Schlanders erzählt... Märchenherbst

Maerchenherbst24

 
 
Dienstag, 06 August 2013 09:06

Kortsch - die Urmutter der Vinschger Dörfer ist guter Hoffnung

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

KortschHof3Hof4Kortsch - ein gemütliches Dorf mit viel Sinn und Wertschätzung für alte Höfe. Die Kortscher gehen mit ihrem Erbe konstruktiv um. Sie gestalten ihre Höfe vorbildlich effizient, überlegt, einfallsreich und enkeltauglich (nachhaltig), was sich auch positiv auf das Dorfbild auswirkt, doch die Sache hat einen Haken. – Kortsch feiert mit dem neuen Siedlungsgebiet in der Südzone mit Göflan und Schlanders Hochzeit. Den Umständen entsprechend wird es eine sorgenvolle Zukunft fristen, denn wertbeständige und sinnvolle Raumplanung und Flächenumwidmung bedeuten mehr als nur Zonen ausweisen ... will der Vinschgau nicht als Groß-Streu-Dorf enden.

Frieda B. Seissl, wohnhaft in Laas, wirft den Blick einer Fremden auf den Vinschgau  

Kortsch – breit am Hang angelegt und gut beieinander, massiv und fest verwebt seine Höfe mit den Menschen und deren Landschaft, eine fruchtbare Nahrung spendende Stätte am Moränenberg, wo drei wie auf einer Perlenkette gereihte romanische Kirchen heidnischen Ursprungs den Hang hinauf- bzw. hinuntersteigen, verkörpert die gütige, hegende Urmutter der Vinschger Dörfer.

Hof7Kortsch2Hof5Ein geschmackvolles Dorf mit Tiefe und Sinn für Wertschätzung alter Höfe. Zuviel Geld mache alles hin, sagt man gerne, das verderbe nicht nur den Charakter, sondern auch die Sinneseindrücke, was sich in geschmacklosen Materialschlachten und Grobheit äußere. Anders in Kortsch, dort gehen die meisten Menschen mit ihren Häusern achtsam und bescheiden um, pflegen und renovieren, überlegen und schätzen ihr Gut von dem sie herkommen. Der konstruktive Umgang mit dem Erbe ist mit der Zeit langsam herangereift. Die Kortscher gestalten ihre Höfe vorbildlich, einfallsreich und enkeltauglich (nachhaltig), was sich indirekt auch positiv auf das Dorfbild auswirkt. Hier scheint der neue Reichtum nicht in Präpotenz abzugleiten, sondern zeigt sich im behutsamen Umgang mit dem Erbe als Geschenk. Die einzelnen Höfe sind eingebettet in das Dorf, jeder Hof bleibt für sich und ist doch gemeinschaftlich angeordnet und verbunden. Somit sind die Kortscher nicht nur reich an Geld, sondern auch kultiviert.

Die Leute wohnen hier also recht gut in den alten Hütten. Es ist eine spannende Kombination aus Alt und Neu, aus alt hergebrachtem Material und Werten mit neu gelebten Kenntnissen und Erfahrungen. Hier sind menschliche Maße spürbar in Steinmauern und Wegen und in den Gebäuden. Mit alten Flächen- und Raummaßen wie Fuß oder Elle, Klafter oder Muth erbaut und gewachsen, wirkt das Dorf, wirken die Höfe runder, dicker, reicher. Kortsch ist demnach behäbiger als andere Dörfer, wärmer, greifbarer und gemütlicher, langsamer und schwerfälliger. Das alles lässt das Dorf sehr präsent erscheinen, man ist dabei und klinkt sich ein. Die Straßen schlängeln sich entlang den groben unregelmäßigen Steinmauern, begleitet von unzähligen Brunnen und Nischen - scheinbaren Sinnlosigkeiten, die das Dorfleben bereichern und verzaubern. Heute würde man solch eine Siedlung ganz anders bauen: funktional, wirtschaftlich berechnend, logisch ...

Asphaltflchen1Asphaltflchen2Asphaltflchen3Doch etwas stört. Es ist der dunkelfarbene Asphalt, der das ganze Dorfgeschehen verplombt und mit den Häusern (Be-  wohnerInnen) nicht kommuniziert, ohne grüne Übergänge (Rasen oder Bäume), die sozialen, emotionalen Austausch erleichtern. Undurchdringliche Asphaltdecken Teerschläuchen gleich, baumlose Straßen und unbegrünte Wegränder lassen die Bewohner in die nächste Ortschaft nach Schlanders absacken und drücken bleiern auf die Dorfstimmung. Dieser Eindruck verschärft sich, wenn man von Allitz kommend durch Kortsch ins tiefer liegende Schlanders geht. Dort wird das Dorf allmählich ungemütlich. Zunehmend wird das Archaische, Bodenständige und Authentische von einfältig Modernem, neumodisch Billigem abgelöst. Die Durchfahrtsstraße zerhaut die Dorfstimmung und verwüstet den Dorfcharakter.

Die Straßendimensionen sind für Fahrzeuge und nicht für Fußgänger (Dorfbewohner) gemacht. Steil und zu breit bis zum Kirchplatz angelegt, saust sie wie eine Schnellstraße mitten durchs Dorf. Für Maschinen verbindlich gebaut, wirkt sie schonungslos entmenschlicht, deshalb unecht und verfälscht. Ersetzt man die Asphaltflächen durch Pflaster mit Grünflächen statt der Randsteine, pflanzt man Bäume entlang den Straßenwegen, wirkt das Dorf ausgeglichen und ruhig und die Lebensqualität würde zunehmen. Den Dorfbewohnern in ihren Höfen ist es scheinbar egal ob ihr Verkehrs - und Kommunikationsnetz (= Plätze und Fußwege: Verbindungswege, Tore, Durchgänge, Abkürzungen, Pfade, Treppen ...) funktioniert oder nicht. Dafür haben die Menschen in ihren Höfen kein Auge und keinen Sinn, denn sie verweilen in ihren Höfen, nicht im Dorf und gehen dort kaum zu Fuß.

