Bei den Vorwahlen soll darüber abgestimmt werden, mit welchen zwei Bürgermeister-Kandidaten die SVP in die eigentlichen Wahlen im März gehen soll.
Bei den Vorwahlen zur Auswahl stehen zwei Kandidaten und eine Kandidatin. Drei veritable Persönlichkeiten haben sich also für die Wahlschlacht gemeldet. Freiwillig, ohne Zwang. Da ist zum einen Verena Rinner, Arbeitnehmerin mit wirtschaftlichen Wurzeln elterlicherseits. Rinners Eltern betreiben das Autohaus Rinner samt Autowerkstätte an der Hauptstraße. Die 42-jährige Rinner selbst ist seit 2008 Direktorin des Schulsprengels Prad und sitzt seit 2005 im Gemeinderat. „Ich habe Lust, etwas zu bewegen“, sagt Rinner dem Vinschgerwind. Rinner probiert einen Spagat zwischen Arbeitnehmern und junger Wirtschaft. Sie hat bereits Gespräche mit Wirtschaftsverbänden aufgenommen und sondiert, wo den Latschern der Fuß drückt. Rinner sagt, dass sie in der jungen Wirtschaft von Latsch spürt, dass Lust da ist, etwas zu tun. Es gehe darum, den Standort Latsch attraktiver zu machen. Eine Art Ortsentwicklung schwebt Rinner vor. Es könne doch nicht sein, dass das „Apfelsportdorf“ Latsch kein einziges Sportgeschäft mehr habe. Dass Restaurants und Cafés schließen. Tatsächlich ist das Gasthaus Lamm mitten am Dorfplatz zu, das Rathauscafé schließt ebenfalls seine Tore. Der Radweg sei wichtig für die Belebung im Dorf, sagt Rinner. Der Radweg ist bereits außerhalb des Dorfes, in Etschnähe,
geplant. Aber über den Tisserweg, so Rinner, könne man die Radfahrer ins Dorf locken. Bei der Anbindung mit Glasfaser bestehe akuter Handlungsbedarf. „Wir haben noch nicht einmal einen Masterplan“, sagt Rinner. Rinner sprudelt vor Ideen. Seit 9 Jahren ist sie als „beauftragtes Gemeinderatsmitglied“ mit den Themen „Familien und Kinderspielplätze“ betraut. Rinner rechnet sich durchaus Chancen aus, die Vorwahlen zu überstehen. Dann sehe man weiter. Ein erstes Polit-„Opfer“ hat es in Latsch bereits gegeben: Sonja Platzer war eine Woche lang Obfrau des Sozialausschusses in Latsch und hat in dieser Funktion Verena Rinner unterstützt. Weil Platzer auch SVP-Ortsobfrau von Morter ist, ist ihr diese Unterstützung wohl unheimlich geworden. Denn am vergangenen Dienstag ist mit Christine Sachsalber, nachdem Platzer zurückgetreten war, eine neue Obfrau für den Sozialausschuss gewählt worden.
Chancen rechnet sich auch Christian „Diddi“ Stricker aus Morter aus. Seit 2000 ist Stricker im Gemeinderat von Latsch. Von 2005 bis 2010 war er sogar tüchtiger Vizebürgermeister und hat in dieser Funktion unter anderem die Stellung von Schloss Goldrain aus Sicht der Gemeinde Latsch zurechtgerückt. Diese Funktion wurde ihm ab 2010 verwehrt, trotz bestgewähltem Gemeinderat. Der BM Karl Weiss kürte damals den Latscher Hans Mitterer zu seinem Stellvertreter. In Latsch wollte man den Morterer Bauer Stricker wohl nicht zu stark werden lassen. Stricker hat sich kürzlich - gegen die Latscher Politriege - in Szene gesetzt: Er hat sich vehement und letztlich erfolgreich gegen eine Änderung der Gemeindesatzung zur Wehr gesetzt. Laut neuem Regionalgesetz wird der Latscher Gemeinderat künftig aus 18 Räten und dann aus 5 Ausschussmitgliedern bestehen. In der bisherigen Latscher Gemeinde-Satzung steht geschrieben, dass der Ausschuss aus „bis zu“ 7 Mitgliedern bestehen soll und dass die Fraktionen im Ausschuss angemessen vertreten sein müssen. Letzteren Passus wollte man in Latsch streichen. Denn bei nur mehr 5 Ausschussmitgliedern (Bürgermeister plus 4 Referenten) könnte der Latscher Hauptort ins Hintertreffen geraten: Wenn nämlich drei Vertreter aus den Fraktionen (je einer aus Goldrain, Tarsch und Morter) zwei Vertretern aus Latsch im Ausschuss gegenüberstehen, könnten, so die Befürchtung im Hauptort, die Fraktionen gemeinsam mehrheitlich durchmarschieren. Weil nun keine Satzungsänderung zustande gekommen ist, kann dieser Casus durchaus eintreten.
