Verena Rinner: Das ist sehr schnell über die Bühne gegangen. Es war nicht vorhersehbar, dass das Oberschulzentrum Schlanders frei wird. Im Mai 2014 war nur der Schulsprengel Schluderns frei. Ich hatte zwar im Schulamt deponiert, dass ich gerne nach Schlanders zurückkommen möchte, wo ich lange Zeit als Lehrerin tätig war, doch dass dies so schnell gehen würde... Der Schulamtsleiter hat dann Ende Juni angerufen und mitgeteilt, dass das Oberschulzentrum frei werde und ich dorthin gehen könne. Er hat mir einen Tag zum Überlegen gegeben. Meine Entscheidung war dann eine Kopfentscheidung, da ich in den fünf Jahren in Prad doch einige sehr gute Beziehungen aufgebaut hatte und mir das Weggehen nicht leicht fiel.
Sie haben in Schlanders drei Schulstellen mit vier Schultypen vorgefunden: die technologische Fachoberschule, die wirtschaftliche Fachoberschule, das Realgymnasium und das Sprachengymnasium. Ein knappes Jahr haben Sie als Direktorin diese Schultypen unter einen Hut bringen müssen. Ist das gelungen?
Ich habe mich im vergangenen Sommer eingelesen und versucht mich vorzubereiten, was da auf mich zukommt. Ich bin selber Absolventin des Realgymnasiums Schlanders, da war es allerdings noch eine eigene Schule mit eigenem Direktor. Klar ist, dass die Schulen zu einer Direktion vom Schulamt zusammengelegt worden sind. Das war vor Ort wohl nicht von allen so gewollt. Es war mir dann von Anfang an ein Anliegen, zu überprüfen, ob es Möglichkeiten gibt, mehr zusammenzuwachsen, ein Oberschulzentrum zu werden.
War da das Malser Oberschulzentrum Vorbild?
Mals hat den Vorteil, dass die dortigen Schulen bereits einen Standort bilden. Allerdings komme ich aus dem Schulsprengel Prad mit Mittelschule und verschiedenen Grundschulen in Stilfs, Sulden, Lichtenberg, also auch verschiedenen Häusern und doch mit einer Identität. Im September habe ich Experten aus Salzburg eingeladen. Wir haben eine gemeinsame Klausur mit diesen Kommunikationswissenschaftlern gemacht. Letztlich ist ein tolles Ergebnis herausgekommen. Nämlich, dass sich die Oberschulprofessoren aus den verschiedenen Schulen auch mehr ein Miteinander wünschen. Es sollte Konsens darüber herrschen, welche Regeln für alle im Oberschulzentrum gelten und es soll klar ausgearbeitet sein, wo die Spielräume für die einzelnen Schultypen sind.
Haben Sie das Gefühl, dass diese Gemeinsamkeiten im Laufe des Schuljahres verwirklicht worden sind?
Die Klausur war anstrengend, aber klärend. Denn es wurden viele Fragen gestellt, auch persönliche, wie ich es etwa schaffe mit Familie die Direktion bewältigen zu können, ob man mich in Prad nicht mehr gewollt hätte …usw. Dann haben wir uns auf eine gemeinsame Marschrichtung verständigt: ein gemeinsames Logo, eine gemeinsame Homepage für das gesamte Oberschulzentrum Schlanders. Die Schulen wollten ihre Eigenart behalten aber nach außen miteinander sichtbar werden. Das war toll. Mittlerweile haben wir ein gemeinsames Logo, wir haben eine gemeinsame Broschüre für alle Schulen entwickelt, ein gemeinsames Motto zur Zusammenarbeit.
Wie viele Oberschullehrer sitzen Ihnen bei einer Plenarsitzung gegenüber?
Es sind zusammen 87 Köpfe. Dazu kommen in der täglichen Arbeit die acht Mitarbeiter/innen in den Sekretariaten und die Schulwarte/innen - insgesamt also eine große Arbeitsgemeinschaft.
Sie haben auch Erbschaften von Ihrem Vorgänger Herbert Raffeiner übernommen. Raffeiner hat sich jahrelang vehement für einen Neubau der Gewerbeoberschule, die man heute technologische Fachoberschule nennt, eingesetzt. Sie ernten jetzt seine Aussaat.
Diese Woche ist Baubeginn und in zwei Jahren ist der Einzug geplant. Mein Vorgänger Herbert Raffeiner hat sehr viel Energie in einen Neubau investiert und jetzt trägt seine Arbeit Früchte. Auch hat Raffeiner weitblickend schon um Geldmittel für den Ankauf neuer Maschinen und Zubehör angesucht. Als ich dann im Oktober ein erstes Treffen mit dem Land hatte, war der Neubau beschlossene Sache. Die Lehrer konnte es vorerst gar nicht glauben. Auch die Mittel für den Ankauf von neuen Maschinen sind im Jänner 2015 bewilligt worden. Was die TFO betrifft, bin ich eine glückliche Erbin.
Mit welchem Bildungsrucksack sollten Schüler aller Schulstellen des Oberschulzentrums die Schule verlassen?
