Dienstag, 01 November 2016 09:26

In der Zeltstadt des Schah

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

s17 4147Frau Berta Angerer bewirtete in Pontresina und im Nobelort St. Moritz jahrzehntelang als Chef-Serviererin die Reichen und Schönen der Welt. Ein Höhepunkt in ihrem Leben war der Aufenthalt in der Zeltstadt „Persepolis“ in der Wüste nahe Teheran im Auftrag von Schah Reza Pahlevi.  

von Magdalena Dietl Sapelza

Voller Erwartung aber ohne Angst vor dem Fliegen stieg  Berta im Herbst 1971 zum ersten Mal in ein Flugzeug. Ihr Ziel war der Iran. Berta hatte die Möglichkeit erhalten, im Auftrag von Schah Reza Pahlevi bei der 2500-Jahrfeier der dortigen Monarchie Staatsgäste zu betreuen.

Der Herrscher auf dem Pfauenthron hatte für seine pompöse Feier die besten Serviertöchter aus der Schweiz auswählen lassen. Denn als regelmäßiger Gast in St. Moritz schätzte er deren Professionalität. Nach der Landung ging`s mit einem Bus durch die Wüste bis zur eigens für diese Feier aufgebauten Zeltstadt „Persepolis“. Die Zelte der illustren Gäste aus Sudan und Korea wurden ihr zugeteilt.  Berta achtete darauf, dass es diesen an nichts fehlte. Gleichzeitig tauchte sie in eine glamouröse, luxuriöse Welt ein, die sie nur aus Zeitschriften kannte. Ergriffen war sie, als unerwartet die Kaiserin Farah Diba das Zelt betrat. Artig grüßte Berta mit einen Knicks. „Die Kaiserin ist eigentlich eine ganz normale Frau gewesen“, erklärt sie. Überwältigt beobachtete Berta die gekrönten und nicht gekrönten Häupter beim historischen Umzug. Sie erkannte König Juan Carlos und die Königin Sophia aus Spanien, Prinz Philip und Prinzessin Anne aus England, den amerikanischen Präsidenten Richard Nixon… Und sie staunte über die imposanten nächtlichen Lichtinstallationen. „Es war ein unvergessliches Erlebnis. Ich habe  damals eine einmalige Chance gehabt“, betont sie.
Berta wuchs als Jüngste von sechs Kindern einer Kleinbauernfamilie in Lichtenberg auf. Vom faschistisch dominierten Italienisch-Unterricht blieb wenig hängen. Mehr brachte ihr der Besuch der „Bürgerschule“ in Prad. „Diese war von großem Nutzen“, meint sie. Ihre Karriere als Kellnerin begann in einem im „Stilfser Joch Hotel“. Im Oberkellner Alois Pichler fand sie ihren Lehrmeister. „Er wusste wie man mich zu nehmen hat“,  erklärt sie. Ihm folgte sie nach Sulden ins „Zebru“. Dort stieg sie schon bald zur Saalchefin auf. Viele Türen standen ihr offen. Die Schweizer Franken lockten sie nach Pontresina ins „Hotel Rosatsch“. Als „Erste Serviertochter“ s17 ausweisdirigiert sie dort die Geschicke im „Bündnerstübele“. Neben einem Fixgehalt erhielt sie Prozente. „Wer mehr gearbeitet hat, hat auch mehr verdient, deshalb waren Überstunden kaum ein Problem“, erklärt sie.
Nach einigen Jahren folgte sie dem Küchenchef des Hotels nach St. Moritz ins „Restaurant Radi“. Als tüchtige Kraft sorgte sie auch dort für gute Umsätze. Die Zwischensaisonen verbrachte sie meist daheim und half bei der „Baurschaft“. Eine Saison nutzte sie für einen Sprachaufenthalt in Südengland. Vormittags lernte sie Englisch und am Nachmittag besuchte sie einen Reiterhof. Pferde faszinierten sie seit jeher und erste Reitstunden hatte sie bereits in St. Moritz absolviert. Die Englisch-Kenntnisse kamen ihr im Service immer wieder zugute – auch in der Wüstenstadt.
Eine Heirat hat sich für Berta nie ergeben.  Ein junger Mann aus Prad  hätte ihr schon gefallen, doch dieser sei fortgezogen, und Hady habe es damals noch keines gegeben, meint sie. Berta sparte, kaufte sich eine Wohnung,  genoss ihre Freiheit, pflegte Freundschaften und ging  auf Reisen – vor allem nach ihrer Pensionierung. Einen liebevollen Begleiter fand  sie in einem Gast, den sie in St. Moritz kennengelernt hatte. Sie besuchte Thailand, die USA, Marokko, die Kanarischen Insel... Mittlerweile muss Berta aus Gesundheitsgründen etwas kürzer treten. Doch nach wie vor versorgt sie ihren Haushalt eigenständig mit Blick auf größte Ordnung und Sauberkeit. Bei Behördengängen und beim Einkaufen hilft ihr eine Freundin. Eine Nachbarin begleitet sie bei ihren Spaziergängen in die nahe „Kultur“. Berta legt nach wie vor großen Wert auf ein gepflegtes Aussehen und freut sich über Besuche.
An den Schah und die Kaiserin erinnern sie Zeitungsausschnitte und Fotos, die sie  nach ihrem Aufenthalt im Iran fleißig gesammelt hat.

 

{jcomments on}

 


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 4408 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.