Dienstag, 03 März 2015 15:38

Nationalpark Stilfserjoch - Der Marmor von der Jennwand - Zur Genese des weißen Steines

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DSC 4828Wolfgang Platter, am Tag der Hlg. Agnes von Böhmen, 2. März 2015

Der Marmor aus der Jennwand ist weiß wie Schnee. Insofern passt mein heutiger Beitrag in eine Winternummer dieser Zeitung.
Über den Laaser und inzwischen auch über den Göflaner Marmor ist schon sehr viel geschrieben worden. Teilaspekte wie der Abbau, der Transport und die handwerkliche Veredelung des Rohblockes zum Kunstwerk standen dabei im Vordergrund. Die Genese des Marmors, also die geologische Entstehung des weißen Steines von der Jennwand, ist aber oftmals ausgespart geblieben.


Marmor, ein metamorphes Gestein
Marmor ist ein Umwandlungsgestein oder ein Metamorphit. Das Ausgangsmaterial von Marmor sind Ablagerungen von Kalkschichten am Meeresboden. Bildlich gesprochen: Marmor ist ein Kind des Meeres. Terminologisch fachlicher: Marmor ist ein Metamorphit aus marinen Sedimenten. Der Entstehungsort des Ausgangsmaterials von Marmor ist ein subtropisches Flachwassermeer mit warmen Wassertemperaturen, an 32Fdessen Boden sich hunderte Meter mächtige Schichten von Kalkschlamm ablagern. Diese Kalksedimente stammen von panzerbildenden Algen und pflanzlichen und tierischen Meeresbewohnern.
In unsere Berge kam der Meereskalk durch waagrechte Verschiebung über hunderte Kilometer und durch senkrechte Verschiebung (Hebung), welche Hunderte Meter ausmacht. Dabei war das Kalksubstrat verschiedenen Temperatur- und Druckbedingungen ausgesetzt. Unter diesen Bedingungen erfährt das Ablagerungs- oder Sedimentgestein die eingangs erwähnte Umwandlung oder Metamorphose. Dabei verändert sich sowohl der Chemismus als auch die Struktur des Gesteines. Wasser führt dazu auch zur Auswaschung und Ersetzung verschiedener Stoffbestandteile. Auch das Kristallgitter wird umgebaut und der Marmor aus der Jennwand erhält seine mikrokristalline Ausformung, die ihn in seiner blockigen Verdichtung so wertvoll und so resistent gegen Witterungseinflüsse. Marmor und Dolomit
In der Umwandlung des Marmors vom Ablagerungsgestein zum Metamorphit werden alle in den Meeressedimenten enthaltenen Fossilien zerstört. Marmor und Dolomit unterscheiden sich außer in ihrem Chemismus auch im Fehlen oder Vorhandensein von Fossilien. Dolomit ist Calcium-Magnesium-Carbonat und kann noch Fossilien enthalten. Marmor ist fast reines Calcium-Carbonat und enthält nie mehr Fossilien.

Die zweifache Metamorphose von Marmor
Der Marmor in der Jennwand zwischen Laas, Göflan und Martell hat in seiner Gesteinsbildung zwei Umwandlungen erfahren, die sogenannte variszische und die alpine Metamorphose. Das Alter der Meeressedimente kann mit 500 Millionen Jahren angesetzt werden und fällt daher in den Zeitabschnitt des Kambriums im Erdaltertum.
Die variszische Metamorphose ist vor 350 -320 Millionen Jahren im Zeitalter des Karbons im Erdmittelalter bei Temperaturen von 550 – 660 Grad Celsius und bei 5 – 7 Kilobar Druck abgelaufen. Dabei sind zwei Faltungen erfolgt.
Die zweite, alpine Metamorphose ist vor 90 – 70 Mio. Jahren in der Kreidezeit bei 500°C Temperatur und 6 -8 kbar Druck vonstatten gegangen. Es sind drei Faltungen erfolgt.
Auf der 10-teiligen, logarithmischen Härteskala der Mineralien und Gesteine nach F. Mohs hat Marmor Härte 3,5. Zum Vergleich: Quarz hat Härte 7, Diamant Härte 10 und Graphit Härte 1.
P1070690Die zweimalige Metamorphose des Marmors von der Jennwand und die dabei erfolgte Verdichtung zur mikrokristallinen Struktur macht den weißen Marmor wetterfest - und frostbeständig und damit zum begehrten Skulpturenstein in der Bildhauerei. Innere Hohlräume wie bei den Karstmarmoren fehlen dem Marmor aus dem Bauch der Jennwand. Wasser kann nicht in den kompakten Stein eindringen und die Sprengwirkung des sich im Volumen ausdehnenden Eises unterbleibt. Dies macht unseren Stein auch langlebig und tauglich für die Verwendung im Außenbereich.

