„Si hat a poor Reiche kriagt, ober si hot in Ormen gnummen“, so wurde gemunkelt. Denn der Gasthof „Hanswirt“ war nach dem Brand im März 1947 nur notdürftig bewohnbar und keine gute Partie. Das Paar ließ sich nicht beirren und zog nach der Hochzeit 1950 in das rußige, schlecht beheizbare Haus. „I hon in a Ruine inni gheiratet, ober di Liab isch stärker gweesn”, sagt sie.
Luisa wuchs mit neun Geschwistern auf dem Fallrohr-Hof“ bei Naturns auf. An ihre Italienisch-Lehrerin aus Turin erinnert sie sich gerne. „Si isch gonz a feine gweesn“, schwärmt sie. Gerne hätte Luisa die schicke Uniform der „Piccole Italiane“ getragen, das blaue Plissee-Röckchen mit weißer Bluse und blauer Masche. Doch die Eltern, die für Deutschland optiert hatten, verwehrten ihr die fünf Lire für das dafür notwendige „Faschistenkartl“. Fünf Lire waren damals viel Geld. Ein Arbeiter verdiente eine Lira am Tag. Die Lehrerin bot sich an, ihr das „Kartl“ zu bezahlen, wenn sie dafür eine Henne bekäme. Doch die Mutter verweigerte auch die Henne. Nach 1939 zogen die älteren Brüder für Hitler in den Krieg. Luisa unterstützte ihren Vater daheim und erledigte manch schwere Männerarbeit. Belastender als jede Anstrengung war die Sorge um die Brüder. Einer kehrte nicht mehr von der Front zurück. „Dr Konrad isch vermisst bleibm“, so Luisa. Trotz aller Traurigkeit schaute sie nach vorne. Sie liebte die geselligen Treffen nach dem Krieg auf „Pardell“, wo sie zu den Grammophon-Klängen tanzen lernte. Und sie liebte Sommerfeste, wie jenes bei dem sie ihren Mann traf.
Das junge Paar war sich sehr verbunden und bestritt den Lebensunterhalt mit der Landwirtschaft, die zum „Hanswirt“ gehörte. Der Gasthof als solcherblieb vorerst geschlossen und wurde nach und nach mit Hilfe von Krediten renoviert. Jedes Jahr lag ein neugeborenes Kind in der Wiege. „In zehn Johr hon i ocht Kinder kopp“, sagt Luisa. Sie und ihr Mann freuten sich über jedes Kleine. 1960 stand das Paar vor der Entscheidung, das Vorrecht zur Inbetriebnahme des Gasthofes zu nutzen oder ganz darauf zu verzichten. Denn andere Interessierte drängten auf die Lizenz. Luisa war skeptisch, ließ sich aber von ihrem Mann überreden und nahm die neuen Herausforderung an. „Unt asou weart ma Wirtin“, sagt sie. „Obr i hon Ongscht kopp“. Sofort besuchte sie Kochkurse. Am 16. April 1962 öffnete der „Hanswirt“. Luisa stand am Herd im ersten Stock und ihr Blick fiel auf die vielen Menschen in unmittelbarer Nähe. „Hoffentlich welln dia nit olle do essen“, dachte sie. Mit Hilfe einer Köchin meisterte sie den Ansturm und erhielt viel Lob. Das baute sie auf. Schon bald entwickelte sich der „Hanswirt“ zu einer Top-Adresse für vorzügliches Essen. Begehrt war vor allem die „Schlachtplatte“ mit Produkten aus der eigenen Landwirtschaft. Unterstützung erhielt Luisa stets von ihren Kindern und ihrem Mann. Alles lief reibungslos, bis sich bei Hans Herzbeschwerden bemerkbar machten. „Deis isch a Nochwirkung fan Kriag gweesn“, erklärt sie. Nach zwei Herzinfarkten starb ihr Mann im Alter von 64 Jahren. Den Verlust war schwer zu verkraften. In seinem Sinne machte sie weiter. 1972 begleitete sie die Umbauarbeiten und die Errichtung eines größeren Speisesaales. Sie war als Organisatorin in der Küche zentrale Ansprechpartnerin, bis anfangs der 1990er Jahr alles anders wurde.
Kurz hintereinander verlor sie zwei ihrer Liebsten durch tragische Unfälle. Die kleine Enkelin erstickte an einem Erdnüsschen und der 18-jährige Enkel starb bei einem Verkehrsunfall. Und damit nicht genug, kurz darauf erlitt Luisa einen Schlaganfall, der sie halbseitig lähmte. „Norr hon i gmiaßt kürzer treten“, sagt sie. Willensstark kämpfte sie sich ins Leben zurück und gab von nun an ihren eigenen Bedürfnisse mehr Raum. Sie schloss sich dem Seniorenclub an, pflegte Freundschaften, ging auf Reisen... „Gott sei Donk hon i deis olz toun, heint hon i scheane Erinnerungen“, erklärt sie. Diese Erinnerungen an ferne Länder frischt sie beim Lesen auf. Denn Lesen ist neben dem Stricken heute ihr schönster Zeitvertreib.
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