Asphaltflchen6Asphaltflchen4Bildlich gesehen wird die Dorfbegabung (das Allgemeingut) also nicht gefördert, sondern bleibt verborgen hinter einer lieben alten Urmutter (=Kortsch), welche in ihren vier Wänden gastfreundlich herrscht und ausgezeichnet kocht (es gibt in Kortsch nicht umsonst eine Haushaltsschule), aber dann zu einer dunklen großen Dorfgestalt wird, zu einer unantastbaren mächtigen Autorität, wenn es um das Dorfleben, um das Dorfbild und Allgemeingut geht. Das heißt, es fehlt an einer umfassenden Gesamtschau, welche auf ein gutes Leben für alle zielt und deren Reichtum sich in der Qualität der Beziehungen untereinander ausdrückt. Es mangelt an Dorfkommunikation, Dorfwegen und Durchgängen zum neuen Siedlungsgebiet im Süden, die Durchlässigkeit und Toleranz verkörpern, aber es fehlt auch ein zwangloses Treffen in einer Café-Konditorei im Zentrum, was emotionale Bindungen fördert.
Fraglich ist, ob das Haushaltsschulgebäude nicht eher belastend für die bauliche Umgebung ist, denn die Schule mit städtischem Flair wirkt wie ein in sich geschlossener Kunstkörper ohne Bindung zur dörflich-bäuerlichen Nachbarschaft, dessen Dynamik ganz im Widerspruch zum Dorfgeist steht. Scheinbar haben Land und Gemeinde damals durch den Bau der Haushaltsschule im kostbaren Dorfkern rücksichtslos die (bauliche) Nachbarschaft entmündigt, um ein Schulgebäude mitten hineinzusetzen. Die Schule, ursprünglich prädestiniert Leben ins Dorf zu bringen, schafft genau das Gegenteil: Der Baukörper verdrängt das Dorfleben und betont das Bild der leerstehenden Häuser. Natürlich muss ein Ortsbild besondere Wertigkeit für alle besitzen, um es rücksichtsvoll umgestalten und durchsetzen zu können, doch haben die Kortscher hier ihre Qualität, aus alten Gütern Neues zu formen, gedankenlos einer belanglosen Idee geopfert, die sich nun negativ auf das soziale Dorfleben auswirkt.

Asphaltflchen5Asphaltflchen7Das neu entstehende Wohngebiet südlich des Dorfzentrums zur Hauptstraße birgt dieselben Gefahren. Man weiß nicht mehr, wo sich die Grenze zu Schlanders befindet, inzwischen ist es auch egal. Das Siedlungsareal zieht sich übergangslos von Kortsch über die Melaunen bis zum Bahnhof oder über die Handwerkerzone bis zur immer dominanter werdenden Obstgenossenschaft und zum Berufsschulzentrum. Für die Kortscher bedeutet das neue Siedlungsgebiet bestenfalls ein Unterdorf ohne Zugang zum Oberdorf. Die Oberen bestimmen und schauen auf die da unten in ihrer Bestlage, ohne Sinn für den Nächsten. So entstehen immer mehr Häuser und Wohnungen am Dorfrand. Falls weiterhin nichts an Infrastruktur für das Allgemeinwohl und nichts für soziale und emotionale Bindekräfte unternommen wird, wird das Wesen des Großdorfes zerstört. Weder Nahversorgung noch gemeinschaftliche Anlagen, Kleingärten, noch öffentliche Plätze (keine Parkplätze) sind garantiert. Wo bleiben Grünanlagen und Plätze mit ruhigen Innenhöfen für die Siedlungen?
Eine einzige Beton- und Asphaltplage, ein dicht besetztes Gebiet mit unzureichender Nahversorgung und ohne Bäume - Mono in Reinkultur. Wie freudlos und vegetationsarm heutige Planungen in ihrer Gesamtschau aussehen, wie erbärmlich eintönig sie im Zusammenspiel wirken, kann man mit dem aus dem 19. Jahrhundert stammenden großzügig und weitsichtig angelegten Bauensemble rund um die Bahnhofs- und der jüngeren Kasernenanlage mit Wohnhäusern, Gasthof, vielfältigen Baumarten, Alleen, Garten- und Grünbereichen, gut erkennen.

Planen bedeutet nachhaltig - enkeltauglichen- Einfluss nehmen auf die Gesellschaft mit ihren kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Anforderungen, denn eine so große Siedlungsdichte - dazu zählen auch die hohen Schüler- bzw. Pendlerfrequenzen untertags - fordert eine andere Zusammenschau und Vision als ein einzelnes Dorf. Das leerstehende Kasernenareal bietet dafür eine einmalige Gelegenheit: Sport- und Freizeithallenbad im botanischen Garten und Nahversorgung stillen grundlegende Bedürfnisse, würden  das Gebiet aufwerten und Lebensqualität für Generationen ins zukünftige Dorf Vinschgau bringen.


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 2825 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 22 24

titel Vinschgerwind 21-24

titel vinschgerwind 20-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.