Dienstag, 07 Juli 2015 00:00

Bischof und Altar

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

Kastelberll pfarrkirche modellDie Brixner Pfarrkirche wird zur Zeit gründlich restauriert; neu gestaltet wird dabei auch der Chorraum, der Bereich um den Hauptaltar. Und schon gibt es Streit mit dem Bischof Ivo Muser, der mit der geplanten Anordnung nicht einverstanden ist. Das vom Gadertaler Künstler Lois Anvidalfarei entworfene und vom Pfarrrat erarbeitete und einstimmig gebilligte Konzept wurde abgelehnt. Der Bischof wehrt sich gegen das für den Wortgottesdienst entworfene „demokratische“ Konzept und fordert für Chorstühle und Ambo die zentrale Ausrichtung auf den Altar.


Dieser Konflikt erinnert an die lebhaften Auseinandersetzungen um den Volksaltar im Bozner Dom. Damals ging es um das Werk des Bozner Dom AltarLaaser Künstlers Michael Höllrigl, der im gotisch-barocken Umfeld eine überzeugende Lösung für den Altar finden musste. Entstanden ist ein „mystisch verklärter Opferstein, geschnitten aus mediterran lichtem Marmor, monumental, aber Maße respektierend, zum Raum gewissenhaft proportioniert, in Ehrfurcht vor den Formen der Vergangenheit, einen oberflächlichen Bezug zu ihnen vemeidend.“ So beschreibt Norbert Florineth 1977 den Bozner Volksaltar in der ARUNDA. Als weitere Erklärung meint Höllrigl: Aus lose in der Wüste zusammen gefügten Steinen entstand der erste Opfertisch und damit die Urform des Altars.
Dem Bischof hat der Bezug zum Alten Testament gefallen. Joseph Gargitter (1917-1991) überging die gegnerischen Argumente vieler Bozner Bürger, bekannte sich schützend zur „modernen“ Formgebung und hat sie ausdrücklich gut geheißen.
Mosaik kastelbellEbenso gefallen hat ihm die Kastelbeller Pfarrkirche, ein Werk der Bozner Architekten Abram und Schnabl. Bei der feierlichen Einweihung im Jahr 1974 hat Gargitter die Gläubigen für ihre neue Kirche gelobt. Gar nicht zur Freude der Gemeinde... zumindest des Großteils. Dieser modische Bau wollte gar nicht gefallen. Da war allerhand auszusetzen, die Wände waren so kahl, die Kirchenfenster könnten aus einer Fabrikshalle stammen und nichts vermittle den Reichtum der christlichen Botschaft. Keine Marienbilder oder andere Heilige.
Wer war eigentlich dieser heilige Andreas? Sicherlich wurde die Vita und die Vorbildfunktion des Heiligen erwähnt und erklärt, aber überzeugend war das kaum und das mächtige Andreaskreuz, das als stählerne Dachkonstruktion den Sakralraum beherrscht, half da auch nicht weiter. Andreas war der Bruder des Apostels Petrus und wird vor allem in der Ostkirche, in Byzanz verehrt, wo er eine ähnlich Stellung einnimmt wie Petrus in Rom. Er ist Patron von Russland, Griechenland und Schottland, auch des Ordens vom Goldenen Vlies; durch die europäischen Verbindungen der Habsburger erscheint das Andreaskreuz häufig auf tirolischen Wappen. Die Kirche von Kastelbell gehört zu den wichtigen Sakralbauten, die unter dem strengen, allen religiösen Firlefanz meidenden Bischof Gargitter entstanden sind.
Jetzt stehen wir aber im Kirchenraum mit dem gewaltigen, schrägbalkigen Andreaskreuz, das früher wegen der X-Form als Abkürzung des Namens Christi verehrt wurde. Durch die Oberlichtfenster schauen wir auf den Sonnenberg, der in den Kirchenraum hereingezogen wird. Wir bleiben hängen am vielen Gold, das von den Wänden leuchtet, glänzt... überall Mosaikarbeiten. Im Vergleich zur hier gezeigten Fülle verblassen Aquileia und Ravenna. Aber nicht nur die Wände P1010067prunken mit güldenen und farbigen Heiligen, die Mosaikflut erfasst auch den Altar, das Ambo, die Treppen, die Altarstufen und ergießt sich gnadenlos auf die zwölf Stationen und schließlich auf alle Wände. Der Michael Höllrigl, der mit viel Liebe und Augenmaß die strengen Formen aus südländischem Travertin entwickelte (lapis tiburtinus, Stein aus Tivoli, sagt er genüsslich!), hat seit der Verhunzung seines Altars durch billiges Mosaikmaterial die Kirche nicht mehr betreten.
Wir aber, mein Begleiter und ich, wir lassen uns die Wirkung dieses Raumes nicht durch Nebensächliches verderben. Der Raum ist so stark und die Idee des Andreaskreuzes so überzeugend, dass sich für einen Moment der Geist des gestrengen Bischofs Gargitter zu uns gesellt und mit uns zu beten beginnt.
Hans Wielander

{jcomments on}


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 2509 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.