Dienstag, 23 August 2016 12:00

Im öffentlichen Krankenhaus fehlen Motivation und Wertschätzung

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s10 Alexander GardettoInterview: Heinrich Zoderer

Vinschgerwind: Warum verlässt ein erfolgreicher Arzt das Krankenhaus Brixen und arbeitet in der neu eröffneten Privatklinik Brixsana?
Alexander Gardetto: Ich habe das Krankenhaus verlassen, weil ich die Ziele, die ich verwirklichen wollte, nicht mehr verwirklichen konnte. Man muss sich im Krankenhaus mit Problemen auseinandersetzen, die einen Arzt in der Ausübung seiner Arbeit stark einbremsen.

Der Hauptgrund, warum ich das öffentliche Krankenhaus verlassen habe, war, dass ich seit vier Jahren für Dinge kämpfe, die mir von Beginn an versprochen, dann aber nicht eingehalten wurden. Ich habe mehr als 100% meiner Zeit dem Krankenhaus gewidmet und zurückgeblieben ist keine Wertschätzung. Damit wird in jedem Betrieb die Motivation immer geringer. Das war nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen anderen Kollegen der Hauptgrund, warum sie die öffentliche Struktur verlassen haben.

Vinschgerwind: Es war nicht das große Geld, das gelockt hat?
Gardetto: Das Geld hat überhaupt nicht gelockt. Im Gegenteil, wer in eine private Struktur einsteigt, muss viel Geld investieren und Kredite aufnehmen, die über mehrere Jahre abzuzahlen sind. Es geht darum, die Ziele, die man sich im Leben gestellt hat, umzusetzen. Das sind vor allem Neuerungen in der medizinischen Versorgung der Patienten.

Vinschgerwind: Die Privatklinik Brixsana hat 15 verschiedene Fachrichtungen, ist ausgestattet mit der neuesten Technik und bietet höchste medizinische Qualität. Was kann eine Privatklinik den Patienten bieten, was das öffentliche Krankenhaus nicht bieten kann?
Gardetto: Die Privatkliniken sollen nicht als Konkurrenz zu den öffentlichen Strukturen gesehen werden. Privatkliniken haben den Vorteil, dass sie sich viel intensiver mit dem Patienten befassen können. Ich nehme mir mindestens eine halbe Stunde Zeit mit jedem Patienten zu reden. Das ist im Krankenhaus nie möglich, weil zu viele Personen auf der Warteliste stehen. Wir arbeiten hier in einem interdisziplinären Netzwerk. Der Patient wird über die Eingriffe und die verschiedenen Möglichkeiten der Behandlung von A bis Z informiert.
Vinschgerwind: Kommt es durch solche Privatkliniken zur Zwei-Klassen-Medizin?
Gardetto: Die Zwei-Klassen-Medizin hat es bei uns immer schon gegeben. Wer Beziehungen hat, ruft an und bekommt einen Sondertermin, die anderen landen auf einer Warteliste. Bei Untersuchungen im Krankenhaus muss man heute auch bezahlen. Mit wenig Geld kann heute eine Privatversicherung abgeschlossen werden, mit der sich jeder bei uns behandeln lassen kann.

Vinschgerwind: Sie haben lange im Krankenhaus gearbeitet, kennen das Gesundheitssystem in Südtirol. Was funktioniert schlecht?
Gardetto: Mit großer Sorge schaue ich auf die öffentlichen Krankenhäuser, weil ich sehe, dass die Motivation des Krankenhauspersonals sehr, sehr gering ist. Ich habe die Sorge, dass durch das derzeitige Management und teilweise auch durch die Politik, es genau in die Gegenrichtung führt. Die Fehler, die heute bei uns gemacht werden, wurden vor 10 Jahren auch an der Uniklinik in Innsbruck gemacht. Auch damals wurde das Personal so demotiviert, dass es zu einer starken Abwanderung kam. Viele gute Südtiroler Fachärzte, die im Ausland arbeiten, haben keine Lust nach Südtirol zurück zu kommen.  

