Dienstag, 06 Januar 2015 15:38

Nationalpark Stilfserjoch - Der Waldrapp (Geronticus eremita) - Eine mühevolle Rückkehr

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waldrapp 2Wolfgang Platter, am Silverstertag, 31. Dezember 2014

Der Waldrapp war bis vor 350 Jahren auch am Rande des Alpenbogens heimisch. Durch intensive menschliche Bejagung starb die Vogelart im 17. Jahrhundert in Mitteleuropa aus. In freier Wildbahn leben heute in Marokko und in Syrien noch ca. 450 Tiere; in den Großvolieren und Gehegen der Zoos und Aufzuchtstationen werden weltweit ca. 2.000 Vögel dieser Art gehalten. Die Zoopopulationen bilden den Stamm für verschiedene Wiederansiedlungsprojekte, die den Waldrapp auch am nördlichen Alpenrand wieder ansiedeln wollen. Bekannt sind die Waldrappkolonien im Alpenzoo in Innsbruck und im Wiener Tierpark Schönbrunn.


Der Verhaltensbiologe Dr. Johannes Fritz aus Mutters in Tirol hat als Koordinator des Wiederansiedlungsprojektes LIFE Waldrapp bei der Festversammlung zum 40-jährigen Bestehen der Südtiroler Arbeitsgemeinschaft für Vogelkunde und Vogelschutz im November 2014  im Naturmuseum in Bozen einen vielbeachteten Vortrag gehalten. Die Umsetzung dieses Wiederansiedlungsprojektes zeigt, wie schwierig und aufwendig das „Zurückbringen“ einer ausgerotteten Tierart in ihren angestammten Lebensraum ist.

Systematische Stellung und Merkmale
Der Waldrapp ist ein etwa entengroßer Schreitvogel. Wie sein italiensicher Gattungsname Ibis (eremita) verrät, gehört er zur Familie der Ibisse und Löffler. Erwachsene Tiere erreichen eine Körperlänge von 60 (Weibchen) bis 75 cm (Männchen) und haben eine relativ lange Lebenserwartung von 15 – 20 Jahren. Das Körpergewicht kann 1,5 kg erreichen. Das ganze Körpergefieder ist pechschwarz und in verschiedenen Bereichen metallisch glänzend. Gesicht und Stirn sind bei den erwachsenen Vögeln kahl und fleischrot gefärbt. Die Nackenfedern sind schmal lanzettlich und zu einer schopfartigen Mähne verlängert. Der Schopf wird bei Erregung durch Gefahr oder während der Balz aufgerichtet. Der Schnabel ist rot und sichelförmig nach unten gebogen. Die Beine sind kahl und stämmig.

Verhalten
Der Waldrapp ist in der Wildnis ein Felsenbewohner und Koloniebrüter. Brutstimmung entsteht erst innerhalb einer Kolonie. Einzelpaare in Tiergärten kommen nicht zum Brüten. Interessant ist das sehr auffällige Begrüßungsritual unter verpaarten Vögeln: Wenn sich ein Paar gefunden und den Ruhe- oder Balzplatz angeflogen hat, werfen Männchen und Weibchen den Kopf mit aufgestelltem Schopf in den Nacken und verbeugen sich dann unter lauten, heißer krächzenden Rufen. Dabei wird dem Partner die individuelle Kopfzeichnung präsentiert. Dieses Verneigungsritual wird mehrfach hintereinander wiederholt und löst in der gesamten Kolonie das Grußritual aus. Das Begrüßungsritual ist nicht auf die Balz- und Paarungszeit begrenzt.

Nahrung
Der Waldrapp ernährt sich von Insekten und deren Larven, Würmern, Schnecken und deren Eiern, Heuschrecken, Spinnen, seltener auch von kleinen Säugern, Reptilien und Amphibien sowie von Pflanzen. Bei der Nahrungssuche stochert der Vogel mit seinem Sichelschnabel im lockeren Boden von Feucht- und Auwiesen.

Fortpflanzung
waldrapp 1waldrapp 3In der Zeit zwischen März und Juni legt das Weibchen 2 – 4 Eier. Die Nester der Brutkolonien befinden sich in Felswänden und an Steilküsten. In den Tiergärten und in Siedlungsnähe nimmt der Kulturfolger auch Nistkästen als Brutunterlage an. Am Nestbau beteiligen sich Weibchen und Männchen. Als Nestmaterial tragen die Vögel Zweige, Gras und Blätter ein. Die Brutzeit beträgt 27 – 28 Tage, die Nestlingszeit weitere 45 – 50 Tage. Es findet nur eine Jahresbrut statt. Wilde Waldrappe sind Zugvögel, welche die Zugroute in den Süden und zurück im ersten Jahr von ihren Eltern erlernen müssen. Von Menschen in Zuchtstationen von Hand aufgezogene Jungvögel kennen diese Flugroute nicht und so war der Waldrapp auch als Zugvogel ausgestorben.

Auswilderungsprojekte und vom Menschen geleitete Migration
Ausgehend von der Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Salzburger Almtal wurden im Rahmen des  Artenschutzprojektes Waldrapp einige Auswilderungsprogramme für Österreich (Grünau), Deutschland (Burghausen) und Italien (Laguna di Orbetello in der Maremma di Grossetto) gestartet.
Den von Hand aufgezogenen jungen Waldrappen wird von den menschlichen Zieheltern die Flugroute vom nördlichen Alpenvorland in das Überwinterungsquartier in der Laguna di Orbetello gezeigt, indem ihnen mit einem  offenen Leichtmetallflugzeug vorausgeflogen wird. In diesem Zweisitzer nimmt auch der menschliche Betreuer Platz, auf den die jungen Vögel seit ihrem Schlupf aus dem Ei geprägt worden sind. In diesem 2005 erstmals durchgeführten Begleitflug legten Fluglotsen 8189und Waldrappe bei einer Gesamtstrecke von Salzburg in die toskanische Maremma von 940 km Tagesstrecken von bis zu 240 km zurück. 2007 hingegen kamen erstmals wieder Waldrappe selbständig aus ihrem Überwinterungsquartier in Italien nach Österreich zurück. Alle Waldrappe der Auswilderungsprojekte sind mit einem GPS-Sender ausgestattet und daher jederzeit lokalisierbar. Aus diesen GPS-Daten wissen wir, dass zum heurigen Allerheiligen von den 40-50 Vögeln bereits 20 im Überwinterungsgebiet Laguna di Orbetello angekommen und weitere 20 auf der Ostroute zwischen Kärnten und dem friulianischen Kanaltal oder Slowenien nach Süden unterwegs waren.
Derzeit läuft ein weiteres, auf die sechs Jahre 2014-2019 begrenztes und von 8 Partnern umgesetztes LIFE-EU-Projekt zur Wiederansiedlung des Waldrapps im nördlichen Voralpenbereich. Partner sind unter anderem der Alpenzoo Innsbruck, der Wiener Tiergarten Schönbrunn, die Konrad Lorenz Forschungsstelle, das Bundesland Salzburg und die Stadt Burghausen in Bayern.
Wie bereits eingangs gesagt: Die Wiederansiedlung einer ausgerotteten Tierart ist zeit, kosten- und ressourcenaufwendig, wenn sie überhaupt noch gelingt und möglich ist, weil es noch Gründertiere aus Gehege-Haltung gibt.
Wer mehr und vertieft über das Projekt Wiederansiedlung Waldrapp lesen will, findet Angaben dazu im Internet unter
www.waldrapp.eu

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