Nationalpark Stilfserjoch: Der 1. Weltvielfaltsbericht IPBES - Die globale Situation zur Biodiversität

geschrieben von
Global denken, lokal handeln. Auch wenn sie weit von uns entfernt liegen, gehen sie uns etwas an: die Korallenriffe. Der Anemonenfisch (Amphiprion precula) ist aus dem Film „Findet Nemo“ Botschafter für den Schutz der Korallenriffe. Foto aus dem „Haus des Meeres“ in Wien Global denken, lokal handeln. Auch wenn sie weit von uns entfernt liegen, gehen sie uns etwas an: die Korallenriffe. Der Anemonenfisch (Amphiprion precula) ist aus dem Film „Findet Nemo“ Botschafter für den Schutz der Korallenriffe. Foto aus dem „Haus des Meeres“ in Wien

Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Konstantin, 21. Mai 2019

Intergovernemental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) heißt das Gremium der über 400 Wissenschaftlerinnen und Forscher, welches von der UN nach dem Vorbild des Weltklimarates IPCC ins Leben gerufen wurde. Mehr als drei Jahre haben die Experten an dem Bericht gearbeitet, der anfangs Mai d.J. in Paris als „Global Assessment Report“, als Weltvielfaltsbericht vorgestellt und veröffentlicht worden ist. Der Bericht stellt eine gewaltige Leistung internationaler Forschungsarbeit dar. Die Essenz aus 15.000 Studien versucht eine Antwort auf drei P1030287Fragen, die einfach zu stellen, aber schwer zu beantworten sind:
Drei einfache Fragen mit schwierigen Antworten
• Was wissen wir weltweit über den Zustand der Arten und der Ökosysteme und ihrer Funktionen?
• Was bedroht sie?
• Welche Maßnahmen können den Verlust aufhalten?
Heute sind 1,9 Millionen Arten (Mikroorganismen, Pflanzen und Tiere) wissenschaftlich beschrieben. Die unterschiedlichen Schätzungen, wie viele Spezies es überhaupt gibt, geben zwischen 8 und 10 Millionen Arten an. Der IPBES-Bericht deckt jetzt auf, dass eine Million Pflanzen- und Tierarten vom Aussterben bedroht sind. Artensterben hat es auf der Erde immer gegeben. Fünf Mal in der Geschichte unseres Planeten hat sich die Zusammensetzung des Lebens auf der Erde schlagartig geändert. Die Geologen und Paläontologen finden Spuren von erloschenen Arten in den Gesteinsschichten. Die bekannteste dieser Auslöschungen ist das Dinosauriersterben, ausgelöst durch einen Meteoriten-Einschlag am Ende der Kreidezeit vor rund 66 Millionen Jahren im Erdmittelalter. Das 6. Massensterben ist derzeit im Gange. Im Vergleich zu „normalen“ Zeiten der Erdgeschichte sterben Pflanzen- und Tierarten heute Dutzende oder gar Hunderte Male so schnell aus. Was überrascht und schockiert, ist also die DSC 0304Geschwindigkeit des derzeitigen Artensterbens. „Todesursache Mensch“ überschreibt Fritz Habekuss seine Zusammenfassung des Weltvielfältigkeitsberichtes in der Nummer 20/2019 der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 9. Mai 2019. Die globalen Gemeinschaftsgüter Land, Ozeane, Atmosphäre und Biosphäre werden vom Menschen auf beispiellose Art und Weise verändert. Mit Genen, Arten und Lebensräumen verliere die Menschheit ihr natürliches Erbe und ihr Sicherheitsnetz. Unsere Lebensweise ist eine ökologische Katastrophe. Verantwortlich für den Niedergang der Natur, daran lässt der IPBES-Bericht keinen Zweifel, ist der Mensch. Als die fünf wichtigsten direkten „Treiber“ dieses Zerstörungswerkes nennen die Forscherinnen und Forscher folgende:

