Dienstag, 18 Februar 2014 00:00

Triumph der Schönheit

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

RIMG0548„Dürre Spinnen, die ständig gequält wirken“, so der freche und humorige Kommentar von Berliner Journalistinnen zum Thema „Model auf dem Laufsteg“. Ob die Sprecherin der Radiosendung die richtigen Maße hat? Vielleicht ist sie dicklich und nur neidisch; jedenfalls hat sie keine Angst, ihre Meinung klar zu formulieren.


Aber welche Angst treibt die Menschen dazu, sich in Richtung Schönheit zu quälen, sich zu züchtigen, blutig zu schlagen wie die Flagellanten des Mittelalters? Damals erhofften sich fanatisierte Bruderschaften Sündenvergebung durch Selbstgeißelung; heute empfinden sich viele Menschen als zu dick und büßen mit anderen Instrumenten. Das überflüssige Fett wird als „sündig“ empfunden und der Sieg darüber als Triumph. Essen ist eigentlich gleichbedeutend mit Sündigen, Fasten aber ist gottgefällig. Askese mit Karotten und Salatblättern. Daraus entsteht der Heiligenschein.
ruestungDass alle schön sein wollen, ist das letzte, alle Menschen verbindende und gemeinschaftsstiftende Ideal. Verehrt wird damit die heidnische Gottheit Aphrodite oder Venus, wie sie im alten Rom genannt wurde. Oder die Wallküren, die Schlachtjungfrauen aus der germanischen Mythologie; sie führen die Tapfersten der gefallenen Krieger nach Walhall. Das ist ihre Belohnung im Himmel. Ausgefüllt mit Kämpfen und irdischen Genüssen steigern die Wallküren die Wonnen des jenseitigen Lebens, ähnlich den Versprechungen des Islams für ihre Selbstmordopfer, also für die Märtyrer des Glaubens.
Dass alle Kultur letztlich aus einem religiösen Anspruch entsteht, wurde immer wieder erkannt und auch begründet; es ist also weiter nicht verwunderlich, dass auch der Schönheitskult als eine Art Gottesdienst gesehen wird. Begriffe wie Sünde und Tugend finden heute kaum mehr Verwendung; ersetzt werden sie durch Training und Diät.
Dabei entsteht alles aus einem - philosophisch gesprochen - erkenntnistheoretischen Missverständnis: Die jungen Menschen sehen sich nämlich viel dicker, als sie wirklich sind. Eine erfahrene Ärztin einer großen psychiatrischen Klinik setzte magersüchtige „Spinnen“ vor einen Spiegel, gab ihnen Papier, Bleistift, Farben und forderte sie auf, sich selbst zu zeichnen. Die meisten Selbstdarstellungen zeigten fettstrotzende, aus allen Nähten platzende Leiber, die Abscheu erregten.
WittgstToepferVorüber sind die Zeiten, in denen Mutterschaft und Frausein gleich bedeutend war. Die weiblichen Votivgaben aus der Vorzeit waren rundliche, gebärfreudige Idole, weit entfernt von dem, was wir uns heute unter einer Venus vorstellen. Also auf zum Turngerät, auf die Folterbank, ganz so wie im Mittelalter. Damals wollte man die Wahrheit erpressen. Heute will niemand mehr Wahrheit, nur Schönheit. Und Schlankheit.
Im burgundischen Reich des Mittelalters entstand ein neues Schönheitsideal mit gotisch schlanken Gestalten und eng anliegenden Gewändern. Auch die Beine und Füße verdünnten sich und endeten spitz wie Bohnenschoten. Der weibliche Leib wurde eingezwängt, wie in Rüstungen … aber damit sind wir bereits in der Neuzeit. So auch bei der Kaiserin Elisabeth, die mit Turngeräten, Fasten und dem Aufschreiben kostbarer Gedanken - Briefe und Gedichte - zum Vorbild der Zeit wurde. Sie hat sich wiederholt in Meran aufgehalten; dort steht auch ihr Denkmal mit dem ideal geformten Leib. „Der eingeschnürte Leib - das Korsett“, so der Titel einer Ausstellung im Frauenmuseum. Und dann der Hinweis auf die 1970iger Jahre, als das Korsett angeblich vom Modethron gestürzt wurde.
Weit gefehlt! „Trotz aller moderner Körperaufklärung hat sich dieses unsterbliche Folterinstrument weiblicher Silhouettenformung heutzutage in einem mittlerweile unüberschaubaren Angebot des ‚body shaping‘ reinkarniert.“
RIMG0561Wer schön sein will, muss leiden: „Maßgeschneiderte Korsetts von der Hand des Schönheitschirurgen“…
Aber was soll dieses düstere Warnen? Schönheitskult gibt es in unendlicher Vielfalt auch im Tierreich, dort vor allem bei den Männchen. So auch bei den Bartgeiern. Der einst sehr gefürchtete Lämmergeier ist der größte Greifvogel der Alpen. Er wurde in Martell, im Vinschger Nationalpark, wieder erfolgreich angesiedelt; den Namen verdankt er dem Bart unter seinem scharfen Schnabel. Er wird auch Rotbartgeier genannt, weil er für die Balz sein Halsgefieder in rostfarbigen Schlamm steckt und so als roter Ritter das Weibchen umwirbt.
Hans Wielander


