspunkt für Skitouren, eingebettet in einer wunderbaren Bergkulisse: das ist die Berghütte Maseben. Die…
    weiterlesen...
  • Wusstest du, dass die Nährstoffe in Äpfeln die gesundheitliche Wirkung von anderen Lebensmitteln verstärken? VIP hat spezielle Kombinationen mit Vinschger Apfelsorten entwickelt, die überraschend gut schmecken und die Gesundheit fördern.…
    weiterlesen...
  • Die Tage werden kürzer, die Luft frischer, und die Landschaft erstrahlt in reinem Weiß – der Winter in der Ferienregion Reschensee ist da! Eingebettet im malerischen DreiländereckItalien-Österreich-Schweiz erwartet euch ein…
    weiterlesen...
  • Wo die heimischen Alpen in ein winterliches Wunderland verwandelt werden! Dieses Gebiet bietet nicht nur erstklassige Skimöglichkeiten, sondern ist auch ein Ort, der Tradition und Gemeinschaft inmitten der atemberaubenden Natur…
    weiterlesen...
  • Latsch-Martelltal Zwischen kristallklaren Bergseen, dem ursprünglichen Martelltal, dem kargen Sonnenberg und dem sattgrünen Nörderberg liegt das Feriengebiet Latsch-Martell - unterschiedlicher könnte es nicht sein. Als wahres Skitouren Eldorado ist das…
    weiterlesen...

Winterwind 2024

zum Blättern

Winter Magazin - Winterwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Skigebiete Skifahren Rodeln Langlaufen Winterwandern Schneeschuhwandern Eislaufen Schöneben Haideralm Sulden Trafoi Watles Ferienregion

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.