Die fünf wichtigsten „Treiber“
• Den größten Anteil am Gen-, Arten- und Lebensraumverlust hat die veränderte Nutzung von Land und Ozeanen. Zwei Drittel aller Meeresgebiete und 60% der Landoberfläche sind heute durch menschlichen Einfluss beeinträchtigt. Seit dem Jahre 1992 haben sich die von den Städten bedeckten Gebiete verdoppelt. Riesige Waldgebiete wurden abgeholzt. Die jüngsten Daten von Global Forst Watch zeigen, dass Brände und Rodungen 2018 zwölf Millionen Hektar Tropenwald fraßen. Der entspricht der 16-fachen Fläche Südtirols.
• Der zweitgrößte „Treiber“ ist die direkte Ausbeutung von Tieren und Pflanzen. Dazu zählt etwa die Fischerei: Zahlen der Welternährungsorganisation FAO zeigen, dass 93% aller Fischbestände bis an die Grenze des Verträglichen DSC 5115bewirtschaftet werden und sogar darüber hinaus. Auch Wilderei bringt Arten wie Elefanten, Schimpansen oder Jaguar an den Rand des Zusammenbruchs.
• Parallel dazu wird der Einfluss des Klimawandels größer. Inzwischen lässt sich klar nachweisen, dass viele Arten vor dem Klimawandel zurückweichen: weiter in Richtung der Pole beziehungsweise in höhere Berglagen (in den Alpen z.B. das Steinwild), weil ihr ursprünglicher Lebensraum zu warm geworden ist.
• Die Abfälle des Menschen, von Schwermetallen über Umweltgifte und Plastik bis hin zu einem Übermaß an Dünger überlasten die Ökosysteme.
• Als fünften Treiber benennt der Bericht die eingeschleppten Arten (Neophyten und Neozoen). Globaler Handel und Tourismus ermöglichen ihnen, sich in fremden Gebieten auszubreiten, auf Kosten der dort heimischen Spezies.
Der Report listet bereits erlittene Verluste auf und warnt vor zukünftigen. Wenig Hoffnung haben die Forscher für die Korallenriffe. Korallenriffe sind die Kinderstuben vieler Fische, Schildkröten und Meeressäuger, außerdem schützen sie die Küsten vor Wellen, Stürmen und Erosion. Daher hängen viele Hunderte Millionen Menschen direkt oder indirekt von Korallenriffen ab. Selbst, wenn es gelingt die Erderwärmung bis 2100 auf zwei Grad zu begrenzen, würde nur mehr 1% der Riffe überleben. Diese einzigarteigen Lebensräume zerstört der Klimawandel nicht nur in Form von Wärme, sondern durch die Versauerung der Meere, ausgelöst durch den weiter steigenden Gehalt an Kohlendioxid in der Atmosphäre.
In den Weltmeeren gibt über 400 sogenannte Todeszonen, die wegen Überdüngung so sauerstoffarm sind, dass dort nichts mehr lebt. Die Menge an Plastikmüll hat sich seit dem Jahre 1980 verzehnfacht. Drei Viertel der Landfläche und 20180826 152442zwei Drittel der Meere sind deutlich vom Einfluss des Menschen gezeichnet. Der Mensch hat sich ein Drittel der Landmassen und drei Viertel des verbrauchten Süßwassers genommen, um Tiere zu züchten und Landwirtschaft zu betreiben.
Mit dem IPBES-Bericht der Vereinten Nationen liegt nun das gebündelte Wissen vor. Der Bericht ist adressiert an die Regierungen der Welt und von 130 von ihnen unterzeichnet. Spätestens nach diesem Bericht kann niemand mehr sagen, er hätte nicht gewusst, was da passiert.

Notwendige Konsequenzen
Der IPBES-Bericht ist ein radikales Dokument. Denn es zeigt, dass die Krise das globale System in Frage stellt einschließlich Wachstum und Konsum. Der deutsche Josef Settele, Agrarbiologe vom Helmoltz-Zentrum für Umweltforschung und einer der drei Co-Vorsitzenden mahnt: „Es geht um einen transformativen Wandel, und der heißt nicht weniger, als dass wir die Art und Weise unseres Wirtschaftens ändern müssen.“ Der Bericht zeigt auch, wie der Verlust von Arten und Ökosystemen verlangsamt, gar aufgehalten werden könnte. Dazu wurde systematisch lokales Wissen einbezogen. Denn wo indigene Gemeinschaften Gebiete managen, geht es der Natur im Durchschnitt deutlich besser.
20180826 133507Konkret wird und bleibt der Bericht auch bei der Fragestellung, welche Maßnahmen den Verlust aufhalten können. Die Autoren fordern beispielsweise, umweltschädliche Staatsbeihilfen abzuschaffen. Davon gibt es eine ganze Menge, angefangen bei der Fischerei über die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern bis hin zur Landwirtschaft. Fritz Habekuss (in „Die Zeit“ Nr. 20/2019): „Die neuen Regeln zum Schutz der Natur werden darüber entscheiden, ob es in hundert Jahren noch Regenwälder, Walhaie, Makrelenschwärme, Orchideen, Elefantenherden in freier Wildbahn, Monarchenfalter-Wanderungen, Paradiesvögel oder Hochmoore geben wird.“

