Kultur: Ein Nachruf auf Oskar Federspiel (geb. in Laas am 27.02.1922, 12.04.2019)

geschrieben von

Die turbulenten Zeiten, in die er hineingeboren wurde, haben Oskar Federspiels Leben geprägt. Kaum zwanzig Jahre alt, begann schon der Krieg: Russlandfeldzug mit allen „Schikanen“, Auszeichnungen für außerordentliche Tapferkeit und Kameradschaft, Verwundungen, nachher amerikanische Kriegsgefangenschaft. Über den Krieg und die damals herrschende Ideologie hat er sich kaum geäußert, darin einem Großteil der deutschen Kriegsgeneration ähnlich, für die Verdrängung zur Überlebensstrategie wurde nach dem Motto aus Walter Kempowski‘s Roman „Mark und Bein“: „Ohne Schwamm darüber lässt sich das Leben nicht ertragen.“ Da hat eine Episode, die seine Frau Hanni von einem Ausbruch Oskars aus dem Internierungslager in Garmisch und das Ende seiner versteckten Heimkehr über die Berge nach Laas schon groteske Züge. Zu Hause angekommen, hielt er sich versteckt. Irgendjemand musste ihn aber doch bemerkt haben, denn eines Tages standen zwei amerikanische Militärpolizisten vor der Haustür in Laas, um ihn abzuholen. Von diesen erfuhr er auch, dass ihn ein Italiener aus dem Dorfe denunziert hatte. Der Zufall wollte es, dass er diesem Italiener, während er zum wartenden Militärjeep abgeführt wurde, auf der Straße begegnete. Oskar bat die ihn eskortierenden GI‘s um einen kurzen „Freigang“, den sie ihm gewährten und den er dazu nutzte, dem Denunzianten eine gehörige Tracht Prügel zu verpassen, worauf er sich wieder von seinen Amis in die Mitte nehmen und abführen ließ!
Gegen Ende der 1940-iger Jahre kam er aus der Gefangenschaft in das Nachkriegs-Laas zurück, wo er sich mit jeder Art von Arbeit (Holzfäller, Ofensetzer, Handlanger) den Lebensunterhalt verdienen musste. Das Glück wollte es, dass in dieser Zeit in Laas gerade das E-Werk gebaut wurde und die ausführende Firma Gionfrini dringend auch Arbeiter aus dem Dorfe benötigte. Deren Inhaber lernte bald Oskar‘s nicht nur soldatische Tugenden schätzen: seine Verlässlichkeit, fachliche Kompetenz als Baustellenleiter, seine Gradlinigkeit und absolute Loyalität. 1950 heiratete er die damals 18-jährige Hanni Pothorn, die ihrerseits trotz ihrer Jugend bereits ein bewegtes, ebenfalls vom Krieg geprägtes Schicksal hinter sich hatte: als Kind eines sudetendeutschen Vaters musste sie 1945 ihr heimatliches Kommotau in der Nähe von Prag verlassen, um in Laas, dem Herkunftsort ihrer Mutter, einer Tinzl-Tochter, Zuflucht zu finden.
Und danach begann für die Familie Federspiel das, was Frau Hanni im Rückblick und mit Tränen in den Augen als die schönste Zeit ihres Lebens bezeichnet, soll heißen: die große Wanderschaft durch Italien. Der Mann zog nämlich nach Fertigstellung des E-Werks in Laas im Gefolge der Baufirma Gionfrini nach Mailand, wechselte dort zu einem anderen großen Bauunternehmen, der Firma Astaldi, für die er in ganz Italien große Arbeiten wie den Bau von Brücken, Straßen und Autobahnabschnitten als Baustellenleiter betreute. Und die Familie machte diese Wanderschaft mit, die ersten drei Kinder wurden in verschiedenen Städten geboren: Hugo 1951 in Florenz, Karin 1954 in