Ein Lift kann eine gesellschaftliche, ja soziale Institution sein. Gebaut fürs Dorf und seine Menschen. Für den puren Zeitvertreib, fürs Beisammensein an langen Wintertagen. So ein Lift steht im hintersten Matschertal. Der Ramudlalift. Von den Matschern selbst liebevoll s`Lift genannt.
Aber weil Kultur ja im weitesten Sinne alles ist, was der Mensch gestaltend hervorbringt, kann auch eine kleine Liftanlage Kultur sein. Freude am Schaffen von Neuem, das nicht nur auf einen unmittelbaren Nutzen abzieht, ist eine Art von Kultur. So geschehen in Matsch im Jahre 1978.
Zugegeben, Serafin Heinisch wollte sich mit seinem Liftbau auch einen Nebenerwerb zu seiner Geflügelzucht schaffen. Doch er merkte schnell, dass die Arbeit und die Investitionen den Ertrag bei Weitem übersteigen würden. Aber Aufgeben kam für ihn nicht in Frage. Er wollte einen Lift bauen. In Matsch. Für das Dorf und seine Menschen. Und auch für die Handvoll Touristen, die sich damals im Hochtal tummelten.
Ein Einzelner, der einen Lift baut. Mit zahlreichen helfenden Händen, aber in der finanziellen Verantwortung allein. Das ist Pionierarbeit vom Feinsten und ein großer Kraftakt- heute, im uns umgebenen Kokon des Wohlfahrtstaates, kaum mehr denkbar. „Wennda nicht rischkiersch, isch a nicht“, sagt er jetzt noch.
Serafin, viel mit seinen Hühnern landauf, landab unterwegs und immer z`reidn kemman mit den Menschen, erfuhr von der Abtragung des kleinen Quellenlifts in Sulden. Sein Vorhaben rückte in greifbare Nähe. Die Familie war klar dagegen, doch irgendwann lud ein großer LKW oberhalb des Hauses die Masten ab. Die innerfamiliären Diskussionen hatten sich damit wohl oder übel erledigt.
Schon immer war man auf den Wiesen vorn Mortale Ski gefahren, die Hetz war groß gewesen. Der Platz eignete sich gut, weil er schneesicher war und wie man 1983 erlebte, auch lawinensicher.
Serafin hatte den Lift in Sulden selber abgebaut und gemeinsam mit den Alplar (Theiner Toni, Moser Fliri, Mortale Sepp und Erwin) wieder aufgestellt. Von da an verbrachte der dreifache Vater zahllose Stunden am Ramudlalift. Jede Arbeit, die er selber erledigen konnte, sparte natürlich bares Geld.
Mit den Eigentümern der Wiesen einigte er sich, der damaligen Zeit entsprechend, ganz unkompliziert. Im Vertrag wurde Folgendes festgesetzt: „ Alle interessierten Skiläufer dieser beiden Höfe erhalten die Saisonskarte unentgeltlich; für sie erlischt dieses Recht bei Heirat oder Gründung selbständiger Existenz.“
An Weihnachten 1979 konnte Serafin den Lift eröffnen. Der Andrang war unwahrscheinlich groß. Vor allem Familien mit Kindern kamen int Olp, an manchen Sonntagen und bei Skirennen kam fast ganz Matsch zusammen. Mitverantwortlich für den großen Erfolg des Lifts waren und sind auch heute noch die Anrainer des Lifts, die Matscher Vereine und die ganze Matscher Bevölkerung. Wobei dieser letzte Satz klischeehafter nicht sein könnte, aber in diesem Fall der Wahrheit entspricht. Noch heute versehen sieben Anrainer ehrenamtlich den Liftwartdienst. Den Dienst an der Schneakotz hat schon die junge Generation unentgeltlich übernommen.
So wie sich damals das Skifahren die meisten Matscher nur in der Matscher Alpe leisten konnten, so ähnlich wird es wohl auch heute sein. Ski fahren ist zu einem teuren Hobby avanciert, vor allem für Familien. Ski fahren lernen ist- im gelobten Land der Lifte und Tourismushochburgen- für viele unleistbar geworden.
Sechzig eingeschriebene Kinder für den letzten Kinderskikurs in Matsch sprechen eine deutliche Sprache. Die Hälfte davon Auswärtige. In Matsch, so scheint es, kann man es sich noch leisten, seinen Kindern das Skifahren beibringen zu lassen. Vierzig freiwillige Matscher HelferInnen haben auch heuer wieder einige Tage ihres Weihnachtsurlaubs für den Kinderskikurs hergenommen. Für ein Essen am letzten Abend und für die Hetz. Die Freude der Kinder, wenn sie ihre Skier endlich beherrschen, gibt`s inklusive. Das ist es auch, was Serafin Heinisch all die Jahre angetrieben hat. Die Gaudi der Kinder und zusehen zu können, wie sie von Tag zu Tag sicherer auf den Skiern werden. Gewiss, man kann auch erwachsen werden, ohne Ski fahren zu können, aber es ist vielleicht ein schöner kollektiver Sonntagszeitvertreib draußen.
Ganzen Generationen sah Serafin beim Skifahren zu. Er motivierte, unterstützte, tröstete, griff ein und vor allem machte weiter. (Vielleicht ein Kandidat für einen zukünftigen Ehrenbürger der Gemeinde Mals?) Bis ihn unter anderem der Bürokratismus immer mehr unter Druck setzte. Die Vorschriften für das Betreiben eines Liftes wurden immer strenger, immer aufwändiger und damit für ihn immer schwieriger.
Anfang der 90er, Serafin hatte die sechzig schon hinter sich, übernahm Manfred Heinisch vom Glieshof die Konzession und hat sie bis heute inne. Doch auch er kämpft mit der überbordenden Bürokratie. Den Löwenanteil der Kosten fressen heute Versicherungen, Konzessionsgebühren und Technikerspesen, nicht etwa Stromspesen oder Treibstoff. Man macht es heute den Menschen, die ehrenamtlich einen Lift betreiben, nicht unbedingt leicht.
Nun ist es an der Zeit, die Aufgaben und die Verantwortung Schritt für Schritt der nächsten Generation weiterzugeben und bei der Finanzierung auch auf ein Eingreifen der Gemeinde hoffen und bauen zu können. Dann gibt es auch noch länger Tee und Kuchen am Schlepplift beim Skikurs.
Dann kann s`Lift weitergehen. Für das Dorf und seine Menschen.