Gelesen 4647 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 25-24

titel Vinschgerwind 24-24

titel vinschgerwind 23-24

 weihnachtsbroschüre 2024

 winterwind 2024

WINDMAGAZINE

  • Warm und trotzdem atmungsaktiv. Funktionsbekleidung ermöglicht es uns, selbst bei klirrenden Temperaturen den Schnee und die traumhafte Winterlandschaft zu genießen, ohne ins Frösteln zu kommen. Baumwolle, Fleece oder Daunen? Was…
    weiterlesen...
  • Die tierischen Protagonisten aus der Weihnachtsgeschichte an den Futterkrippen anzutreffen, war einigermaßen überraschend. Weniger unerwartet war, dass ihre Landwirte auch im Winter tüchtig sind. Ein bisschen Zeit für die Ofenbank…
    weiterlesen...
  • Der junge Vinschger Martin Fahrner ist seit 2018 Chef der World Racing  Academy WRA. In der Skisaison 2024/2025 ist er mit 12 Athleten im  internationalen Skizirkus unterwegs. Sein Vater Hans…
    weiterlesen...
  • Promenaden verfügen standesgemäß über besondere Flanierqualitäten, bieten interessante Blickbeziehungen und dienen in der Regel dem Lustwandeln.  Der fünf Kilometer lange Rundweg um den Haider See im Vinschger Oberland vereinigt diese…
    weiterlesen...
  • Ein paar winterliche Überlebensstrategien von Alpentieren und -pflanzen stelle in diesem Beitrag vor. Vereinfacht und in einer systematisierenden Übersicht kann man aktive und passive Überwinterer unterscheiden. Von Wolfgang Platter, dem…
    weiterlesen...
  • Un racconto per immagini di Gianni Bodini   La Val Venosta offre agli amanti degli sport invernali diversi centri ben attrezzati, ma anche per chi si “accontenta” della natura non…
    weiterlesen...
  • Die magische Geschichte der „VALANGA AZZURRA“ („blaue Lawine“),  dem damals erfolgreichsten Ski-Team der Welt rund um Gustav Thöni wurde  verfilmt. Vorgestellt wurde der Kino-Film jüngst am Filmfestival in Rom. von…
    weiterlesen...
  • Unvergessliche Pistenerlebnisse Atemberaubendes Panorama und 44 bestens präparierte Pistenkilometer: In Sulden sind Wintersportträume Wirklichkeit.   Das Skigebiet in Sulden ist kein Geheimtipp, Sulden ist höchstes Niveau, Sulden ist „First Class“:…
    weiterlesen...
  • Schließen Sie die Augen und träumen Sie vom perfekten Winterurlaub mit der Familie … Text: Stephan GanderFotos: Lucas Pitsch / Sebastian Stip In Trafoi, mitten im Nationalpark Stilfserjoch erlebt man…
    weiterlesen...
  • Eine Oase der Ruhe, ein Ziel für Wanderungen, ein beliebter Treffpunkt für Genießer, auch zum Feiern, Ausgangspunkt für Skitouren, eingebettet in einer wunderbaren Bergkulisse: das ist die Berghütte Maseben. Die…
    weiterlesen...
  • Wusstest du, dass die Nährstoffe in Äpfeln die gesundheitliche Wirkung von anderen Lebensmitteln verstärken? VIP hat spezielle Kombinationen mit Vinschger Apfelsorten entwickelt, die überraschend gut schmecken und die Gesundheit fördern.…
    weiterlesen...
  • Die Tage werden kürzer, die Luft frischer, und die Landschaft erstrahlt in reinem Weiß – der Winter in der Ferienregion Reschensee ist da! Eingebettet im malerischen DreiländereckItalien-Österreich-Schweiz erwartet euch ein…
    weiterlesen...
  • Wo die heimischen Alpen in ein winterliches Wunderland verwandelt werden! Dieses Gebiet bietet nicht nur erstklassige Skimöglichkeiten, sondern ist auch ein Ort, der Tradition und Gemeinschaft inmitten der atemberaubenden Natur…
    weiterlesen...
  • Latsch-Martelltal Zwischen kristallklaren Bergseen, dem ursprünglichen Martelltal, dem kargen Sonnenberg und dem sattgrünen Nörderberg liegt das Feriengebiet Latsch-Martell - unterschiedlicher könnte es nicht sein. Als wahres Skitouren Eldorado ist das…
    weiterlesen...

Winterwind 2024

zum Blättern

Winter Magazin - Winterwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Skigebiete Skifahren Rodeln Langlaufen Winterwandern Schneeschuhwandern Eislaufen Schöneben Haideralm Sulden Trafoi Watles Ferienregion

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.