Dienstag, 28 Mai 2013 09:06

Biodiversität Monitoring der Artenvielfalt im Nationalpark

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6BWolfgang Platter,
am Tag des Hlg. Bischofs Urban, 25. Mai 2013


Der Begriff Biodiversität ist in unserer Zeit zum häufig gebrauchten Ausdruck aufgestiegen. Er bezeichnet die Vielfalt der Lebensräume, Pflanzen- und Tierarten. Und eben diese Vielfalt ist heute bedroht. Täglich können wir vom Artensterben lesen. Und schon lange wissen wir: Es gibt keinen Artenschutz ohne Lebensraumschutz. In einer bildhaften Kurzformel gesprochen: Keine Seerose ohne See. Der Artenreichtum eines Lebensraumes ist ein Gradmesser für seine ökologische Vielfalt. Und ökologische Vielfalt wird heute zunehmend auch als ökonomische Leistung anerkannt. Auch der ökologische Kernsatz ist schon lange bekannt: Je artenreicher ein Lebensraum ist, umso stabiler ist er. Dies gilt z.B. für den Schädlingsbefall eines Waldes: Forstliche Monokulturen sind schädlingsanfälliger als artenreiche Mischwälder. Mein heutiger Beitrag ist dem ökologischen Wert der Artenvielfalt gewidmet.

40BDas Monitoring der Biodiversität
Will man fundierte und quantifizierende Aussagen zur Biodiversität eines oder vieler verschiedener Lebensräume treffen, so muss man zunächst Daten erheben. Diese Datenerhebung muss nach wissenschaftlichen und standardisierten Methoden erfolgen und für Zustandsvergleiche wiederholt werden. Nur so kann man vergleichende Aussagen zur Zu- oder Abnahme der Biodiversität treffen, welche wissenschaftlich untermauert und abgestützt sind. Im Nationalpark Stilfserjoch führen wir in der Zusammenarbeit mit den drei anderen Nationalparken im italienischen Teil des Alpenbogens ab dem heurigen Frühsommer 2013 Erhebungen zur zoologischen Artenvielfalt in den drei Höhenstufen von der montanen über die subalpine bis zur alpinen Höhenstufe durch. Diese Bereiche umfassen Lebensräume zwischen 1.200 und 2.800 Metern Meereshöhe. Unsere Projektpartner sind die Nationalparke Belluneser Dolomiten (Veneto), Val Grande (Piemont) und Gran Paradiso (Piemont und Aosta).Methodisch kommen dabei in allen vier Schutzgebieten standardisierte Methoden auf sorgsam ausgesuchten Probeflächen in verschiedenen Lebensräumen zum Einsatz. Diese Vereinheitlichung der Erhebungsmethoden erlaubt den direkten und wissenschaftlich sauberen Vergleich der Ergebnisse aus verschiedenen Gebieten des Alpenbogens aber auch die Charakterisierung von Veränderungen in ein und demselben Schutzgebiet in einem bestimmten Zeitabstand von der ersten zu den nächsten und wiederholten Erhebungen. Um aussagekräftige Ergebnisse über Verschlechterung oder Verbesserung der Artenvielfalt zu erhalten, planen wir, die Erhebungen in einem zeitlichen Abstand von fünf Jahren auf den gleichen Probeflächen zu wiederholen. Als quantifizierendes Maß für die Biodiversität gelten allgemein die Anzahl und die Häufigkeit der in einem bestimmten Lebensraum vorkommenden Pflanzen- und Tierarten.

