Mit Pradl gibt es aber noch eine weitere Beziehung zu unserem Land, insofern hier in der Optionszeit 21 Wohnungen für die Südtiroler Auswanderer errichtet wurden. Das erinnert an eine bewegte und gewalttätige Zeit. Südtirol sollte aufhören, als deutschsprachiges Land zu existieren. Hitler und Mussolini beschlossen die Aussiedlung aller „unwilligen“ Italiener, also fast aller Südtiroler.
Zu denen gehörte auch der Klausner Künstler Heiner Gschwendt (1914-2011), der vor allem als Gestalter von großen Fassaden bekannt wurde. Er ist ein Mitbegründer des Südtiroler Künstlerbundes.
Das war 1946; ein Jahr vorher, also 1945 wurde auch die Südtiroler Volkspartei gegründet. Die faschistische Unterdrückung endete bereits 1943, die nationalsozialistische im Jahr 1945 mit der Kapitulation der Wehrmacht. Nun gab es also wieder Freiheitsluft - auch hier in Innsbruck - für neues Parteileben, für die Kirche und für die Kunst.
Heiner Gschwendt, deutschnationaler Kämpfer für Südtirol in den Dreißigerjahren, musste - wie viele andere - in den sauren Apfel beißen und sowohl dem Hitler als auch dem Mussolini gehorchen. Auf die Frage, wie das Leben der Künstler unter dem Faschismus gewesen war, wusste der Heine allerhand Lobendes zu berichten. Die Künstler wurden in einem eigenen Syndikat vereint, bekamen gute, wenngleich meist „politisch“ orientierte Aufträge und mussten bei kirchlichen Prozessionen hinter dem Allerheiligsten marschieren und zwar zusammen mit den Hebammen ... sie dienten ebenfalls dem „duce“, also dem Führer. Sie waren ja zuständig für die Mütter und die gesunde Geburt möglichst vieler Kinder.
Mutter und Kind, ein Thema, das neben dem Kruzifix zu den beliebtesten Bildwerken in unserem Land gehört. Berühmt ist das Gnadenbild Maria Hilf aus dem Jahr 1537, ein Werk des Lutherfreundes Lucas Cranach. Es wurde immer wieder kopiert, ist sehr beliebt und wurde im ganzen Land verbreitet. Ursprünglich war es für den sächsischen Hof zu Dresden bestimmt, kam aber durch den Erzherzog Leopold nach Innsbruck in den heutigen Dom.
Und nun hat auch die Pfarrkirche von Pradl eine Maria mit Kind, ein Weihnachtssymbol mit Gültigkeit für die ganze Menschheit.
Pfarrer Hörtnagl schreibt im Gemeindeblatt zur Entstehung des neuen Bildwerkes auf der Kirchenfassade: „Der Künstler konnte einen portugisischen Marmorblock besorgen, den er strukturell und farblich gleichmäßig und einheitlich bezeichnet, was für ihn eine hervorragende Vorraussetzung für ein gutes Gelingen ist“. Das neue Bildwerk in der Fassade der Kirche von Pradl - Höhe etwas über zwei Meter - musste auch ein stilistisches Problem lösen, nämlich die Versöhnung zwischen zeitgemäßer und neuromanischer Gestaltung.
Der Bildhauer Walter Kunz hat die Arbeitsschritte fotografisch festgehalten. Ausgehend vom langen, vierkantig gebrochenen Marmorblock wird die Form, die im Kern schlummert, allmählich freigelegt. Die technischen Arbeitsschritte entstehen im Dialog zwischen dem Stein und dem Künstler ...Unsichtbares muss sichtbar werden.
Hebammenkunst könnte man sagen, um an Sokrates zu erinnern, der übrigens auch Bildhauer war und eine Hebamme als Mutter hatte. Von ihr habe er das Herausholen der Wahrheit aus den befragten Menschen gelernt, eine Methode, ähnlich der Geburt des Kindes aus dem Schoß der Frau.
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