Dienstag, 20 September 2016 00:00

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4 Karin WelponerKarin Welponer ist eine Bozner Künstlerin, die zu ihrem 75. Geburtstag im Schloss Kastelbell eine große Werkschau ihrer fast 60-jährigen Tätigkeit präsentiert. In Bozen gibt es nicht so schöne Räumlichkeiten wie im Schloss Kastelbell und die Vinschger Künstler sind die interessantesten des ganzen Landes, meint Welponer. Außerdem hat sie langjährige Beziehungen zu den Arundaleuten. Zwei Ausgaben der Vinschger Kulturzeitschrift sind ihren Arbeiten gewidmet: Requiem für die Welt (Arunda 57) und Erdanken – Gerinnerung (Arunda 69).

Deshalb ist sie sehr glücklich und zufrieden, dass in der heurige Herbstausstellung vom 25. September bis am 31. Oktober ein Querschnitt ihrer vielen und vielfältigen Arbeiten in Kastelbell gezeigt werden kann. Es sind verschiedene Arbeiten von 1959 bis 2016, Zeichnungen, surrealistische Malereien und Collagen. Die verschiedenen Techniken und Bildmotive erzählen auch über ihr Leben, die verschiedenen Lebensphasen, verschiedene Projekte und künstlerische Schaffensperioden, ihre Reisen in 5 KarinWelponer Selbstbildnisfremde Länder, durch die Wüste und über ihre Aufenthalte auf den Seychellen. Welponer hat in ihrem Brotberuf als erfolgreiche Werbegrafikerin gearbeitet und als freie Künstlerin ihre bunte und lebendige Bilderwelt geschaffen. Es sind Bilder, die man lange anschauen kann, die zum Weiterdenken anregen und die Phantasie beflügeln. Witziges, Nachdenkliches und Hintersinniges kann betrachtet und herausgelesen werden. Jedenfalls sollte man mindestens zweimal hinschauen und die Bilder auf sich wirken lassen.

Die Künstlerin stammt aus einer Bozner Kaufmannsfamilie, die in der Museumsstraße einen Obst- und Fellhandel betrieben hat. Aber die junge Welponer zog es nicht in das elterliche Geschäft, sondern bereits mit 16 Jahren nach München. Dort besuchte sie zuerst die Blochererschule für Grafik, dann mit 18 Jahren die Akademie für Bildende Künste. Welponer ist Zeichnerin und wollte Buchillustratorin werden. Bei vielen Verlagen fragte sie an und bekam 40 Absagen. Sie wurde Werbegrafikerin mit einem künstlerischen Anspruch, machte Plakate und Illustrationen für Zeitschriften. Sie erzählt von großen Plakaten für bayrisches 2 KarinWelponerRoseBier, 4x4 Meter groß, die auf riesige Wände geklebt wurden. Das halbe Jahr arbeitete sie als Werbegrafikerin, das halbe Jahr als freie Künstlerin. 36 Jahre lebte sie in München, machte Ausstellungen, war Mitglied der Münchner Künstlergenossenschaft und arbeitete im Vorstand der Ausstellungsleitung im Haus der Kunst in München mit. Und immer wieder zog es sie auf Reisen in ferne Länder. Die Faszination der Wüste, die verschiedenen Landschaften und die üppige Pflanzenwelt auf den Seychellen hat sie nicht einfach abgebildet, sondern in ihre eigenen Phantasiewelten verwandelt. „Rustikaler Surrealismus“ bzw. „magischer Realismus“, so bezeichnen Kunstkritiker ihre Arbeiten. Es sind Bilder über die Kargheit und die Schönheit der Natur, Bilder, die den Blick auf das Kleine und Unscheinbare lenken. In vielen Bildern geht es um das Unterbewusste, die verdeckten Ängste, Sehnsüchte und Phantasien. Auch Bücher waren eine Inspirationsquelle für ihre Arbeiten, vor allem 1984 von George Orwell, der abenteuerliche Simplicissimus und Don Quixote von 1 KarinWelponer SonnenuhrMiguel de Cervantes. Es gab auch Phasen mit besonderen Projekten und Studien. In den 80er Jahren entstand der Zyklus der Geflügelten und Gehörnten. Hörner als Zeichen der Macht, der Stärke und  der Verwurzelung. Flügel als Symbol einer Sehnsucht nach dem Neuen, dem Fernen. Lange beschäftigte sich Welponer mit dem Thema Kubus. Auch hier kommt wieder die Dualität zum Vorschein. Stabiles und Instabiles als Metapher des Lebens.

Um das Jahr 2000 entstanden hintersinnige Übermalungen alter Druckgrafiken, Fotos und Postkarten. Die Verfremdung führt zu Verwirrung und zu überraschenden Neuinterpretationen. Neue Kräfte werden freigelegt, neue Bilder entstehen, voller Witz und Ironie. Ein Bild zeigt Steinböcke, die einer „Göttin“ begegnen. Es ist eine nackte Frau, die Böcke stehen wie versteinert davor und starren sie an. Lange hat sich Welponer mit den Felszeichnungen in der Sahara auseinandergesetzt und selber eine Zeichensprache entwickelt. Karin Welponer erzählt auch von den Glasfenstern in der Friedhofskapelle in Petersberg und im Altersheim in Terlan. Das war eine neue Herausforderung. Welponer machte Entwürfe, ließ alles brennen und musste sich vom Endergebnis überraschen lassen. Karin Welponer ist aber nicht nur Künstlerin, sie war 1985 auch Initiatorin der Galerie Museum und des Forums Arge/Kunst. Zeitgenössische Kunst wurde nach Bozen gebracht und junge, talentierte Südtiroler Künstler wurden gefördert. Angeregte Diskussionen über Kunst, den Kunstbetrieb und die Kunst in der 3 BlumenstraussGesellschaft wurden geführt. Die Werkschau im Schloss Kastelbell beginnt mit Zeichnungen aus ihrer Münchner Zeit. Dann werden ihre surrealistischen Bilderwelten, Pflanzen, Frauen und Schätze aus der Wüste gezeigt. Der Themenzyklus Kubus, die Geflügelten und Gehörnten folgen in den anderen Räumen, genauso wie Übermalungen und die Zeichensprache. Zum Schluss gibt es Selbstporträts und wieder Zeichnungen. Es sind erotische Zeichnungen, Körperstudien, einfache Striche mit großer Ausdruckskraft. Die gesamte Ausstellung ist die Wiederspiegelung eines künstlerischen Lebensweges auf der Suche nach Ruhe und Bewegung, nach Reflexion und Aufbruch. Aber ohne moralischen Zeigefinger, sondern auf witzige und erheiternde Art.
Heinrich Zoderer  

 

Herbstausstellung auf Schloss
Kastelbell

Karin
Welponer
25.09.2016 - 30.10.2016

Vernissage:
Samstag, 24.09.2016
um 17:00 Uhr
Montag
geschlossen

Öffnungszeiten:
Dienstag
bis Samstag
14:00 - 18:00 Uhr
Sonntag
11:00 - 18:00 Uhr

Finissage:
Montag, 31.10.2016 um 18:00 Uhr

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