Optimistischer, als es die Gegenwart zeige. Denn die Vergangenheit sei gut gewesen, die Gegenwart sei aus verschiedensten Gründen mäßig bis schlecht und die Zukunft spreche für den Vinschgau. Aufgrund der geologischen und der klimatischen Voraussetzungen und vor allem wegen des Wassers. „Wasser werden wir auch in 50 Jahren leichter als andere Anbaugebiete haben“, sagt Wielander. Die Bauern seien fleißig, eine langjährige Erfahrung im Obstbau sei vorhanden. Das seien alles Dinge, die für den Vinschgau sprächen und gegen neue Apfelanbaugebiete. „Da können die Polen noch lange Äpfel ansetzen, die Ukrainer auch, auch die Chinesen, bis unsere Frauen Äpfel anderer Herkunft kaufen werden. „Somit sehe ich die Zukunft positiv“, sagt Wielander, „in 15 Jahren werden wir ein komplett neues Sortiment haben, auch weil die Versuchszentren in der ganzen Welt neue Sorten züchten und ihre Arbeit gut machen. Wir werden uns auf beste Geschmackserlebnisse einstellen müssen. Das braucht aber auch große Veränderung in den Köpfen der Bauern und uns Vermarktern. Denn das ist ein Abenteuer.“
Südtirol hat mit dem Versuchszentrum Laimburg auch ein Forschungszentrum. Wieviele erfolgreiche Sorten sind denn von dort aus in die Apfelwirtschaft gekommen? Die Laimburg züchte ja nicht nur Äpfel. Mit Sorten, die gewinnbringend und auf dem Markt beständig seien, seien die Amerikaner und die Neuseeländer erfolgreicher. Gewinnbringende, die aus der Laimburg gekommen sind, sind Wielander nicht bekannt. Er könne nicht sagen, dass ein weltweit Furore machender Renner aus der Laimburg gekommen sei, bei allem Respekt vor deren guten und wichtigen Arbeit, die die Laimburg verrichte.
Demnächst wird Wielander gemeinsam mit Vertretern der VOG in die Vereinigten Staaten reisen. Dort wird eine Unterschrift für eine neue Clubsorte gesetzt werden. Eine Kreuzung von Honey Crisp, einer der teuersten Apfelmarken weltweit, geschmacklich hervorragend. „WA 38“ nenne sich derzeit die neue Sorte. Mehr will Wielander nicht sagen, nur so viel, dass die VI.P gemeinsam mit der VOG die Exklusiv-Rechte für die Sorte „WA 38“ - das WA steht für Washington - innerhalb der EU ergattert haben. Diese Sorte wird, sofern wir selber es nicht anders wollen, also in Europa ausschließlich in Südtirol angebaut werden.
Clubsorten sind etwas Exklusives. In der Qualität, im Preis, im Anbaugebiet, in der Züchtung. Eine geschlossene Gesellschaft. Mit einer vereinbarten Produktionsmenge für einen zuvor vereinbarten Markt können für einen Markennamen stolze Preise erzielt werden: beste Qualität, wenig Menge. Innerhalb der VI.P sind derzeit die Clubsorten „Ambrosia“ , „Kanzi“ und „Envy“ marktstrategisch nenneswert. „WA-38“, Bonita und Shinano Gold sollen nun dazukommen. Die Sorte „Rubens“, auch eine Clubsorte, habe nicht die gewünschten Erfolge gebracht.
Der Apfelanbau im Vinschgau ist eine andere Realität. Der Golden ist immer noch Zugpferd. Knapp 65 Prozent der Anbaufläche ist mit Golden bestückt. In den letzten Jahren hat die Edelfrucht keine guten Preise mehr erzielt. Russland sei, so Wielander, gesperrt, der Nordafrikansiche Raum unsicher. Auf Grund dessen ist der Golden ständig auf Suche nach neuen Absatzmärkten. Die Ernte 2014 hat für den Golden einen Durchschnittsauszahlungspreis von etwa 30 Cent gebracht. Zu wenig, um etwas zu verdienen.
Der Golden hat in der Vergangenheit goldene Preise erzielt. Diese Zeiten sind vorbei. „Wir werden uns bei den Auszahlungen beim Golden der Ernte 2015 nicht wesentlich, also nur leicht, vom vorigen Jahr unterscheiden“, sagt Wielander eine Prognose. Wohl aber werden man sich bei den roten Sorten von den vorjährigen Auszahlungspreisen abheben. Und zwar nach oben. Bei den Stark Delicius, bei der Sorte Pinova, natürlich bei Gala, Amrosia und Kanzi.
