Dienstag, 31 März 2015 00:00

Die Uhrenmacherin

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

s17 0576Die Schlanderserin Tanja Gunsch ist seit kurzem ausgebildete Uhrenmacherin und einige von wenigen (Frauen) in Südtirol, die diesen Beruf ergreifen. Konzentration, Geduld und eine ruhige Hand braucht es dafür, sagt sie. Und viel Freude.

von Angelika Ploner

Dass sie zu einer aussterbenden Zunft gehöre, das wisse sie schon. Doch genau darin liege ja auch der Reiz, sagt Tanja Gunsch, der Reiz einen seltenen Beruf ergriffen zu haben.

In der Tat, Uhrenmacher gibt es nicht wie Sand am Meer, spärlich sind sie gesät, jene, die das Handwerk noch erlernen. In Südtirol gab es schon seit  Jahren keine Abgängerin der Fachschule für Präzisions- und Uhrentechnik mehr, jener Fachschule in Karlstein in Niederösterreich, die seit 1873 Uhrmacher ausbildet. Vier Jahre lang erlernte die 23-jährige Schlanderserin dort die Uhrmacherkunst, mit Japanern, Deutschen, Schweizern, Georgiern drückte sie die Schulbank.
An ihre Ausbildungszeit denkt Tanja Gunsch gerne zurück. Mit Stolz erzählt sie etwa von der sogenannten Österreichuhr. Die Österreichuhr - nur soviel zur Erklärung -  ist eine ganz besondere Uhr, die von Tanja Gunsch und ihren fünf Klassenkameraden im vierten Lehrjahr gefertigt wurde. Die Platine hat die Form von Österreich und das Uhrwerk, das hatte der Werkstätten-Leiter selbst entworfen. Ein Unikum.
Und dann ist da noch die Sache mit der Schraube. „Wenn in der Werkstätte ein Teilchen vom Tisch hüpfte, musste es gesucht werden“, lacht Tanja Gunsch. Da gab es kein Pardon. Einmal habe sie eine Stunde lang eine kleine Schraube gesucht, solange bis sie diese auf dem Boden wieder gefunden hat. „Das Suchen muss gelernt sein“, erklärt sie, denn ein Uhrenmacher repariere später vor allem auch Uhren, bei denen es keine Ersatzteile mehr gebe, Einzelstücke und Raritäten, bei denen nichts verloren gehen darf, weil sie sonst schlicht wertlos werden. Bei den Pendeluhren, den sogenannten Großuhren ist es vor allem dieses sogenannte Servicieren, das gelernt sein will:  das Zerlegen, Reinigen, das Wiederherstellen eventuell abgenützter Uhrenteile auf der Drehbank, das Ölen, Fetten und Wiedereinstellen.

s17 1072s17 1075Wenn Tanja Gunsch vom Uhrenhandwerk erzählt, dann leuchten ihre braunen Augen. Das Interesse, sagt sie, war immer schon da. Als Kind sei sie bereits im Geschäft ihres Vaters gestanden und habe fasziniert auf die Uhren geschaut. Heute steht im Juweliergeschäft ihres Vater Karlheinz Gunsch ihre selbst entworfene und zusammengebaute Pendeluhr. Rund 800 Stunden tüftelte Tanja Gunsch an dieser sogenannten Großuhr, die jeder Absolvent während seiner Ausbildung zu fertigen hat. Und Achtung ! aus 112 Teilen besteht das Prachtexemplar.
Seit wenigen Monaten ist die Schlanderserin nun diplomiert und hat im Anschluss über die Wirtschaftskammer sogleich ihren Meister gemacht. Das Ergebnis: Bestanden mit Auszeichnung. Bei der Prüfung, erzählt sie, sei sie ganz schön ins Schwitzen gekommen. Einen Chronograf zerlegen, reinigen und wieder zusammenbauen lautete eine von drei Aufgaben. Bei der Stoppuhrfunktion hat’s dann gefuchst. Die Zeiger müssen nämlich so einreguliert werden, dass sie immer wieder genau auf die 12 zeigen, wenn die Stoppuhrfunktion betätigt wird. Das muss händisch eingestellt werden, nach mehrmaligen Versuchen hat’s dann schließlich geklappt.
Konzentration war gefragt, Geduld, eine ruhige Hand, Fingerspitzengefühl, Genauigkeit, allesamt Fähigkeiten, die von einem Uhrmacher verlangt werden. Schließlich arbeitet man mit filigranen Teilen, die Millimeterarbeit einfordern. Es wird an Rädchen und Brücken, an Wellen, Zapfen und Trieben hantiert, es wird gefräst, gedreht, montiert und verziert, geschraubt, geprüft, geölt, es werden Oberflächen poliert und geschliffen und was sonst noch alles dazukommt. Alles feinste Handarbeit, ausgeführt mit Uhrenmacherlupe und Pinzette.
Eigentlich, sagt Tanja Gunsch, sagte man Uhrenmacher ja früher, heute lautet die richtige Bezeichnung für ihren Beruf Uhrentechniker, ganz einfach weil sehr viel Technik hinter einer Uhr steckt. Gerade die Schweizer sind – was Technik betrifft – eine Klasse für sich. Deshalb hat sie sich als Ziel gesetzt einmal in der Schweiz zu arbeiten.
Derzeit arbeitet die junge Schlanderser Uhrenmacherin in Dresden, sammelt Erfahrungen bei „Glashütte Original“, einer der traditionsreichsten Firmen, die zur Swatch Group - dem weltweit größten Uhrenhersteller - gehört.  Seit 1845 steht „Glashütte Original“ für feinste Uhrmacherkunst. Dort montiert Tanja Gunsch Uhren, baut Laufwerke. Es ist Präzisionsarbeit, „für den Berufseinstieg eigentlich ideal“, sagt die 23-Jährige. Und Ihre Traumuhr? Das ist genau eine „Glashütte Original“. „Der Preis für eine solche Uhr fängt bei 5.000 Euro an und hört bei 325.000 Euro auf“, lacht Tanja Gunsch. Und dann wär da noch eine Uhr von „Lange & Söhne“. Die teuerste Uhr aus diesem Hause, das nur ganz nebenbei bemerkt, kostet so um die 2 Millionen Euro, ohne Diamanten. Uhren von „Lange & Söhne“, schwärmt Tanja Gunsch, sind klassisch und sportlich zugleich und die Funktionen seien schlicht beeindruckend, für einen Uhrenmacher oder eine Uhrenmacherin natürlich ganz besonders. Eine Uhr, sagt die junge Uhrenmacherin, ist nämlich kein Fließbandprodukt, es braucht einen Menschen, der sie anfertigt. Keine Maschine wird je eine Uhr zusammensetzen, einstellen und regulieren können, schmunzelt sie zufrieden. Ganz aussterben wird er deshalb nie, der Beruf des Uhrenmachers.

 


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 3328 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.