Als Dritter im Bunde stellt sich Helmuth Fischer den BM-Vorwahlen. Fischer hat 2010 die BM-Wahl gegen Karl Weiss verloren, hat sich in der vergangenen Legislatur auffallend ruhig im Gemeinderat verhalten. Nur gegen den Raumordnungsvertrag mit dem Herilu hat Fischer ordentlich gewettert. Der wortgewaltige Fischer ist ein klassisch gebildeter Bauer und hat 35 Jahre lang beim Weißen Kreuz als Freiwilliger gearbeitet, 16 Jahre lang davon als Sektionsleiter von Schlanders, 8 Jahre lang im Landesvorstand. Als SVP-Ortsobmann kennt er parteiinterne Abläufe in- und auswendig. In diesem Zusammenhang kommt Fischer auch zupass, dass er als Busenfreund von SVP-Parteiobmann Richard Theiner gilt. Der Vorwurf in Latsch, er habe relevante Parteigremien „verfallen“ lassen, perlt an Fischer ab. Jedes Gremium, so auch der SVP-Sozialausschuss, die SVP-Ortsjugend und der SVP-Wirtschaftsausschuss, sei souverän und innerhalb eines Jahres nach Verfall der Gremien neu zu wählen. Kürzlich haben Neuwahlen stattgefunden, man sei demnach also innerhalb der Fristen. In der Wahlwerbung, die in der Gemeinde Latsch kursiert, hat Fischer als einziger der drei Kandidaten beim „Ich stehe für...“ „Unterstützung Sessellift Tarscher Alm“ angeführt. Was auch immer das heißen mag, es dürfte kein Zufall sein.
Denn gerade derzeit wird in Latsch das Thema Tarscher Alm wieder heiß diskutiert. Am heutigen Donnerstag, 23. Jänner 2014, wird die Konkursmasse der Tarscher Alm wieder zur Versteigerung angeboten. Veranschlagter Ausrufepreis sind 1.280.000 Euro. Der geschätzte Wert ist mit 2.575.000 Euro fast doppelt so hoch. Einer, der mit Sicherheit wieder in Bozen vor der Konkursrichterin Francesca Bortolotti sitzen wird, ist Franz Rinner, der auch die vergangenen vier Versteigerungstermine als Zaungast wahrgenommen hat. Rinner war einer der ursprünglichen Begleiter des Spaniers Jaime Lorenzo Blanco, der die Tarscher Alm als „Pure Nature GmbH“ wieder flott machen wollte und dann 2010 Konkurs angemeldet hat.
Tatsächlich gehen in Latsch wildeste Gerüchte um, wer alles am Skigebiet oder an einem Sommerbetrieb interessiert sein könnte. Der Vinschger Schotter- und Betonkönig Franz Marx etwa wurde von Latscher Seite aufgefordert, sich zu engagieren. Marx sagt dem Vinschgerwind trocken: „Kein Interesse.“ Der Latscher Raika-Obmann und Multimillionär Walter Rizzi, kürzlich als Käufer der Ruine Obermontani (5 Millionen Euro) in die Schlagzeilen geraten, erklärt, dass sein Familienrat beschlossen habe, die Finger von der Tarscher Alm zu lassen. Rizzi sagt, dass eine solche Anlage besser in einem Gremium aufgehoben sei, welches sich mit touristischen Belangen beschäftige. Rizzi meint die Ferienregion Latsch-Martell. Denn damit wären Unterstützungen von öffentlicher Hand, welcher Art auch immer, leichter zu rechtfertigen.
Der Präsident der Ferienregion Günther Pircher hüllt sich in Schweigen: „Bevor nicht Tatsachen geschaffen sind, kann ich öffentlich nichts sagen.“ Werner Kiem vom Latscherhof sagt, dass man jetzt handeln müsse. Und zwar alle Touristiker in Latsch gemeinsam. In welcher Form man Kauf und Betrieb abwickeln könnte, sei noch zu klären. Tatsächlich hat man die Absicht, die Tarscher Alm kaufen zu wollen, bereits dem amtierenden Gemeindeausschuss und auch einzelnen BM-Kandidaten mitgeteilt. Man habe die Rückmeldung seitens der Kandidaten bekommen, sagt Kiem, dass die Aufstiegsanlagen für die Entwicklung von Latsch und für die Bevölkerung, für die Jugend vor allem, von Bedeutung seien. Eine Art Führungsbeitrag von Seiten der Gemeinde erwarten sich die Initiatoren. Kürzlich wurde die Finanzierungsmarschrichtung in der Ferienregion beschlossen: Die Mitgliedsbetriebe sollen 7 Jahresraten der freiwilligen Mitgliedsbeiträge im Voraus zahlen. Dieses Geld soll in eine Gesellschaft fließen, welche die Konkursmasse der Tarscher Alm kaufen und dann auch betreiben soll.
Die Tarscher Alm ist eine Linie, die sich zufällig mit den BM-Vorwahlen und dann mit den Gemeinderatswahlen kreuzt. Eine andere Linie ist das Verhalten der Bauern in Latsch. Im Apfeldorf Latsch regieren die Bauern immer mit. Seit zwei Monaten ist Joachim Weiss Latscher Ortsobmann des Bauernbundes. In Latsch wird gesagt, dass Weiss nicht den Latscher Bauer Fischer, sondern den Morterer Bauer Stricker unterstützt. Mit dieser Behauptung konfrontiert, lacht Weiss ausgiebig. Weiss sagt dann: „Wir werden uns in Anbetracht von zwei Bauernkandidaten bei den Vorwahlen wohl neutral verhalten. Erst in der zweiten Runde, also bei den eigentlichen BM-Wahlen werden wir einen Forderungskatalog präsentieren. Welcher Kandidat damit einverstanden sein wird, den werden wir unterstützen.“
Das Verhalten der Bauern, das Verhalten der Fraktionen, der Kauf des Skigebietes, das Verhalten der Wirtschaft, die Hoffnungen im Latscher Dorfzentrum, die Forderungen auch, dass in Latsch das Recht jedes Einzelnen zu schützen sei, dass keine Zweiklassen-Freunderlwirtschaft herrschen dürfe: Die Vorwahlen am kommenden Samstag dürften spannend werden. Denn die Vielfalt der Themen, die Vielfalt auch des Latscher Beziehungsgeflechtes lassen einen zwingend-logischen Kandidaten im Vorfeld nicht erkennen.