Dienstag, 05 November 2013 09:06

„A Stilzer ohne Goaß, sel war nia gongan“

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

s17 9480Mathilde Stecher aus Schluderns und Sepp Platzer aus Stilfs haben vor drei Jahren die „Goldene Hochzeit“ gefeiert. Sie sind miteinander durch Dick und Dünn gegangen. Um sich ein Heim zu bauen, haben beide sogar in einer Fabrik im Schwarzwald gearbeitet.

von Magdalena Dietl Sapelza

Am Tag vor dem Kirchtag zu Katharina im Jahre 1960 gaben sich Mathilde und Sepp um fünf Uhr in der Früh in der Schludernser Pfarrkirche das Ja-Wort.

Sie zogen in Mathildes Elternhaus und waren fest entschlossen, sich auf dem Stück Grund, den sie von ihren Eltern zugesprochen bekommen hatten, ein eigenes Heim zu bauen. Im Hotel Eller in Sulden hatten sie sich Ende der 1960er Jahre kennengelernt. Mathilde arbeitete dort als Serviererin und Zimmermädchen. Sepp, der gelernte Maurer aus Stilfs, war beim Langensteinlift beschäftigt, während im Winter die Arbeiten am Bau ruhten. In den Sommermonaten arbeitete er als Vorarbeiter bei einer Baufirma im Münstertal. Seine Lehre hatte er in seinem Heimatort im Maurerbetrieb Pfeifer absolviert und anschließend eine Zusatzausbildung in der Polierschule in Innsbruck abgeschlossen. Diese ermächtigte ihn zur Vorarbeit.
Mathilde wollte auch nach der Hochzeit mitverdienen, um den Traum vom Eigenheim verwirklichen zu können. Zufällig stieß sie auf ein Angebot aus Deutschland. Ein Uhren- Fabrikant  in Schrammberg suchte Leute. Kurzentschlossen meldeten sich die Frischvermählten und erhielten sofort die Arbeitsplätze zugesprochen. „14 Tog noch dr Hozat sain miar noch Deutschlond gongen“, erinnert sich Mathilde. Bei einer älteren Frau bezogen sie ein Zimmer. Mathilde stanzte Nadeln und Sepp stand an der Fräsmaschine. Sie arbeitete bald im Akkord, was mehr Lohn bedeutete. Da in der Fabrik auch mehrere Italiener beschäftigt waren, wurde Mathilde auch als Dolmetscherin gebraucht. Sie hatte in der Zeit der Faschisten ausschließlich die italienische Schule besucht. Für ihre Übersetzerdienste erhielt sie Kuverts mit Geld. „Pa jedn Kuvert hon i zersch olm Ongst kopp, dass di Kündigung drin isch“, sagt sie. 1961 wurde sie schwanger und musste vor dem Weihnachtsurlaub Abschied nehmen. Sepp kehrte im neuen Jahr alleine in die Fabrik zurück. Nach Ostern blieb auch er bei seiner Frau, die ihm inzwischen die Tochter Roswitha geschenkt hatte. „In dr Uhrenfabrik hattn si inz gern gholtn unt inz sogor a Wohnung gstellt“, betont er. „Unt i war a gearn obr außi gongan“, sagt Mathilde. Doch Sepp war zu heimatverbunden. Er fand wieder Arbeit als Maurer in der Schweiz, und er begann mit dem Bau des eigenen Heimes. „Mitn Gelt fa Deutschlond hoobmer kennt in Rohbau aufstelln“, sagt er. Mathilde unterstützte ihn.  „Miar hoobm haifi mitnond gmocht unt Tog unt Nocht gorbatet“, meint sie. 1964 zog die Familie ins neue Heim. Ein Jahr später erblickte Sohn Reinhold das Licht der Welt und 1968 Tochter Isolde. Kurze Zeit später kam das fünfjährige Pflegekind Erich ins Haus. „Dr Erich isch für inz olm wia a oagns Kind gweesn“, erklärt Mathilde. Das Geld, das sie für die Betreuung des Kleinen zugesprochen bekommen hatte, überließ sie dessen Vater, der noch zwei Kinder zu versorgen hatte. Sepp baute in seiner Freizeit auch einen kleinen Stall und kaufte einige Ziegen. „A Stilzer ohne Goaß, sel war nia gongan“, lacht Mathilde. Da ihr die Ziegenmilch ganz und gar nicht schmeckte, tauschte Sepp die Ziegen durch Kühe aus. In den 1980er Jahren errichtete Sepp auch einen kleinen Stadel. Mathilde organisierte die Bauerschaft, während Sepp auf der Baustelle war. Wenn es allerdings um die Sennerei oder um die Upi-Alm ging, war Sepp stets zur Stelle. Jahrzehntelang setzte er sich als Milchmesser ein, als „Aufsammler“, Zubringer von Lab-Pulver und vielem mehr. In seiner Stube hängen mehrere Dankesurkunden. Bis vor kurzem ließ sich Sepp keine „Kasverkostung“ entgehen. „Iaz tuat dr Schnaufer nimmer richtig“, meint er. Aus Gesundheitsgründen hatte er die Bauerschaft aufgeben müssen. „ „Oa Kuah hon i olm nou af dr Upi“, betont er. Diese Kuh leiht ihm der Pächter seiner Grundstücke. 100 Kilogramm Käse und 13 Kilogramm Butter hat er heuer eingekellert. „A Olpkaas isch onafoch guat“, bekräftigt er. Am 24. November will er einen besonders guten Laib anschneiden und zwar zur Marende am Hochzeitstag, dem Tag vor Katharina. 

 

 

 


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 2954 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.