Montag, 15 Februar 2016 09:26

Nationalpark Stilfserjoch - Der Wolf in den Alpen - Eine spontane Rückkehr auf leisen Pfoten

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199B2CatalaniWolfgang Platter, am Tag der Hlg. Scholastika von Nursia, 10. Februar 2016

Der Wolf ist ein fleischfressendes Wildtier, das in den Alpen in den 1920er-Jahren ausgerottet worden war und zur Zeit von alleine in die Zentralalpen zurückkehrt. Diese spontane Rückkehr des Wolfes in unsere Gebirgstäler erfolgt sowohl vom Westen als auch vom Osten her. Die Wiederbesiedlung der Zentralalpen durch den Opportunisten  und Anpassungsstrategen Wolf wird von verschiedenen Faktoren begünstigt:

Das Auflassen der Berglandwirtschaft in Extremlagen der Alpen führt zur Verbuschung, Wiederbewaldung und Verwilderung der Landschaft.  Die vom Menschen verlassenen und vormals bewirtschafteten Flächen werden mancherorts auch als „alpine Brache“ bezeichnet. Diese Landstriche stellen geeignete Lebensräume für den scheuen Wolf dar, die er zunehmend wieder besetzt. Eine weitere Erklärung für die Rückkehr  des Wolfes in die Zentralalpen liegt in der Sozialstruktur des Wolfsrudels selbst: In der Wolfsfamilie, die mehrere Generationen umfasst, gilt eine strenge hierarchische Ordnung. Nur die Leitwölfin und der Leitwolf, als Alpha-Paar bezeichnet, pflanzen sich fort. Jungwölfe der vorigen Würfe müssen sich im Rudel unterordnen oder auf der Suche nach neuen Territorien das Rudel verlassen.  Die Rangordnung im Wolfsrudel fördert und verstärkt somit die Ausbreitungstendenz der Art. Hinzu kommt noch, dass der Wolf ein Anpassungs- und Überlebenskünstler ist. Er kann lange Hungerphasen überstehen und sich flexibel an das jeweilige Nahrungsangebot und Beutespektrum anpassen. Alle diese Eigenschaften sind Voraussetzungen, die den Wolf relativ schnell in neue Lebensräume vordringen lassen. Das ursprüngliche Verbreitungsareal des Wolfes im Holozän (dem Zeitalter der Nacheiszeit vor ca. 11.000 Jahren) umfasste den gesamten europäischen Kontinent und Nordamerika.

Der Wolf in Europa
4N00650Der Bestand des Wolfes in Europa wird derzeit auf ca. 10.000 Individuen geschätzt. Größere Bestände des Europäischen Wolfes (Canis lupus lupus) gibt es dabei in der dinarisch-balkanischen Population (ca. 3.900 Exemplare) und in den Karpaten (ca. 3.000 Wölfe), während die iberische Population in Spanien auf 2.200 -2.500 Individuen geschätzt wird.
Im italienischen Apenninengebirge ist der Wolf nie ganz ausgestorben. Dort gibt es die Unterart des italienischen Wolfes (Canis lupus italicus). Der Wolf-Bestand in den Apenninen wird heute auf 1.400 Tiere geschätzt. Aus Bastardierung mit verwilderten Haushunden werden zunehmend Fälle der Veränderung des genetischen Erbgutes des Italien-Wolfes dokumentiert.