068B2 Rondine FrancoFratiniZeigerarten
Verschiedene Familien, Gattungen und Arten von Pflanzen und Tieren reagieren auf Veränderungen der Standort- und Lebensraumbedingungen unterschiedlich sensibel. Mehrere Arten von Blütenpflanzen einen artenreichen Mähwiese reagieren beispielsweise auf chemische Düngung sehr empfindlich und verschwinden. Andere Pflanzen wie etwa der Löwenzahn vermehren sich hingegen bei erhöhtem Nährstoffangebot an Nitrat so massenhaft, dass während der Blühphase das Einheitsgelb der Wiese schon von weitem erkenntlich ist. Auch unter den Tieren gibt es anpassungsfähige und sensible Arten. Anpassungsfähige Arten in der nähe von Wirtschaftsräumen werden als Kulturfolger bezeichnet. Diese sind fähig, Intensivierungen in der Nutzung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen oder die Zunahme der Störungen durch gesteigerte Besucherzahlen besser zu überstehen als sensible Arten. Beispiele für Vogelarten, welche erst in den letzten Jahrzehnten aus dem Lebensraum Wald oder auch Gebirge in die landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen der Talsohlenböden oder in die Wohnsiedlungen einwanderten, sind etwa die Wacholderdrossel, die Singdrossel, der Birkenzeisig, die Felsenschwalbe oder die Elster. Andere Arten wie etwa die Mehl- und die Rauchschwalbe verschwinden zunehmend aus dem Dorfbild. Den Mehlschwalben etwa fehlt es an geeignetem Baumaterial, weil es auf den durch Asphalt versiegelten Dorfstraßen und Feldwegen kaum noch Lehmpfützen gibt, woraus sie den haltbaren Baustoff für ihr kugelförmiges Lehmnest unter den Dachvorsprüngen aufnehmen können. Und Sand ist ein schlechter Ersatzbaustoff: Sobald die heranwachsenden Jungen auch unter Flügel- und Fußspreizen ihre Eltern immer heftiger um Futter anbetteln, springt das brüchige Sandnest und fällt samt den halbflüggen Jungen zu Boden. Die Schwalbenbrut ist verloren. Es ist zu beobachten, dass sich die Nester der Mehlschwalben zunehmend unter den Hausdächern an den Ortsrändern  konzentrieren, weil die Schwalben am ehesten noch in der offenen Landschaft mit nicht abgeleiteten Wasseransammlungen geeignetes und haltbares Baumaterial für ihren Nestbau finden.
Fledermäuse als Bioindikatoren
Die Fledermäuse sind als sensible Zeigerarten oder Bioindikatoren allgemein anerkannt. Die in unseren Breiten vorkommenden Fledermausarten sind Insektenfresser. Und als Insektenfresser sind sie in ihrer Artenanzahl und in ihrer Häufigkeit auch Indikatoren für eine intakte oder unterbrochene Nahrungskette. Wo nächtliche Fluginsekten etwa wegen der Intensivierung der Landnutzung, der Ausbringung von Pestiziden fehlen oder durch Lichtverseuchung Mangelware werden, nehmen auch die Fledermausbestände sowohl in der Anzahl der Arten als auch in der Anzahl der Individuen ab. Ein Übriges tun die Veränderungen der Landschaft als Jagdgebiet dieser Nachtjäger, das Schließen von Einflugschneisen zu den Überwinterungsquartieren oder sommerlichen Kinderstuben, wenn etwa Fensterluken an Dachböden oder Fensterbögen an Kirchtürmen verbrettert werden.

262B3 Wasseramse SilvioTavolaroErste Artenerhebung 2011
In einer im Sommer 2011 durchgeführten Erhebung haben wir mit den Fledermausexperten unter den Naturwissenschaftlern und unseren Förstern im Aufsichtsdienst im Gebiet des Nationalparks Stilfserjoch die Vorkommen von Fledermäusen erhoben. Dabei konnten wir 20 verschiedene Arten erfassen, 14 davon im Südtiroler Länderanteil des Nationalparks. Zum Vergleich:  Für Italien sind zum heutigen Stand 33 Arten von Fledermäusen beschrieben, für Europa 42;  weltweit hingegen sind bis heute 1.150 Arten bekannt. Mit dieser großen Artenan-zahl gehören die Fledermäuse nach den Nagetieren zu der zweitgrößten Ordnung  der Säugetiere. In der zoologischen Systematik werden die Fledermäuse im erweiterten Sinne in die zwei großen Untergruppen der Flughunde und der  Fledermäuse unterteilt. Die Flughunde sind augenorientierte Jäger der Nacht mit überdimensionalen Augen, die Fledermäuse sind als ebenfalls dämmerungs- und nachtaktive Tiere zu ihrer Orientierung mit einem Echolot als Sonarsystem im Ultraschallbereich und großen Ohren als Schallrezeptoren ausgestattet. Verbreitungsschwerpunkt der Fledermäuse auf der Erde sind die tropischen und subtropischen Regionen.

Vertiefung der Kenntnisse
Nach der oben erwähnten Ersterhebung  2011 im Gebiet des gesamten Nationalparks Stilfserjoch wollen wir uns im heurigen Jahr 2013 im Rahmen der Erhebung der faunistischen Biodiversität vertieft um die Fledermäuse  im lombardischen Flächenanteil kümmern und neben der noch systematischeren und flächendeckenderen Erhebung der Vorkommen auch lebensraumverbessernde Maßnahmen auflisten. Der Rückgang der Fledermäuse in Artenanzahl  und Häufigkeit war in den letzten Jahrzehnten so stark, dass alle Fledermausarten in den Anhängen der sogenannten FFH-Richtlinie (Flora-Fauna-Habitat) im Regelwerk „Natura 2000“ der Europäischen Gemeinschaft  als gefährdet und bedroht eingestuft worden sind.
Auch um die Finanzierung eines Life-Projektes zum Fledermaus-Schutz aus den Geldmitteln, welche die Europäische Gemeinschaft für den Erhalt der Biodiversität zweckbindet, wollen wir uns als Nationalpark Stilfserjoch mit weiteren Projektpartnern bemühen.


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