Die Osterferien hatten begonnen und Hubert freute sich auf seine Eltern und Geschwister, die er nach dem Hochamt wiedersehen würde. Seit Weihnachten war er nicht mehr daheim gewesen. Die Tür öffnete sich und Hans wurde in den Widum gebeten. Mit versteinerter Miene kehrte er zu Hubert zurück und erklärte ihm, dass sein Bruder Georg gefallen war und heute der Sterbegottesdienst zelebriert werde. Die Todesnachricht war kurz zuvor eingetroffen. Für Hubert war es, als ziehe man ihm den Boden unter den Füßen weg. Erinnerungen an den Tod seines Bruders Kassian wurden wach, der im Alter von zehn Jahren an einem Blinddarmdurchbruch gestorben war. Nun war auch der Hoferbe tot. Versteinert vor Schmerz brachte der Vater nach der Messe kein Wort heraus. Die Mutter und die Schwestern Hanna und Maria nahmen Hubert weinend in die Arme. Er wusste, dass er nun den „Wallnöfhof“ übernehmen musste. „Stott Pforrer bin i norr Bauer gwortn“, sagt er.
Hubert liebte die „Baurschaft“ und vor allem die Tiere von klein auf. Als Bub hütete er verlässlich seine „Kalblan“. Zu Fuß war er wieselflink. Regelmäßig trug er Körbe mit Eiern zur Tante nach Taufers, die diese dann in der Schweiz gewinnbringend verkaufte. In seinen ersten drei Schuljahren erlebte Hubert den faschistischen Geist in der nahen Bergschule. Die Lehrerin sprach nur Italienisch. Erst im vierten Jahr wurde Deutsch unterrichtet. Die Mutter wünschte sich einen Geistlichen in der Familie, und Hubert hatte nichts dagegen, studieren zu gehen. Pfarrer zu sein empfand er als Auszeichnung. „I honn olm gmoant, a Pforrer konn in Himml inni fliachn“ , erklärt er. Er schrieb sich für das Schuljahr 1943/44 im Vinzentinum ein. Auf der Fahrt dorthin in Begleitung des Pfarrers sah er beim Zwischenstopp in Bozen erstmals eine Stadt. Hubert staunte über die vielen Menschen und fragte, ob da Markt sei. Beim Anblick der Schaufensterpuppen in den Auslagen wollte er wissen, ob die Damen den ganzen Tag da drinnen stehen müssten. Der Pfarrer schmunzelte. Vom Krieg spürte er erst 1945 etwas, und zwar als der Unterricht im Vinzentinum ausfiel. Das Haus war zum Lazarett umfunktioniert worden. Im April erhielt Hubert die Einberufung zur Kriegsausbildung in Annaberg. Doch seinen Einsatz im „letztem Aufgebot“ verhinderte das Kriegsende im Mai. Im Herbst setzte Hubert sein Studium im Vinzentinum fort. Es gefiel ihm recht gut. Erst nachdem er später die Geschicke auf dem Hof in die Hände genommen hatte, wurde ihm klar, dass ihm das Zölibat wohl doch nicht zugesagt hätte. „I war eppr oaner gwortn, wia der fa di Dornenvögel“, lacht er. Der Film-Mehrteiler aus dem Jahre 1983 rund um die romantische Beziehung eines Pfarrers hatte ihn berührt.
Sein Glück fand Hubert mit Anna Bernhart aus Schlinig, die er 1957 heiratete. Sie war ihm Stütze und schenkte ihm vier Kinder. Die zwei Erstgeborenen waren Söhne. „Iaz bin i versorgt, di Nochfolger sein do, honn i selm gsogg“, betont er. Die Arbeit auf dem Hof und auf den steilen Feldern ging nie aus. „Miar hoobm gearn gorbatat, obr eigatla viel zviel gschuntn“, sagt er. Jahrelang litt Hubert an Magengeschwüren. Er ließ sich operieren. „Norr bin i af oanmol gsunt gwesn“, sagt er.
Eine schwere Zeit brach an, als Anna zu Weihnachten 1999 an Krebs erkrankte. Im April 2000 starb sie. Und Hubert vermisst sie sehr. „Miar hoobms olm guat mitnond kopp“, meint er. Den Hof übernahm nicht einer der Söhne, sondern die Tochter Annelies mit ihrem Mann Christian. Hubert steht ihnen tatkräftig zur Seite. Er ist körperlich fit, versorgt die Tiere und fährt gerne zu den Versteigerungen. Das Miteinander funktioniert. „Oft weart aa hort diskutiert“, erklärt er. „Pan Nochfiatrn torf i miar jo nit drwischn lossn.“ Alt und Jung finden immer wieder zusammen und schätzen sich gegenseitig. Die Enkelin Anna meint. „Miar warn heint olle nit do, wenn dr Neina Pforrer gwortn war.“
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