Wieviel Wölfe gibt es in den Alpen?
Der Wolf-Bestand in den Zentralalpen wird von den Experten auf derzeit ca. 120 Individuen geschätzt.  Wie die Paarbildung und der Wurf im Jahre 2014 in den Lessinischen Alpen (an der Grenze der Provinzen Trient und Verona) belegt, begegnen sich in den Zentralalpen die sogenannten „Westwölfe“ und „Ostwölfe“. Die Westwölfe sind Wölfe aus dem italienischen Apennin, welche über die französischen und italienischen Westalpen in die Zentralalpen einwandern. Die Ostwölfe  stammen hingegen  aus der dinarisch-balkanischen Population, welche über Slowenien und Österreich in die Zentralalpen kommen.
Dem letzten und aktuellsten Bericht der Fachgruppe „Wolf Alpine Group“, welche die Wolf-Experten aller Alpenländer vereint, ist zu entnehmen, dass für das abgelaufene Jahr 2015 im italienischen Teil des Alpenbogens 22 sich reproduzierende Wolfsrudel bekannt sind: 17 im Piemont, 3 im Grenzgebiet zwischen den Regionen Piemont und Ligurien, 1 Rudel zwischen Piemont und Aosta und 1 Rudel im Trentino.  Dabei wird das Wolfrudel im Trentino aus dem Alpha-Paar einer Apenninen-Wölfin und dem Rüden „Slavko“ gebildet, einem in Slowenien mit Halsbandsender ausgestatteten Ostwolf. Dieses Paar hat 2014 den ersten Wurf in den bereits oben erwähnten Lessinischen Alpen erbracht.  Der Wurf ist mittels Fotofallen fotodokumentiert.
In der nordwestlichen Umgebung Südtirols ist das Rudel „Calanda“ bei Chur im Kanton Graubünden bekannt, welches ebenfalls auf einen ersten Wurf 2014 zurückgeht.
Im Vinschgau konnte im März 2014 aus dem Rissbild ein Riss von Rotwild bei Kastelbell  dem Wolf zugeordnet werden. Die stabile Anwesenheit eines Einzelwolfes am Grenzkamm zwischen Ulten und Deutschnonsberg seit nunmehr einigen Jahren ist bekannt und mehrfach dokumentiert worden.

Die Erhebung der Almen im Westen Südtirols
247B2Wie oben ausgeführt, sind Einzelwölfe in Südtirol schon eingewandert. Die Paar- und Rudelbildung  ist nicht eine Frage des Ob, sondern des Wann. Derzeit erheben wir in der Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Landesamt für Jagd und Fischerei und dem Nationalpark Stilfserjoch mit der Schweizer Forschungs- und Beratungsstelle für Landwirtschaft Agridea alle Almen im Burggrafenamt und im Vinschgau. Bei dieser Erhebung werden unter anderem die Bewirtschaftungsformen, die Almgrößen und Weideflächen, die Arten und Stückzahlen  der gealpten Haustiere erhoben. Ziel der Erhebung ist, aus den Ergebnissen Vorschläge zu erarbeiten, welche Vorbeugemaßnahmen in der jeweiligen Almsituation gesetzt werden können, um zukünftig Wolfattacken und Bärenangriffe auf gesömmerte Weidetiere möglichst zu vermeiden und zu vermindern.

Ist der Wolf für den Menschen gefährlich?
In historischer Vergangenheit waren Angriffe von Wölfen auf Menschen in ländlichen und Berggebieten dokumentiert worden. Ein Großteil dieser  Wolfattacken auf Menschen war auf den Tollwutbefall der Wölfe zurückzuführen. Die Tollwut ist in Italien aber in den Jahren zwischen 1997 und 2008 nicht mehr dokumentiert worden. Nach einzelnen Fällen von Tollwut, welche in den Jahren 2008 – 2011 und eingegrenzt auf Gebiete Nordost-Italiens belegt wurden, gilt Italien heute als Tollwut freies Gebiet. Die offizielle Erklärung als Tollwut freies Gebiet gemäß den Kriterien der Internationalen Organisation für die Tiergesundheit wurde dank einer Impfkampagne bei Füchsen und dank anderer Maßnahmen erreicht, nachdem der letzte nachgewiesene Fall von Tollwut vom 14. Februar 2011 mehr als zwei Jahre zurückliegt. Die Wahrscheinlichkeit, heute von einem tollwütigen Wolf als Mensch angegriffen zu werden, ist daher faktisch nicht mehr gegeben.
Heute so wie früher ist der Wolf ein opportunistischer und intelligenter Beutegreifer: Der Mensch gehört nicht zur möglichen Beute des Wolfes. Der Wolf identifiziert den Menschen als eine Bedrohung für sich, aus der es sich so schnell als möglich zurückzuziehen gilt. In der heutigen Situation mit ausreichendem Beuteangebot aus der Natur und im Kontext der heutigen ökologischen und sozialen Gegebenheiten gehören Attacken auf schwierige und potentiell für ihn gefährliche Ziele wie Menschen nicht zu den Strategien des intelligenten Fleischfressers Wolf. In Italien sind seit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges keine Angriffe von Wölfen auf Menschen mehr zu verzeichnen gewesen.

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