Cilli erinnert sich noch gut an die „Paradeispasta“, die löffelweise verkauft worden ist, oder an die „Öl-Maßlen“. Die Leute können sich meist nur kleine Ölmengen leisten. Etwas mehr Absatz finden Zucker, Mehl und Salz. „Miar hoobm olz ausgwougn, sogor s‘ Waschpulver“, sagt sie. „Lai s‘ Persil`isch in di Schochlen gweesn“. Im Laden gibt es auch Stoffe und Kurzwaren.
Im Balilla-Kleid besucht Cilli die italienische Schule. Lehrpersonen und Schüler verstehen sich kaum. Ein Lehrer geht deshalb mit den Kindern tagtäglich spazieren. „Gfolln hotts inz, obr glearnt hoobmer nicht“, meint sie. Eine Lehrerin unterrichtet die Kinder heimlich in Deutsch. „Wenn jemand auftaucht isch, sein miar blitzschnell verschwundn.“ Nachdem ihre Eltern 1938 für Deutschland optiert haben, schikanieren italienische Beamte den Vater, dass er erzürnt den „Laden“ und die Gastwirtschaft schließt. Die Familie lebt nur noch von der Landwirtschaft. Kurz darauf holen faschistische Schergen zwei der vier Pferde und einen Teil der Ernte. Damals graben Bauern Löcher in den Erdkeller, um Kartoffelhaufen kleiner erscheinen zu lassen. „Miar hoobm olm z‘ Essn kopp, obr viele ondre hoobm glittn“, erklärt sie. Cillis älterer Bruder zieht in den Krieg, und der Vater bewacht das Pulverlager, das die Faschisten auf dem Gelände des „Schgumser Badls“ errichtet haben. Dessen Abriss hat Cilli beobachtet. Sie bringt ihrem Vater täglich das Essen zur Wachhütte und begegnet Frauen aus der Umgebung, die im Munitionslager Säckchen für das Schießpulver nähen.
Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen 1943 wird Deutsch unterrichtet. Auf dem Stundenplan stehen meist Körperertüchtigung und Nazi-Ideologie. „Glearnt hoobmer selm a nit viel. Miar hoobm nit amol s` Onmol Oans kennt“, betont sie. Erst in der „Feirtaschual“ am Sonntag lernt sie rechnen. Tagelang transportiert Cilli für die Deutschen Munitionskisten mit einem Pferdegespann aus dem Pulverlager zum Laaser Bahnhof. Lohn gibt es keinen. „Weil miar an flochn Gummiwoogn kopp hoobm, sein miar oft drounkemman“, sagt Cilli. Kurz vor Kriegsende sorgen Tiefflieger für Angst und Schrecken. „Wenn si s`Pulverloger drwuschn hattn, war olz in t`Luft gongan“, sagt sie. Nach dem Krieg lernt Cilli Verkäuferin bei ihrer Tante in Leifers. Vier Jahre bleibt sie dort. Dann besucht sie Haushaltsschule in Dietenheim und eröffnet wieder den Laden im Heimathof. Der junge Schmied Toni Telser aus Eyrs besucht sie oft mit seinem Motorrad und erobert ihr Herz. Im Mai 1955 führt er Cilli im weißen Kleid vor den Traualtar. Eine Braut in Weiß ist damals etwas Besonderes. „In Stoff hon i miar in Lodn bstellt“, erklärt sie. Die Hochzeitsreise nach München nutzt das Paar zum Besuch der Handwerksmesse. Es bezieht ein neues Haus an der Eyrser Staatstraße, in dem Toni eine Schmiedewerkstatt betreibt. Cilli eröffnet in einem Anbau mit ihrer Schwägerin die legendäre KVW-Bar. Durch die hohe KVW Mitgliederzahl ist es gelungen, eine Lizenz zu erhalten. Die damals einzige Bar im Ort ist gut besucht. Etwas Besonderes ist der „Espresso“. „Frauen sain koane kemman“, erinnert sich Cilli. 1956 krönt ein Mädchen das Eheglück. Doch das Glück wird zwei Jahre später getrübt. Die Kleine stirbt an Diphterie. „Wenn s`erschte Kind stirbt, bricht di Welt zomm“, meint Cilli. Die KVW-Bar schließt. Ein Jahr später bringt eine Tochter das Glück wieder zurück. Schließlich tummelten sich vier Mädchen und ein Bub im Haus. Cilli umsorgt ihre Lieben und bedient ihre Kunden im Eisen- und Haushaltswaren-Geschäft. Ihr Mann ist oft unterwegs und verkauft Landmaschinen. Freude macht dem Paar das Singen im Kirchenchor. Und Freude bereiten ihnen auch ihrer Kinder, die alle eine Schul-Ausbildung genießen und später in der Arbeitswelt überzeugen. Schwer trifft Cilli die Krankheit und der Tod der ihres Mannes 2009. Ihre Kinder fangen sie auf, sind für sie da. Mittlerweile hat der Sohn das Geschäft übernommen. Und Cilli freut sich, dass dieser genauso gerne seine Kundinnen und Kunden bedient, wie sie einst in ihrem „Laden“.
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