Fliri genießt seinen Ruhestand. Der Stall- und Feldarbeit trauert er nicht nach. Er liebt es unter die Leute zu gehen und kehrt gerne in einem der Gasthäuser im Ortskern ein. Prad war für ihn seit jeher ein Anziehungspunkt. In seinen Jugendjahren vergnügte er sich dort gerne mit Freunden. „Scheane Madlan sein schun a drbei gweesn“, scherzt er. Auch als Bauer am Lichtenberger Berg zog es ihn oft nach Prad.
Fliri war der älteste Bub von sechs Kindern. Harte Arbeit bestimmte sein Leben von klein auf. Der Schulbesuch in der Bergschule, wo er in Italienisch unterrichtet wurde, und die Kirchgänge ins Dorf zählten gewissermaßen zu seinen Auszeiten, auch wenn er lange Fußmärsche zurücklegen musste. Pflichttermine waren die täglichen „Rorate“ um fünf Uhr in der Früh. „S’ Aufstean isch selm zach gweesn“, meint er. Nach dem Pflichtschulabschluss wurde er in „den Dienst“ geschickt. Er arbeitete bei Bauern in Glurns, in Vetzan, in Partschins und Lana. Als guter Fütterer war er bei seinen Dienstherren beliebt. Den Lohn gab er dem Vater. Dieser holte Fliri schließlich nach Hause, weil er dessen Arbeitskraft brauchte. Dann brach der Krieg aus und für Fliri war klar, dass er als Optantensohn mit der Einberufung zum deutschen Heer rechnen musste. 1944 war es soweit. Er wurde der „SS-Polizei-Wehr-und Wachdienst-Regiment Schlanders“ zugeteilt. Nach der Ausbildung kam er nach Belluno, wo er die Partisanen bekämpfen sollte. „Tog unt Nocht hoobmer gwocht, um nit überrennt z wearn“, sagt er und stellt klar: „I hon obr nia an Mensch drschossn.“ Bei Kriegsende im Mai 1945 lösten sich die Einheiten auf. Fliri ergriff mit zwei Kameraden die Flucht. Sie hatten die Partisanen im Nacken. Schutz fanden sie auf einem Bauernhof, wo sie Zivilkleider erhielten. Acht Tage lang war er zufuß unterwegs bis er Lichtenberg erreichte. Nach aufreibenden bürokratischen Rennereien erhielt er schließlich den Entlassungsschein. Und schon kurz darauf flatterte die Einberufung zum italienischen Militär für ihn und seinen Bruder ins Haus. Beide bemühten sich um die Befreiung. Sein Bruder musste einrücken. Fliri erhielt den „Concedo“. Er genoss die neue Freiheit in Frieden, die bäuerlichen Feste und das Kokettieren mit den Mädchen. „Miar sein mea afn Lond gongan unt zfuaß af Prod“, erzählt er. Als 27-Jähriger lebenslustiger Jungeselle übernahm er den Hof. Schon bald darauf schaute er sich nach einer Frau um. Dabei sprach der Vater ein gewichtiges Wort mit. Maria Telser aus Tanas erwies sich für Fliri und seinen Vater als die Richtige. „Amearsch isch olm kupplt gwortn. Dr Voter hot di Frau ausgsuacht unt i hon si norr meign gmiaßt“, scherzt er. Die Hochzeit wurde groß gefeiert, mit einem Festessen in Prad. Maria schenkte ihm sieben Töchter und unterstützte ihn wo sie konnte. „Di Liab isch schun do gweesn. Mit mai Frau hon i olm guat gschoffn“, betont er. Um ein Zubrot zu verdienen, schmuggelte Fliri in langen nächtlichen Fußmärschen Zigaretten von Müstair nach Lichtenberg. Auftraggeber waren Händler aus Norditalien. Das eine und andere Päckchen verkaufte er selbst. Einmal kam es zu einer Razzia auf dem Hof, die aber ohne Ergebnis blieb. „Di Finanzer hoobm nix gfundn. S Zuig isch in Wold gweesn“, erklärt er. Fliris Freizeit war eng bemessen. Nur Sonntags gönnte er sich ein Kartenspiel beim „Wirt“.
Die Jahre vergingen, die Töchter heiratete, und zogen aus. Ein Enkel zeigte Interesse am Hof und Fliri überschrieb ihm seinen Besitz. „Norr ischas los gongan ...deis sein schun Sochn geweesn...“, meint er leicht verschämt. Dem Enkel wurde die Arbeit zuviel und er schickte sich an, den Hof zuverkaufen. Um 15 Millionen Lire kaufte Fliri „seinen Hof“ wieder zurück. Er übergab den Hof schließlich einer Tochter. Heute bewirtschaftet ihn ein Schiegersohn.
Schwer traf Fliri der Tod seiner Frau und noch schwerer der Freitod seiner zwei Töchter. „Deis tuat fescht wea. Selm hon i lei mea greart“, sagt er und Tränen schimmern in seinen Augen. Nach seelischen Tiefs ist Fliri immer wieder aufgestanden. Sein lebensbejahender Humor hat ihm dabei geholfen. Und geholfen hat ihm auch die Burgl. Sie in ihrer Wohnung zu besuchen, mit ihr dort zu essen, zu „ratschen“, in die Kirche zu gehen..., das alles baut ihn auf, wirkt wie ein Jungbrunnen.
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