Bei den Golden müsse man entweder die Qualität wesentlich verbessern, oder die Produktion radikal auf unter 50 Prozent zurückfahren. Denn die Golden-Märkte sind mit Ausnahme des mediterranen Gürtels (Italien, Spanien, Portugal) im Begriff abzufallen.
Die Umstellung auf rote Sorten predigt Wielander, der oft auch brachial werden kann, seit Jahren. Hat er in dieser Sache kaum Einfluss auf die Bauern? Ein mea culpa? Wielander lässt solche Anschuldigungen nicht gelten. „Ich bin der Auffassung, dass ich bei den Bauern ein ungetrübtes und hohes Vertrauen genieße. Beidseitig. Tatsache ist, wie es in jedem Geschäft der Fall ist, es zählt der Preis. Solange wir für den Golden Erlöse pro Hektar erzielt haben, die sich mit jeder roten Sorte haben messen können, weil die Märkte wie Russland und Nordafrika bedient werden konnten, tut man sich natürlich als Prediger hart, die Bauern dazu zu bewegen, auf rote Sorten umzustellen. Seit dem Embargo von Russland, also seit zwei Jahren, sieht der Bauer am Preis, dass der Golden nicht mehr so zieht. Die Bauern sehen auch, dass bei Bioware gute Preise erzielt werden können. Das hat teilweise nichts mit Liebe zur Produktionsweise zu tun, sondern eine Umstellung ist mitunter auch eine rein marktwirtschaftliche Überlegung“, sagt Wielander.
Wielander hat in den vergangenen Jahren immer wieder betont, dass das Wachstum der biologischen Produktion mit der Nachfrage an Bioäpfel einher gehen muss. Das hat nicht nur zu einer Förderung der Bioproduktion beigetragen. Mea culpa auch bei Bio? „Ich habe nie gesagt, dass der Biomarkt gesättigt ist. Ich habe immer gesagt, dass die Produktion gleich wachsen muss wie die Vermarktung, um Erfolg zu haben. Die Produktion ist damals schneller gewachsen als der Markt. Da müssen wir aufpassen, habe ich gesagt, denn da gibt es einen Verlierer.“ Ob er derzeit ein gesundes Verhältnis zwischen Produktion und Vermarktung im Bereich Bio sieht? „In der Produktion ist im Bereich Bio ein starkes Wachstum vorhanden. Aufgrund der Marktlage steigen auch „weniger Überzeugte“ trotzdem auf Bio um. Ich denke auch, dass der Markt nun offener ist für Bioäpfel und die heutige Produktionsmenge laufend aufnehmen kann. Ich getraue mich aber zu sagen, dass wir heute - August 2016 - im Gleichgewicht zwischen Produktion und Verkauf also zwischen Angebot und Nachfrage stehen, und das ist gut so.“ Die VI.P sei immer voll zur Bioschiene gestanden. Nicht von ungefähr befindet sich der größte Produktionsanteil an Bio-Ware in Südtirol in der VI.P. Von den insgesamt 5.000 Hektar Anbaufläche werden 700 Hektar biologisch bewirtschaftet. „Mit seit etwa 2 Jahren relativ stark steigender Tendenz“, sagt Wielander. Seit der Preis bei Bio stark nach oben zeigt, steigen viele Bauern auf Bio um. Auch bei den roten Sorten sei dies der Fall, weil der Golden zur Zeit vordergründig nur dort neu gepflanzt werde, wo es keine Alternativen gebe.
Zertifizierungen sind für die Produzenten wichtig. Wichtig als Einstieg in den Markt, weil Großabnehmer wie Lidl, Aldi, Kaufhof usw. in Deutschland, aber auch COOP, die Aspiag, Conad usw. in Italien von ihren Lieferanten entsprechende Zertifikate verlangen. „GlobalGAP“ ist so eine Zertifizierung, welche auch die VI.P hat. Dies beinhaltet Richtlinien von der Aufbewahrung von Pflanzenschutzmitteln bis hin zur persönlichen Aus- und Weiterbildung der Bauern bzw. der Betriebsleiter. „Für uns ist diese Zertifizierung durchaus positiv, wenn ich an so manche Betreibe im Osten denke, für die solche Dinge eine große Herausforderung darstellen können“, sagt Wielander mit Blick auf mögliche Konkurrenten vor allem auf dem europäischen Markt.