Die Farbvarietäten
Wie weiter oben schon gesagt, ist der Marmor der Jennwand ein zu 96% reines Caliumcarbonat. Die verschiedenen Farbvarietäten werden durch Begleitmineralien bewirkt. So wird die rosarote Aderung durch das Mineral Klinozoisit bewirkt, die grüne Varietät durch Chlorit. Die graue und schwarze Bänderung stammt vom  harten Feldspat-Mineral Aktinolith.

Vorkommen und Abbaumengen
Anfangs der 1980er-Jahre hat der damalige Landeshauptmann-Stellvertreter und Landesrat für Urbanistik Dr. Alfons Benedikter den beiden Paduaner Geologen und Universitätsprofessoren Gregnanin und Brigo namens der Südtiroler Landesregierung einen Auftrag erteilt, die in der Jennwand lagernden Marmorvorräte zu 31Bquantifizieren. Aus der makroskopischen Befundung des Berges haben die beiden Experten den Vorrat auf mehrere Hundertausende Kubikmeter Marmor geschätzt. Aus den beiden, derzeit geschürften Brüchen „Weißwasser“ im Laaser Tal und „Göflaner Wantl“ werden im längerjährigen Mittel je 1.800 - 2.000 Kubikmeter Marmor abgebaut. Diese Mengenabgabe bezieht sich auf die zu Tal transportierten Blöcke. Die abtransportierte Menge macht je nach Qualität der angeschnittenen Marmorader zwischen einem Viertel und der Hälfte der geschürften Menge aus.

Ein verbleibendes Fragezeichen
Der Abbau von Marmor am Göflaner Berg beginnt mit den bayrischen Steinmetzen Schmiedinger um 1750. Im Laaser Tal wird Marmor ab dem Jahr 1829 durch Bernhard Schweizer, ebenfalls aus Bayern, abgebaut.
Aber die kultische und künstlerische Bearbeitung von Marmorrohlingen geht zeitlich viel weiter zurück als durch den Abbau am Berg belegbar ist. So ist eine Statuette, welche die römische Jagdgöttin Diana darstellt und im Bozner Stadtmuseum steht, von Reimo Lunz mit 4. - 5. Jahrhundert n. Chr. datiert wurden. Und die Gravuren DSC 1858am Latscher Menhir aus weißem Vinschger Marmor gehen weit in die Zeit der ungeschriebenen Geschichte zurück. Der weiße Vinschgauer Stein ist also schon unseren Vorgängern Jahrtausende und Jahrhunderte vor Christus ins Auge gefallen. Vielleicht sind die verarbeiteten Rohlinge durch Bergstürze, Murabgänge und Hochwasser über die Bachbette in ihre Griffnähe gekommen. Das Fragezeichen für die viele Jahrhunderte andauernde Zeit, welche zwischen der ersten künstlerischen Bearbeitung des weißen Goldes und dessen belegbaren Abbau am Berg liegt, bleibt jedenfalls weiterhin bestehen.

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