Bozen, Dieter 1956 in Udine; nur Sabine kam dann 1961 in Bozen zur Welt, ebenso Armin 1964 in Meran, wo die „Firma Federspiel“ ab 1964 ihren „Hauptsitz“ eröffnete, während deren Inhaber weiterhin quer durch Italien tourte und nur an den Wochenenden einpendelte. Die Kinder wuchsen ebenfalls alle in Meran auf und besuchten, – das war Oskars besonderes Anliegen, – das dortige deutsche Gymnasium. Er selbst setzte seine „italienischen Wanderjahre“ fort, die ihn im Zuge des Baus der Autobahn Neapel – Reggio Calabria auch in den „Mezzogiorno“ führten. Und dort kam er unweigerlich auch mit den lokalen wirtschaftlichen Gepflogenheiten in Berührung. Er forderte einmal beim zuständigen Arbeitsamt zwanzig ungelernte Arbeiter an, dessen Leiter bedeutete ihm aber, die seien nicht verfügbar. Als er sich jedoch mit dem gleichen Anliegen an einen der lokalen Mafiabosse wandte, nennen wir ihn aus Gründen des Datenschutzes Don Ciccio, bekam er gleich vierzig „zugeteilt“! Weiter unten im Stiefel angelangt erschien eines Tages keiner der Arbeiter auf der Baustelle. Hochnotpeinliche Befragungen der Vorarbeiter ergaben, dass ein anderer lokaler Don Ciccio von der Firma Astaldi seinen Wegzoll forderte. Oskars Chefitäten in Mailand entschieden sich auf sein Anraten zum Einlenken und leisteten den geforderten Tribut, worauf die Arbeiten wieder fortgesetzt werden konnten.
Nach diesen wechselvollen Wanderjahren und seiner Pensionierung übersiedelte Oskar Federspiel nach Laas, wo er im Jahre 1980 in den Gemeinderat und zum Bürgermeister gewählt wurde. Dabei kamen ihm seine in der Privatwirtschaft erprobten Fähigkeiten und Fachkenntnisse sehr zugute. Der Bau der Umfahrungsstraße, der Umbau des Rathauses und der Neubau der Mittelschule waren die Schwerpunkte seiner bis 1985 währenden Amtszeit. In diese fiel auch der 1984 erklärte Konkurs der Firma August Krumm Alpina, welche als klassisches Beispiel eines Räuber-, Plünder- und Heuschreckenkapitalismus nach Ausnützung aller Steuervorteile, Verbratung sämtlicher Förderungen und Subventionen und Hinterlassung eines Schuldenberges von 6,5 Milliarden Lire von der Bildfläche verschwand. Auch unter dem Eindruck dieser Pleite verstärkte Oskar Federspiel seine Bemühungen um den Marmorabbau. Er veranlasste den damaligen Inhaber der Lasa Marmo, Giuseppe Sonzogno, den Sitz der Gesellschaft von Aurisina (Triest) nach Laas zu verlegen, auch um die „Lasa“ endlich vom Odium des „walschen“ Betriebes zu befreien. Außerdem verwendete er sich dafür, dass die Modernisierung des Maschinenparks für den Marmorabbau und dessen Verarbeitung in Angriff genommen und auch mit Förderungen des Landes unterstützt wurde, alles aus der den Laasern wohl angeborenen Liebe zum „Weißen Gold“ und aus seiner inneren Überzeugung heraus, dass der Marmor das sicherste und beste Entwicklungspotential für Laas ist. Alle seine Mitarbeiter und Weggefährten schätzten Oskars fachliche Kompetenz, seine Aufrichtigkeit, Geradlinigkeit, Redlichkeit und Loyalität, Tugenden, die im politischen und wirtschaftlichen Leben selten geworden sind.
Ein großer Laaser ist von uns gegangen!
Sit ei terra levis – die Erde sei ihm leicht!

