Die Urkunden, die Ehrungen, die Auszeichnungen und die Medaillen, die in seinem Wohnzimmer hängen, haben sich über die Jahre zusammengeläppert, aber wieviele es sind, das wisse er nicht. Die Stimme ist klar, sein Händedruck stark: Im August wird der Seniorchef des Bettenhauses Graber 85 Jahre alt. Das Langzeitgedächtnis, das funktioniere tadellos, sagt er, nur das Kurzeitgedächtnis fuchse ihn manchmal. „So laft holt die Musi“, lacht er und rauft sich seine verbliebenen Haare.
Der Vinschgau ist Hans Graber ein Stück Heimat geworden. 1930 wurde er als Spross eines Metzgers in Kiens geboren. Als er zehn Jahre alt war, wanderte die Familie Graber nach Großarl im Pongau aus und kam bei einer Tante unter. Erst mit 17 Jahren durfte er seinem innigsten Wunsch, einen Beruf zu erlernen, nachgehen. Vier Jahre lang musste er für den Doppelberuf Sattler und Tapezierer lernen, auf Stör gehen, Geschirr bei Bauern flicken, annehmen, was anfiel. Mit Naturalien wurde bezahlt, „das Essen war damals das Wichtigste und nicht das Geld“, sagt er und schüttelt den Kopf: Wie sich doch die Zeiten ändern. 5 Schilling in der Stunde verdiente er damals im Jahr 1952, umgerechnet sind das 25 Cent pro Stunde. Mitte der 50er Jahre kehrte er nach Südtirol zurück, wollte sich selbstständig machen, kam bis nach Lana. Schlanders riet man ihm für sein Vorhaben an. Schlanders? Hans Graber kannte weder Ort noch Leute, wollte beides eines schönen Sonntag Nachmittags mit seinem Radl erkunden. Bis nach Tschars sei er gekommen und habe dann vor Einbruch der Dunkelheit umkehren müssen. Für seinen zweiten Anlauf nahm er den Zug.
Damals, erzählt Hans Graber sei es üblich gewesen den Bürgermeister anzuschreiben, wenn man sich niederlassen wollte. Keine Antwort habe er vom Schlanderser Bürgermeister bekommen. Daraufhin sprach er persönlich beim alten Benedikter vor. Du bleib nur draußen in Österreich, habe der ihm gesagt, wir haben schon zwei Tapezierer und Sattler hier. Unbeirrt davon, suchte Hans Graber nach einem Quartier. Am 6. März 1955 mietete er von Leo Bachmann eine Garage in der Gerichtsstraße 57, dort, wo der Schlosshof steht, ohne Fenster, ohne Einrichtung: Das waren die Anfänge der heutigen Firma Graber. Jahre später sollte der heutige Seniorchef Aufträge von Parma bis nach Frankfurt haben. Und der Privatmensch? Der heiratete Dominka Lechthaler aus Schlanders. „Um 6 Uhr in der Früh hat uns der Dekan zusammengegeben“, lacht er. Ohne Gäste, ohne Mahl. Dazu fehlte schlicht und einfach das Geld.
Dass er Hauptmann der Schützenkompanie Schlanders war, brachte Hans Graber in den 60er Jahren gleich drei Hausdurchsuchungen ein. In den sogenannten Bombenjahren stand er als Hauptmann der Schützen sozusagen unter Generalverdacht. Um halb eins Uhr in der Früh habe man sein Haus umstellt gehabt und nach Sprengstoff und Waffen gesucht. „Sogar einen Spürhund hatten sie dabei“, erzählt er. Es dauerte nicht lange und der Hund nahm eine Spur im Haus auf, rannte bis auf den Dachboden. Vier Carabinieri folgten ihm. Erfolgssicher. Doch der Erfolg blieb aus. Denn im Dachboden hatte sich eine Katze mit ihren Jungen versteckt gehabt. Hans Graber muss noch heute lachen über die Episode. Noch zwei weitere Hausdurchsuchungen sollten folgen. Beide blieben ohne Erfolg.
Bereits vor vielen Jahren trat der Seniorchef des Bettenhauses Graber das Unternehmen an seinen Sohn Herbert ab. Er leitet das Unternehmen erfolgreich bis heute. Dank einem Wunder, sagt Hans Graber. Es war ein Wunder damals im Jahr 2000 als Herbert nach der Diagnose Kopftumor wieder genas. Die Zeit des Wartens, des Kämpfens, der Unsicherheit, ja, das war die schlimmste Zeit für die Familie und für Vater Hans. Mittlerweile ist bereits Enkel Thomas eingestiegen und leitet selbst ein erfolgreiches Unternehmen.
Dass er in der Schlanderser Gemeindestube fehle, wird Hans Graber immer wieder gesagt. Wieviele Bürgermeister hab ich eigentlich überlebt?, fragt er stirnrunzelnd. Vier waren’s. Ja vier, in den 10 Jahren, in denen er für die SVP im Ausschuss saß und später, in den 15 Jahren, in denen er den Oppositionston angab. Die Augen blitzen, wenn von Politik die Rede geht. Seine ehrliche und unverblümte Art haben ihm nicht immer Ruhm und Ehre eingebracht. Dafür viel Erfahrung. Mitwirken hat er immer wollen, im Abseits stehen, das war nicht seine Art. Als er nach zehn Jahren bei der SVP nicht mehr erwünscht war – da ging er zur Opposition. Mit dem Alfons Benedikter habe er sich immer schon gut verstanden, sagt er und als dieser dann mit Eva Klotz die Union für Südtirol gründete, da lag es auf der Hand, dass der volkstumspolitische Hans Graber der heimatbetonten Partei beitrat. Wenig später saß er in der Schlanderser Gemeindestube auf der Oppositionsbank und es sollte keine Gemeinderatssitzung mehr geben, ohne eine Anfrage oder einen Beschlussantrag von ihm. Stundenlang studierte er Unterlagen, ging nie unvorbereitet in eine Sitzung. „Die Opposition“, ist Hans Graber überzeugt, „hat nur die Aufgabe Macht zu kontrollieren.“ Nicht mehr und nicht weniger. „So laft holt die Musi“, sagt Hans Graber und rauft sich die Haare. Und das durchfurchte Gesicht – so scheint’s - strahlt mit Urkunden, Medaillen und Auszeichnungen um die Wette.
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