Jacques Guidon, der Name klingt französisch, seine Vorfahren waren protestantische Pastoren. Er selbst wurde 1931 in Zernez geboren. Dort ist er verwurzelt, dort lebt er mit seiner Familie, arbeitet als Künstler, Dichter,Theaterautor, als wachsamer Kritiker. Er ist kundig in Dingen der Heimat und Bewahrer der rätoromanischen Sprache, die er lebendig erhalten will. Jacques Guidon ist ein wichtiger Nachbar.
Zernez liegt auf der Schnittstelle zwischen Ober- und Unterengadin, ist vom Vinschgau aus am schönsten und schnellsten über das Münstertal und den Ofenpass erreichbar, mit dem Autobus von Mals über Glurns, Taufers, Müstair, Santa Maria, Valchava ... Dort wollen wir Halt machen, im schönen Heimatmuseum, in dem der Jacques besonders daheim ist. Dort bietet eine große Ausstellung Einblick in das Lebenswerk des Künstlers. Das 2005 erschienene Buch „Jacques Guidon“ enthält neben dem reichen Bildwerk Textbeiträge von Peter André Bloch, Iso Camartin und Beat Stutzer. Bedeutende Kunstexperten schreiben also über ihn, in großen Galerien stehen seine Arbeiten, sonst ergeht es ihm wie dem Propheten, der im eigenen Land nichts gilt. Oder nur wenig. Das hängt auch damit zusammen, dass er immer auch ein Mahner war, so als Herausgeber der streitbaren Zeitschrift Die Distel/ Il Cadrun.
„In dieser Rolle wurde der Kämpfer von Zernez zur Legende, zur Vaterfigur vieler Idealisten...“ so beschreibt Bloch diese Künstlerpersönlichkeit, die wir im Museum von Valchava erleben dürfen.Von der rußgeschwärzten Küche, von der Stube mit dem Fenstererker, vom Keller bis in den Dachboden wurden die meist großformatigen Leinwände gehängt, oft nur hingelegt. Sie lehnen sich an gewaltige Eisenwerkzeuge, an Ambosse und andere Werkzeuge einer alten Schmiede. Sie ruhen neben der gewaltigen Anlage eines Wasserhammers, kommunizieren mit dem Räderwerk alter Kirchenuhren. Das Ineinandergreifen der Zahnräder lässt an den Vorgang des Malens denken. Die Leinwand als Ziffernblatt, Farben zucken als Zeiger. Zeit wird sichtbar, die Verwandlung der Welt in Technik. Das alte, pulsierende Handwerk ist hier noch versammelt. Überall erkennen wir die Nähe zur Arbeits- und Lebenskultur im benachbarten Vinschgau. Dann ein breites Gebärbett für die Wöchnerin. „Wenn nicht gerade geboren wurde, schliefen hier drei Kinder der Großfamilie“, erklärt die Leiterin des Museums, Frau Inge Plaschke. „Hölzerne Schären verhinderten das Herausfallen der Federbetten, mit denen die kleinen Schläfer gewärmt wurden“. Überall Symbole für neues Leben, für Befruchtung und Erfüllung; dies gilt auch für die erzählenden Bilder von Jacques Guidon.
Das Museum Chasa Jaura Valchava ist natürlich nur vorübergehender Ausstellungsort dieser farbigen, meist 100 x120 cm großen Leinwände. Wir folgen den Bildern von Raum zu Raum wie auf einer Pilgerfahrt. Es ist ein Besinnungsweg.
Das passt gut für den Nachfahren von protestantischen Pastoren. Biblische Sprüche und Lebensweisheiten wurden früher meist auf Hausmauern in Sgrafittotechnik ausgeführt. Jacques hat sich für seine Verkündigung ein neues Medium gesucht. Es sind Predigten in Farbe.
Hans Wielander