Die Matura soll nicht nur ein Diplom sein, sie soll und muss anschlussfähig sein, einerseits an die Berufswelt und ebenso an eine weitere Ausbildung oder Studium. Anschlussfähig heißt einmal Anschluss an die Arbeitswelt bieten. Nach der TFO beispielsweise können sich die Schüler Arbeiten in großen Firmen aussuchen. Die Handelsoberschule, also die Fachoberschule für Wirtschaft, bietet nach wie vor eine solide Ausbildung im Bereich Verwaltung mit vielen entsprechenden Arbeitsmöglichkeiten. Für das Sprachengymnasium haben uns mehrere Betriebe die Rückmeldung gegeben, dass die Schüler sehr begehrte Arbeitskräfte sind, weil sie im Sprachlichen, in der Kommunikation, im Marketing, im Projektmanagement sehr fit sind und eine sehr gute Allgemeinbildung mitbringen. Ähnliches gilt für Absolventen des Realgymnasiums. Anschlussfähig heißt aber auch, eine gute Vorbereitung für eine weitere Ausbildung oder das Studium zu haben. z.B. indem Abgänger/innen die verschiedenen Aufnahmeverfahren bestehen können. Wir haben in allen Schulen genügend Unterricht in den Basisfächern, wie z.B. Deutsch, Mathematik, Italienisch und Englisch und bieten viele Zusatzangebote. Das Realgymnasium ist nach wie vor eine anspruchsvolle Schule und bereitet die Schüler sehr gut auf weiterführende Studien vor, ob Medizin, Pharmazie usw. Voriges Jahr haben zum Beispiel alle vier Schüler/innen die Aufnahmeprüfung für das Medizinstudium im ersten Anlauf geschafft. Die Schüler sollten kritisch denken und begründete eigene Entscheidungen treffen können, ebenso sollte das „Reifezeugnis“ eine bestimmte Reife mit entsprechendem Benehmen bescheinigen. Das klingt vielleicht altmodisch, ist für mich wichtig.
Sie sind eine junge Direktorin. Haben Sie im Laufe Ihres ersten Oberschuljahres eine Vision entwickelt, wohin sich die Schulen entwickeln sollen?
Wir diskutieren intern, auch mit den Schulleitern sehr viel darüber. Denn die Standortfrage der Schulen bleibt immer heikel. Nehmen wir die Krankenhausdiskussion als Parallelbeispiel. Wir haben derzeit ein Super-Angebot für die Schüler. Aber man muss gut darauf achten, dass die Schulen für den Vinschgau attraktiv bleiben. Meine Vision heißt, immer zu schauen, was die Schüler brauchen, wie wir am Puls der Zeit bleiben können. Im nächsten Jahr werden wir Grundkurse in Spanisch und Russisch anbieten. Auch weil diesen Wunsch die Wirtschaft an uns herangetragen hat, nimmt dies das Sprachengymnasium auf. Der Computerführerschein ECDL ist bereits Standard. Alle Schüler machen diesen Computerführerschein. Eine Vision ist es auch, dass das Oberschulzentrum ein möglichst breites Bildungsangebot bereitstellt und beibehält, auch unabhängig von dem, was im Moment „in“ ist. Wir sind die einzige Schule im Vinschgau, die die grundlegende Bildungssprache Französisch anbietet, ebenso klassisches Latein.
Einen Teil des Beziehungsgeflechtes nach außen haben Sie soeben angesprochen. Die Beziehung zur Wirtschaft im Tal. Trägt die Vinschger Wirtschaft Wünsche in die Schule hinein?
Sprachen, ECDL sind Zeugen davon, Treffen mit der Wirtschaft haben sich etabliert. Das Abschlusstreffen mit dem Unternehmerverband und den Maturanten etwa. Die Wirtschaftsfachoberschule bietet Betriebspraktikas an. Neu ist, dass beide Gymnasien ihren Schülern Praktikas ermöglichen. Der Aufbau eines Schulchores läuft, ebenso der einer Schulband. Wir pflegen Partnerschaften mit Sportvereinen und aktuell bauen wir im Bereich Leichtathletik mit dem Leichtathletikclub Vinschgau eine intensive Partnerschaft auf.
Es steht in der italienischen Tradition, dass jede neue Regierung mit einer Schulreform glänzen möchte. Auch die aktuelle Renzi-Mannschaft will das unter dem Slogan „la buona scuola“ tun. Wie wird dies in der Schule empfunden?
Im Moment haben wir noch mit dem Bildungsgesetz des Landes zu tun. Eine Anerkennung außerschulischer Tätigkeiten wurde generell im Oberschulzentrum Schlanders mit Wohlwollen aufgenommen.
Die Schule geht also relativ locker mit den Rahmenbedingungen um.
Die Oberschule ist in der glücklichen Lage, dass sie nichts verpflichtend anerkennen muss. Sie kann. Deshalb ist der Druck nicht vorhanden. Die Diskussion kann deshalb im Rahmen der Weiterentwicklung, im Rahmen der Schülerförderung, im Rahmen des Schülerbedarfs mit Blick auf die Anschlussfähigkeit geführt werden. Die Schule kann auch von der außerschulischen Tätigkeit von Schülern profitieren. Arbeitserfahrung bei Praktikas können als Wert angesehen werden. Was die „buona scuola“ uns noch bringen wird, werden wir sehen. Einige Aspekte klingen recht gut..
Sie sind eine vielbeschäftigte Frau: Drei Schulstellen, vier Schultypen. Sie sind zudem politisch aktiv. Sie sind im Gemeinderat Latsch vertreten. Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?
Das ist die Frage, die mir die Lehrer zu Beginn des Schuljahres auch gestellt haben. Ich habe zwei wunderbare Töchter und das Glück, dass mein Mann mich sehr unterstützt. Politisch habe ich im Laufe des Jahres sehr zurückgeschraubt. Es ist nicht immer einfach. Ich sage nicht, dass es immer nur gut geht. Es gibt auch Krisen. Mit Hochs und Tiefs gelingt es.
{jcomments on}