Spezial-Landwirtschaft: „Die Keschtn sein meine Leidenschaft “

geschrieben von
Paul Kofler mit Frau Sonja Paul Kofler mit Frau Sonja

Paul Kofler vom Keschtnhof in Kastelbell ist der Sieger der ersten Kastanienhain-Meisterschaft. Der wertvollste und prachtvollste Kastanienhain Südtirols befindet sich demnach in Kastelbell.

von Angelika Ploner

Die Überraschung war groß und er habe „a mords Freid“. Paul Kofler ist der Sieger der ersten Kastanienhain-Meisterschaft in Südtirol. Am vergangenen 11. Oktober 2024 fand die Prämierung vor Ort im Kastanienhain oberhalb Kastelbell statt. „Die Wahl des Siegers fiel uns nicht leicht“, sagte Philipp Bodner von der Eurac, „aber dieser Hain repräsentiert alle Werte, denen wir uns als Initiative Baumgart verschrieben haben. Ein traditioneller Vinschger Lattenzaun und Trockensteinmauern wurden bewusst aufgebaut bzw. wieder in Stand gesetzt. Der Hain fügt sich wunderschön in die umliegende Berglandschaft ein und wird sehr gut gepflegt. Die alten Kastanienbäume bieten mit ihren zahlreichen Baumhöhlen und den extensiv bewirtschafteten Wiesen Unterschlupf für viele Tier- und Pflanzenarten.“ 25 Kastanienhain-BewirtschafterInnen von Natz-Schabs bis Schlanders haben teilgenommen und sind dem Aufruf zu Kastanienhain-Meisterschaft der Initiative Baumgart im Frühjahr gefolgt.
Hinter Baumgart stehen neun Institutionen (siehe Infokasten). Das Kernthema der Initiative: Streuobstwiesen und Kastanienhaine in Südtirol in all ihren Facetten aufwerten - kulturell, kulinarisch, ästhetisch, ökonomisch und ökologisch. Mit anderen Worten Landschaftsqualität schaffen. Streuobstwiesen und Kastanienhaine tragen zur Biodiversität bei und bereichern die Natur- und Kulturlandschaft. Die Bedeutung der Kastanienhaine ins Bewusstsein der Bevölkerung rücken, einerseits, und andererseits jene, die diese Kulturlandschaft erhalten, auszuzeichnen, das war das Ziel dieses Wettbewerbs bzw. dieser Meisterschaft.
Eine 12-köpfige Kommission bewertete vor Ort den Zustand der Anlagen, die ökologische Vielfalt, die Ästhetik, die Einbindung ins Landschaftsbild, auch agronomische und ökonomische Kriterien flossen mit ein. Der Kastanienhain von Paul Kofler überzeugte. Sein Kastanienhain besteht aus einer Fläche von rund 3.500 Quadratmeter. „Zwischen 95 und 97 Kastanienbäume stehen hier“, sagt Kofler zum Vinschgerwind, „vom 2 jährigen bis zum 400 Jahre alten Baum.“ Viel Zeit investiert er in die Pflege. Das fängt im Frühjahr mit dem Winterdreck und Kastanienigel verräumen an und geht bis zur Ernte intensiv weiter. Kofler: „Es gilt Baumsanierungen zu machen, Holz zu entfernen und Krankheiten in Schach zu halten.“ Eine der Herausforderung bei der Pflege der Kastanienbäume ist der Kastanienrindenkrebs – eine Pilzkrankheit, die alte und junge Bäume befällt und zum Absterben bringen kann. Und auch der Kastanienwickler und -bohrer bereitet immer wieder Probleme.
Helmuth Scartezzini, eine Koryphäe im Bereich der Kastanien, gab den zahlreich Erschienenen bei der Verleihung einen kurzen Überblick: „Die Kastanien sind bio. Es gibt keinen Betrieb, der irgendwelche chemische Zusatz-Hilfsmittel einsetzt, um eine Produktion zu haben. Die Schädlinge versucht man mit natürlichen Gegenspielern in den Griff zu bekommen. Kastanienbäume sind eine alte Kultur, die am Vinschger Sonnenberg nicht durchgehend verbreitet ist, sondern eben dort, wo Wasser ist: entlang der Waale. Bis auf 1.000 Höhenmeter wachsen im Vinschgau Kastanienbäume. In Schluderns auf der Churburg stehen die höchsten.
Durch das heurige regenreiche Frühjahr, eine schlechte Befruchtung, einem kurzen Sommer und wenigen Sonnenstunden jetzt im Herbst muss man heuer mit weniger - und späterer - Ernte rechnen. Jetzt geht es in Kastelbell etwa erst richtig los.
Kofler ist übrigens der Vizeobmann des Vinschger Kastanienvereins. Obmann Max Gögele lieferte den Anwesenden Zahlen: Rund 60 Hektar nimmt im Vinschgau der Anbau der Edelkastanie ein. Ca. 3.500 Kastanienbäume werden von rund 120 Kastanien- Hobbybauern gehegt und gepflegt. Rund 50 Tonnen beträgt die Ernte durchschnittlich pro Jahr.

 

Die Initiative Baumgart ist eine offene Plattform und besteht derzeit aus neun Partnerinstitutionen: Eurac Research, Dachverband für Natur- und Umweltschutz, Roter Hahn, Bioland Südtirol, Sortengarten Südtirol, Heimatpflegeverband Südtirol, Amt für Natur, Obstbaumuseum Südtirol und Versuchszentrum Laimburg.
Baumgart möchte auf die einzigartigen Lebensräume, die Streuobstwiesen darstellen, hinweisen und der Bevölkerung ihren Mehrwert ins Bewusstsein rufen. Streuobstwiesen sind landschaftsprägend und identitätsstiftend und dienen dem Erhalt und der Kultivierung der Sortenvielfalt. Als Hotspot der Biodiversität schaffen und erhalten sie Lebensräume für unzählige Tier- und Pflanzenarten. Die Kastanienhain-Meisterschaft fand in Kooperation mit dem HGV statt.

Gelesen 412 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.