Vinschgerwind:  Was ist der Grund für die mangelnde Motivation?
Gardetto: Die starke Verbürokratisierung durch die italienische Gesetzgebung, aber auch die geringe Wertschätzung durch die Sanitätsleitung.

Vinschgerwind: Wie kann der Ärztemangel, besonders der Fachärztemangel, behoben werden?
Gardetto: Gute Fachärzte muss man locken können und mit lukrativen Arbeitsangeboten herholen. Ich kenne viele Südtiroler, die in leitenden Positionen als Fachärzte im Ausland tätig sind. Sie machen hier Urlaub, aber wenn sie die Medien verfolgen, verlieren sie die Lust hier zu arbeiten. Es wäre die Aufgabe der Politik und der Verantwortlichen des Sanitätsbetriebes, Arbeitsbedingungen anzubieten, die es im Ausland bereits gibt und die Südtiroler motivieren, wieder hierher zu kommen und hier zu arbeiten.
Vinschgerwind: In den letzten Jahren haben Sie immer wieder zusammen mit Ärzten aus Vorarlberg Menschen mit Verbrennungen, Tumoren, angeborenen Fehlbildungen und Hasenscharten in Madagaskar und Kenia behandelt und operiert. Was bedeuten diese Freiwilligeneinsätze in den ärmsten Regionen Afrikas für einen erfolgreichen Chirurgen aus Europa?
Gardetto: Die größte Genugtuung bei solchen Einsätzen ist die Tatsache, dass man wieder auf eine Realität zurückgeholt wird. Für uns sind ärztliche Heilungen eine Selbstverständlichkeit. In anderen Ländern leben Menschen mit Krankheiten ohne Chance auf Heilung. Kann man dann doch helfen, strahlen diese Menschen vor Dankbarkeit und Freude. Diese Freude zu erleben, das kann mit keinem Geld der Welt bezahlt werden. Das führt mich in eine Lebensrealität zurück, so dass man wieder mehr Freude hat. Diese Menschen in Afrika sind mit dem Wenigen, was sie haben, zufriedener als wir, obwohl wir alles haben. Diese Erfahrungen würde ich auch vielen anderen wünschen.

Vinschgerwind: Die plastische Chirurgie ist ein relativ neues Fachgebiet. Welche Entwicklungen gab es in den letzten Jahren? Würde es Sie reizen als Schönheitschirurg zu arbeiten bzw. arbeiten Sie in der Brixsana vor allem als Schönheitschirurg?
Gardetto: Die Plastische Chirurgie ist erst 50 Jahre alt. In dieser Zeit hat es rasante Entwicklungen gegeben. Der Plastische Chirurg und die Wiederherstellungschirurgie behandeln angeborene Fehlbildungen und erworbene Verletzungen nach Unfällen, Verbrennungen und Tumore. Der Plastische Chirurg ist deshalb auch Schönheitschirurg, weil er Menschen die Schönheit gibt oder zurückgibt, die sie sich wünschen, um sich in ihrem Körper wohl zu fühlen. Heute kann jeder Facharzt auch schönheitschirurgische Eingriffe machen, ohne dass er Plastischer Chirurg ist. Das ist aber nicht seriös, da die Ausbildung dazu fehlt. Meistens ist es reine Geldmacherei. Ich habe Angebote aus dem Ausland bekommen, als Schönheitschirurg zu arbeiten z.B. in Dubai. Ich habe das abgelehnt, weil ich nie als reiner Schönheitschirurg arbeiten wollte. Hier in der Brixsana kann ich den Patienten die ganze Palette der Plastischen Chirurgie anbieten: die Wiederherstellung, die plastische- und die ästhetische Chirurgie und die Handchirurgie. Es gibt viele Menschen, die sich einen Lebenstraum erfüllen wollen und sich operieren lassen, um schöner auszusehen. Das Auftreten und sich Präsentieren in der Öffentlichkeit hat einen großen Stellenwert. Die Schönheitschirurgie kann oft mit einfachen Eingriffen helfen, dass Menschen sich in ihrem Körper wohler fühlen.

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