Donnerstag, 10 März 2011 10:23

Biosprit E10: Heilsbringer oder Schwindel?

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„Grüner“ Benzin sorgt für Diskussions-Zündstoff

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In den vergangenen Wochen, noch vor dem verheerenden Erdbeben in Japan, war der Biokraftstoff E10 das beherrschende Thema in den deutschen Medien. Die Bundesrepublik hatte eine Richtlinie der Europäischen Union umgesetzt mit dem Ziel, durch eine Benzinmischung aus Bioethanol und fossilen Brennstoffen, den CO²-Ausstoß bei Fahrzeugen und zugleich die Abhängigkeit von den Ölförderungsstaaten zu verringern. Doch die Tankstellen blieben auf dem neuen Treibstoff sitzen, obwohl dieser doch in naher Zukunft das Super Benzin ersetzen sollte.

E10 sei problematisch, hieß es von Umweltverbänden und Autofahrervereinigungen: Gerüchte über drohende Motorschäden durch den Biosprit machten die Runde, der CO²-Ausstoß werde gar nicht verringert, sondern gesteigert, von Täuschung der Verbraucher war die Rede und ist es überhaupt zu verantworten, Lebensmittel für die Herstellung eines Kraftstoffes wie Ethanol zu verwenden? Mineralölfirmen, Autohersteller, Umweltgruppen und Politiker reagierten zunächst zögernd auf die Vorwürfe und verursachten dann ein Kommunikationschaos: Es wurde beschwichtigt, widersprüchlich argumentiert und die Verantwortung weitergeschoben. Zurück blieben verunsicherte Autofahrer, mit dem Ergebnis, dass bisher nur jeder Zehnte auf E10 umstieg, obwohl es zurzeit billiger als das Super Benzin ist.

Ein Benzingipfel zwischen Wirtschaft und Politik wurde einberufen. Dieser sollte alle Unklarheiten aus dem Weg räumen und Maßnahmen beschließen, um die Verbraucher besser zu informieren. Eigentlich.
In Italien hingegen kennt man diese Probleme noch nicht. Auf Nachfrage deutscher Medien beim italienischen Automobilklub, gab man unumwunden zu, die Bezeichnung E10 nur aus den Diskussionen in Deutschland zu kennen. Doch auch hierzulande wird man sich früher oder später mit dem Thema Biokraftstoff auseinandersetzen müssen.

Die Europäische Union hat seine Mitgliedstaaten verpflichtet, bis 2020 die Emission von Treibhausgasen bei Kraftstoffen um 10 Prozent zu verringern. Dazu müssen bis dahin ebenso viele Prozent, der im Transportsektor verbrauchten Energie, erneuerbar sein. Einige Länder in der EU, darunter auch Deutschland, wollen diese Vorgaben mit dem sogenannten Biotreibstoff E10 erreichen. Die Bezeichnung E10 bedeutet, dass dem fossilen Brennstoff zehn Volumenprozente an Ethanol beigemischt werden. Dadurch soll ein Drittel weniger CO²  ausgestoßen werden als bisher. Doch die Sache hat nicht nur einen, sondern gleich mehrere Haken. Zum einen vertragen nicht alle Automarken diesen neuen Treibstoff und zum anderen ist seine Herstellung nicht unproblematisch, besonders von moralischen und ökologischen Standpunkten aus gesehen. Dabei ist Ethanol im Benzin nichts Neues. Bereits heute ist im normalen Benzin fünf Prozent davon beigemischt. Durch eine noch höhere Ethanolmenge können aber bei einigen Automodellen im Motorraum Leitungen korrodieren und Kunststoffteile angegriffen werden; ein Motorschaden wäre die Folge. Laut deutschem Umweltbundesamt ist jedes zehnte Auto davon betroffen – insgesamt rund drei Millionen Fahrzeuge in der Bundesrepublik. Und dabei handelt es sich nicht nur um ältere Bauarten - einige VW Modelle mit FSI Motor sind bis zum Baujahr 2006 betroffen. Eine genaue Auflistung der Fahrzeugtypen findet man im Internet unter http://www.dat.de/e10liste/e10vertraeglichkeit.pdf.

Auf dem deutschen Benzingipfel wurde daher beschlossen, eine Informationskampagne zu starten und Listen zu erstellen, in denen jene Automarken angeführt sind, die E10 nicht vertragen. Diese sollen dann rechtsverbindlich sein, um bei auftretenden Schäden entsprechend reagieren zu können.
Umweltverbände waren bei dem Treffen allerdings nicht vertreten. Sie sprechen beim Biosprit E10 von einer Mogelpackung. Denn für die Gewinnung von Ethanol müssten die landwirtschaftlichen Anbauflächen für Weizen, Zuckerrüben und Mais vergrößert werden und die positive Wirkung des Kraftstoffes auf die Klimabilanz könnte sich so durch den erhöhten Einsatz von Ernte- und Transportmaschinen in einen Nachteil verkehren. Außerdem erhöhe sich der Kraftstoffverbrauch durch die schlechtere Verbrennungseigenschaften von E10 um bis zu 2 Prozent, einige Medien sprachen sogar von 5 Prozent. Es gibt also erhebliche Zweifel, auch von vielen Wissenschaftlern, dass durch den Biosprit E10 wirklich 35% weniger CO² in die Atmosphäre gepustet wird. Aber auch unter ethischen Gesichtspunkten ist die Einführung des neuen Treibstoffes umstritten. Kritiker führen an, dass es unverantwortlich sei, Lebensmittel für die Kraftstoffgewinnung zu verwenden während diese immer knapper und teurer werden; allein die Preise für Mais und Weizen seien in den letzten Jahren um 75 Prozent gestiegen, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Trotz aller Vorwürfe über Falschinformation auf beiden Seiten, der Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Einführung des Biosprits und der Verunsicherung bei den Autobesitzern, das Ergebnis des Benzingipfels ist eindeutig: Der Sprit bleibt.

In anderen Ländern ist die Umstellung auf die sogenannten Biokraftstoffe reibungsloser vonstatten gegangen. In Frankreich zum Beispiel ist E10 schon seit 2009 auf dem Markt und von technischen Problemen bei Fahrzeugen ist bisher wenig bekannt. Rund sechzig Prozent der französischen Fahrzeuge können den neuen Treibstoff verwenden. Frankreich ist der größte Produzent an Bioethanol in Europa. In Schweden soll es bereits ab Mai, gar keinen Normal Benzin mehr geben. Bereits jetzt kann man dort Kraftstoff mit bis zu 85 Prozent Ethanol tanken. Auch in Brasilien und den USA, weltweit Spitzenreiter in der Ethanolproduktion, fahren die Fahrzeuge schon jetzt mit bis zu 25 Prozent Ethanol im Tank.

Martin Platzgummer


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