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 3339 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 5-25

titel Vinschgerwind 4-25

titel vinschgerwind 3-25

 winterwind 2024

WINDMAGAZINE

  • Warm und trotzdem atmungsaktiv. Funktionsbekleidung ermöglicht es uns, selbst bei klirrenden Temperaturen den Schnee und die traumhafte Winterlandschaft zu genießen, ohne ins Frösteln zu kommen. Baumwolle, Fleece oder Daunen? Was…
    weiterlesen...
  • Die tierischen Protagonisten aus der Weihnachtsgeschichte an den Futterkrippen anzutreffen, war einigermaßen überraschend. Weniger unerwartet war, dass ihre Landwirte auch im Winter tüchtig sind. Ein bisschen Zeit für die Ofenbank…
    weiterlesen...
  • Der junge Vinschger Martin Fahrner ist seit 2018 Chef der World Racing  Academy WRA. In der Skisaison 2024/2025 ist er mit 12 Athleten im  internationalen Skizirkus unterwegs. Sein Vater Hans…
    weiterlesen...
  • Promenaden verfügen standesgemäß über besondere Flanierqualitäten, bieten interessante Blickbeziehungen und dienen in der Regel dem Lustwandeln.  Der fünf Kilometer lange Rundweg um den Haider See im Vinschger Oberland vereinigt diese…
    weiterlesen...
  • Ein paar winterliche Überlebensstrategien von Alpentieren und -pflanzen stelle in diesem Beitrag vor. Vereinfacht und in einer systematisierenden Übersicht kann man aktive und passive Überwinterer unterscheiden. Von Wolfgang Platter, dem…
    weiterlesen...
  • Un racconto per immagini di Gianni Bodini   La Val Venosta offre agli amanti degli sport invernali diversi centri ben attrezzati, ma anche per chi si “accontenta” della natura non…
    weiterlesen...
  • Die magische Geschichte der „VALANGA AZZURRA“ („blaue Lawine“),  dem damals erfolgreichsten Ski-Team der Welt rund um Gustav Thöni wurde  verfilmt. Vorgestellt wurde der Kino-Film jüngst am Filmfestival in Rom. von…
    weiterlesen...
  • Unvergessliche Pistenerlebnisse Atemberaubendes Panorama und 44 bestens präparierte Pistenkilometer: In Sulden sind Wintersportträume Wirklichkeit.   Das Skigebiet in Sulden ist kein Geheimtipp, Sulden ist höchstes Niveau, Sulden ist „First Class“:…
    weiterlesen...
  • Schließen Sie die Augen und träumen Sie vom perfekten Winterurlaub mit der Familie … Text: Stephan GanderFotos: Lucas Pitsch / Sebastian Stip In Trafoi, mitten im Nationalpark Stilfserjoch erlebt man…
    weiterlesen...
  • Eine Oase der Ruhe, ein Ziel für Wanderungen, ein beliebter Treffpunkt für Genießer, auch zum Feiern, Ausgangspunkt für Skitouren, eingebettet in einer wunderbaren Bergkulisse: das ist die Berghütte Maseben. Die…
    weiterlesen...
  • Wusstest du, dass die Nährstoffe in Äpfeln die gesundheitliche Wirkung von anderen Lebensmitteln verstärken? VIP hat spezielle Kombinationen mit Vinschger Apfelsorten entwickelt, die überraschend gut schmecken und die Gesundheit fördern.…
    weiterlesen...
  • Die Tage werden kürzer, die Luft frischer, und die Landschaft erstrahlt in reinem Weiß – der Winter in der Ferienregion Reschensee ist da! Eingebettet im malerischen DreiländereckItalien-Österreich-Schweiz erwartet euch ein…
    weiterlesen...
  • Wo die heimischen Alpen in ein winterliches Wunderland verwandelt werden! Dieses Gebiet bietet nicht nur erstklassige Skimöglichkeiten, sondern ist auch ein Ort, der Tradition und Gemeinschaft inmitten der atemberaubenden Natur…
    weiterlesen...
  • Latsch-Martelltal Zwischen kristallklaren Bergseen, dem ursprünglichen Martelltal, dem kargen Sonnenberg und dem sattgrünen Nörderberg liegt das Feriengebiet Latsch-Martell - unterschiedlicher könnte es nicht sein. Als wahres Skitouren Eldorado ist das…
    weiterlesen...

Winterwind 2024

zum Blättern

Winter Magazin - Winterwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Skigebiete Skifahren Rodeln Langlaufen Winterwandern Schneeschuhwandern Eislaufen Schöneben Haideralm Sulden Trafoi Watles Ferienregion