Peter Tappeiner, Rechtsanwalt
(peter.tappeiner@dnet.it)

Gelesen 4741 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 25-24

titel Vinschgerwind 24-24

titel vinschgerwind 23-24

 weihnachtsbroschüre 2024

 winterwind 2024

WINDMAGAZINE

  • Warm und trotzdem atmungsaktiv. Funktionsbekleidung ermöglicht es uns, selbst bei klirrenden Temperaturen den Schnee und die traumhafte Winterlandschaft zu genießen, ohne ins Frösteln zu kommen. Baumwolle, Fleece oder Daunen? Was…
    weiterlesen...
  • Die tierischen Protagonisten aus der Weihnachtsgeschichte an den Futterkrippen anzutreffen, war einigermaßen überraschend. Weniger unerwartet war, dass ihre Landwirte auch im Winter tüchtig sind. Ein bisschen Zeit für die Ofenbank…
    weiterlesen...
  • Der junge Vinschger Martin Fahrner ist seit 2018 Chef der World Racing  Academy WRA. In der Skisaison 2024/2025 ist er mit 12 Athleten im  internationalen Skizirkus unterwegs. Sein Vater Hans…
    weiterlesen...
  • Promenaden verfügen standesgemäß über besondere Flanierqualitäten, bieten interessante Blickbeziehungen und dienen in der Regel dem Lustwandeln.  Der fünf Kilometer lange Rundweg um den Haider See im Vinschger Oberland vereinigt diese…
    weiterlesen...
  • Ein paar winterliche Überlebensstrategien von Alpentieren und -pflanzen stelle in diesem Beitrag vor. Vereinfacht und in einer systematisierenden Übersicht kann man aktive und passive Überwinterer unterscheiden. Von Wolfgang Platter, dem…
    weiterlesen...
  • Un racconto per immagini di Gianni Bodini   La Val Venosta offre agli amanti degli sport invernali diversi centri ben attrezzati, ma anche per chi si “accontenta” della natura non…
    weiterlesen...
  • Die magische Geschichte der „VALANGA AZZURRA“ („blaue Lawine“),  dem damals erfolgreichsten Ski-Team der Welt rund um Gustav Thöni wurde  verfilmt. Vorgestellt wurde der Kino-Film jüngst am Filmfestival in Rom. von…
    weiterlesen...
  • Unvergessliche Pistenerlebnisse Atemberaubendes Panorama und 44 bestens präparierte Pistenkilometer: In Sulden sind Wintersportträume Wirklichkeit.   Das Skigebiet in Sulden ist kein Geheimtipp, Sulden ist höchstes Niveau, Sulden ist „First Class“:…
    weiterlesen...
  • Schließen Sie die Augen und träumen Sie vom perfekten Winterurlaub mit der Familie … Text: Stephan GanderFotos: Lucas Pitsch / Sebastian Stip In Trafoi, mitten im Nationalpark Stilfserjoch erlebt man…
    weiterlesen...
  • Eine Oase der Ruhe, ein Ziel für Wanderungen, ein beliebter Treffpunkt für Genießer, auch zum Feiern, Ausgangspunkt für Skitouren, eingebettet in einer wunderbaren Bergkulisse: das ist die Berghütte Maseben. Die…
    weiterlesen...
  • Wusstest du, dass die Nährstoffe in Äpfeln die gesundheitliche Wirkung von anderen Lebensmitteln verstärken? VIP hat spezielle Kombinationen mit Vinschger Apfelsorten entwickelt, die überraschend gut schmecken und die Gesundheit fördern.…
    weiterlesen...
  • Die Tage werden kürzer, die Luft frischer, und die Landschaft erstrahlt in reinem Weiß – der Winter in der Ferienregion Reschensee ist da! Eingebettet im malerischen DreiländereckItalien-Österreich-Schweiz erwartet euch ein…
    weiterlesen...
  • Wo die heimischen Alpen in ein winterliches Wunderland verwandelt werden! Dieses Gebiet bietet nicht nur erstklassige Skimöglichkeiten, sondern ist auch ein Ort, der Tradition und Gemeinschaft inmitten der atemberaubenden Natur…
    weiterlesen...
  • Latsch-Martelltal Zwischen kristallklaren Bergseen, dem ursprünglichen Martelltal, dem kargen Sonnenberg und dem sattgrünen Nörderberg liegt das Feriengebiet Latsch-Martell - unterschiedlicher könnte es nicht sein. Als wahres Skitouren Eldorado ist das…
    weiterlesen...

Winterwind 2024

zum Blättern

Winter Magazin - Winterwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Skigebiete Skifahren Rodeln Langlaufen Winterwandern Schneeschuhwandern Eislaufen Schöneben Haideralm Sulden Trafoi Watles Ferienregion

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.