Im heurigen Herbst kommt eine weitere Zertifizierung - als Modul von GlobalGAP - dazu: GRASP. GRASP steht für GLOBALG.A.P Risk Assessment on Social Practice (Risiko- Einschätzung für Soziale Belange von Arbeitern). Die Bauern sollen dabei Auskunft über die Unterkunft, die sanitären Anlagen, die Meldungen, die Steuer aus den Löhnen usw. ihrer Arbeiter geben. „Grundsätzlich geht es dabei um ungeklärte ethische Fragen weltweit“, sagt Wielander dazu, „Kinderarbeit etwa, nicht gemeldete Erntehelfer, Unterkünfte die nicht menschenwürdig sind, usw.. GRASP ist ein Standard, der diese ethischen Werte der Angestellten schützen soll.“ Wurden vor 20 Jahren noch empfindliche Strafen wegen Schwarzarbeit ausgestellt, sei, so Wielander, die Schwarzarbeit bei uns kein Thema mehr.
Derzeit laufe bereits die Auditierung für GRASP. Man sei dabei, Unterkünfte usw. bei den Bauern zu überprüfen und aufzuklären. „Aber zertifizieren muss eine externe Zertifizierungsstelle, die wir beauftragen müssen“, erklärt Wielander. Auf alle Fälle soll diese GRASP-Zertifizierung bereits im Herbst vorhanden sein, damit die neue Ernte 2016 bereits mit dieser Zertifizierung vermarktet werden kann. Die ganze Sache beruht nicht auf Freiwilligkeit, denn die gesamte VI.P soll GRASP-zertifiziert werden. Wer sich dieser Zertifizeirung nicht unterwirft, dessen Äpfel müssen separat gelagert und dann separat verkauft werden. Ein Mehraufwand, der Geld koste. Das gelte, sagt Wielander, übrigens für alle vom Verband festgelegten Maßnahmen, das Führen des Betriebsheftes, die Einhaltung der Agrios-Richtlinien, die GlobalGAP-Zertifizierung. Wer diese nicht einhalte, produziere Mehraufwand und den müsse der betroffene Bauer selbst bezahlen. Man könne aber mit Freude und Respekt feststellen, dass diese Maßnahmen trotzdem positiv angenommen werden, auch wenn man schon manchmal ein mulmiges Gefühl hat, wenn Dinge verlangt werden, die bei uns in Südtirol selbstverständlich sind, doch auf Grund des Missbrauchs in anderen Regionen eben verlangt werden müssen.
„Die ganze Geschichte wird mit Kopf und Fuß gemacht“, sagt Wielander. Bei der Ernte 2015 habe man bereits einen auf Freiwilligkeit beruhenden Probelauf gemacht. Die Bauern haben eingesehen, dass dieser Schritt in Richtung GRASP vom Markt verlangt wird. „60 Prozent der Bauern haben voriges Jahr mitgemacht, haben alles offengelegt und die hatten alles in Ordnung“, schwärmt Wielander. Ab heuer ist diese Offenlegung Pflicht. „Es kommt einem wie bereits erwähnt doch etwas komisch vor, dass wir uns CRASP unterwerfen müssen. Uns würde nie einfallen, unseren Erntehelfern keine Bezahlung zu geben, in unwürdige Unterkünfte zu stecken oder ähnliches. Das gibt es nicht bei uns“, sinniert Wielander. Aber die Geschichte müsse man global sehen.
Wie sieht Sepp Wielander die Stabsübergabe bei seiner Pensionierung in 5 Jahren? „Warum 5 Jahre?“ fragt Wielander zurück. Wenn die Zeit da sei, sei sie da. Wielander: „Ich werde meinem Nachfolger nur die Gegenwart übergeben, mitteilen, wo ich in der Vergangenheit überall hineingetappt bin, aber mich sicher hüten Ratschläge für die Zukunft zu geben, denn dafür dreht sich das Rad der Zeit zu schnell.“
Eine wirtschaftliche Einordnung der Apfelwirtschaft des Vinschgaus
In den 7 Genossenschaften des Vinschgaus sind rund 1.800 Bauern vereinigt.
Auf 5.000 Hektar werden im Vinschgau Äpfel angebaut.
Die durchschnittliche Jahreserntemenge beträgt 340.000 Tonnen Äpfel.
Die VI.P hat in den letzen Jahren einen durchschnittlichen Bruttoerlös von gut 210 Millionen Euro pro Jahr erzielt. Davon werden rund 130 Millionen Euro insgesamt an die Bauern ausgezahlt. Das sind etwa 60 Prozent des Bruttoerlöses.
Runde 40% werden für logistische Zwecke gebraucht: vor allem Transporte, Emballagen und Verarbeitung sowie Verpackungsmaterial, Kühlzellen, Sortierung, Marketing, Energiekosten, Abschreibungen der Investitionen, Versicherungen, Provisionen, Personal...
Den Bauern bleibt dabei ein Bruttoerlös von rund 26.000 Euro pro Hektar.
Für die Ernte 2014 wurden für den Golden rund 30 Cent pro Kilo ausbezahlt. Das sind in etwa die Selbstkosten. Gewinn für die Bauern ist das keiner.
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