Hubschrauber und Philosophie
Beim Nachdenken über Dinge des Alltags brauchen wir Abstand. Wir müssen abheben, die Welt von oben betrachten, gewissermaßen aus der Sicht des Hubschraubers. Womit wir beim Jakob Tappeiner landen. Seine Bildbänden erfassen mit Adlerblicken das ganze Land. Er hat den Götterblick, besser gesagt, den Blick der schwebenden Taube, wie uns Bilder von der Taufe Jesu anschaulich zeigen.
Vorausgesetzt unser Planet wäre in ferner Zukunft durch menschliches Verschulden entvölkert und würde von Außerirdischen besucht. Sie interessieren sich für alles, für Religion,Technik, Politik und suchen in den Überresten, finden vielleicht ein Bild unseres Flugfotografen und versuchen eine Deutung: Die Rotorblätter des Hubschraubers werden zu Flügeln, wie beim Heiligen Geist, der über dem Jordan schwebt; die mächtige Linsenkamera wird zum alles überblickenden Auge Gottes.
Der mit seinem Hubschrauber allgegenwärtige Fotograf bestätigt das Wort Nietzsches, wonach der Mensch ein Prothesengott ist.
Aber zurück in unsere Welt, zu Georg Tappeiner, der die Tradition seines Vaters mit Flugaufnahmen fortsetzt und mit dem neuen Buch über das Weltnaturerbe Dolomiten einiges Aufsehen erregt hat. Der großformatige Bildband, erschienen im Tappeiner Verlag Lana, erlaubt regelrechtes „Begreifen“ der berühmten Berge. Sie sind schon längst zu Begriffen, zu „Ideen“ geworden. Sie werden neu durchleuchtet, neu befragt und vor uns ausgebreitet. Viele Mitautoren, deren Texte die verschiedenen Schichten aufblättern helfen: Reinhold Messner, Ulrich Ladurner, Ursula Demeter, Raoul Schrott, um nur einige zu nennen. Also Bergsteiger, Schreiber, Philosophen, eine historisch-geologisch-fotografische Dolomitentour, ein Lobpreis der Schöpfung, sicher, aber auch eine Mahnung.
Eine Kunstphilosophie, ein Lobpreis der bedeutendsten Kunstdenkmäler Südtirols: „Wege zur Kunst“, ein neues Buch von Sebastian Marseiler. Ein handliches Sachbuch, Athesia Verlag Bozen. Es wurde auf Schloss Tirol vorgestellt, wobei die Frage auftauchte, wie viel Raum in diesem Buch der Kunst im Vinschgau gewidmet wurde; der Sebastian verwies auf die Ausgewogenheit in Auswahl und Darstellung.
Der Blick aus dem Rittersaal von Schloss Tirol in Richtung Vinschgau, zur Laaser Spitze, ließ eine weitere Frage auftauchen: Warum nicht ein eigener Kunstführer für den Vinschgau? Angeregtes Diskutieren im Schlosshof, so als würde von hier aus immer noch große Politik betrieben. In kulturellen Dingen gilt das auch heute noch.
Heilkräuter und Marienkapelle
Aber jetzt zu kleineren Dingen, zu den Heilkräutern. Zuerst Einkehr im Gasthaus zu Füßen des Schlosses Juval, Vortrag von Johannes Perting über Wirkung, Nutzen und Gefahren dieser Naturgaben, anschließend Führung über den Waal nach Tschars.
Vorher entstand ein Gruppenbild: Der universal kreative Jul Bruno Laner mit Bart, so bekannt, dass jegliche Erklärung seine Ausstrahlung mindern würde; über ihm Johannes Perting, Organisator der Exkursion, Apotheker aus Mals, Denkmalschützer, Buchautor, Kunstförderer, Begründer des erfolgreichen Provinz Verlages und natürlich hilfreich in Gesundheitsfragen der oft komplizierten Obervintschger. (Wie man sieht, schreibe ich Vintschger mit dem Buchstaben t, gewissermaßen als homöo-pathischen Beitrag für das obervintschgerische Selbstbewusstsein.) Dann weiter auf dem Gruppenbild: Ilse Wunderer, Managerin des Kuratoriums Burgruine Lichtenberg; daneben Hans Wielander, Herausgeber der Schriftreihe ARUNDA, zuständig für die Kulturbeiträge im Vinschger Wind. Etwas schwerhörig lauscht er den Ausführungen der Autorin Edith Schneider-Fürchau. Von ihr stammt das Taschenbuch „Bergblumenparadies Vinschgau“, erschienen im Provinz Verlag. Neu ist ihr Werk „Als Alpenblumen noch Märchenwesen waren“, erschienen im Echino-Merdia Verlag, Untere Zense in Thüringen.
Und nun - zur Erholung von so viel Büchern - zu einem kleinen Fest unter Nachbarn in der Vogelsanggasse von Schlanders. Dort steht eine Marienkapelle, die von Roman Wielander liebevoll restauriert wurde. Zur Einweihung wurden die Nachbarn geladen, viel Familie: Manuela, Franziska und Fani Nollet, Simon, Alexander, Erhard. Es handelt sich um eine dreiteilige Lourdes-Grotten-Kapelle, die wahrscheinlich um das Jahr 1900 über einer älteren, vollständig verschütteten Vorgängerkapelle errichtet wurde.
Pater Maximilian Frank erteilte nicht nur den Segen, er vermittelte vor allem heitere Gelassenheit, eine Gabe, die sehr selten geworden ist.
Hans Wielander
Bezirkszeitung Vinschgerwind, Vinschgau