Als der Obervinschgau noch „Ramauntsch“ redete

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die Historikerin Mercedes Blaas erklärte die Sprachentwicklung die Historikerin Mercedes Blaas erklärte die Sprachentwicklung

Schlinig/Mals - Am Ende des reichhaltigen Programms, das der Bildungsausschuss und die Bibliothek Mals zu ihrem 30. Jubiläum konzipiert hatten, stand eine Veranstaltung zur Sprachentwicklung im Vinschgau. Ein Thema, das viele Vinschger:innen nach Schlinig lockte. Die Gaststube im Gasthaus Edelweiß, beim Oberen Wirt, war rappelvoll. Michael Pinggera zeigte sich als Vorsitzender des Bildungsausschusses erfreut, dass die Veranstaltungsreihe guten Anklang gefunden hatte. Für das Sprachthema hatte er eine ausgewiesene Expertin gewinnen können. Mercedes Blaas stammt aus Mals, lebt in Innsbruck und ist als Historikerin und Lektorin tätig. In s32 Theiner Folie Feldererihrer jüngsten Publikation, dem Dorfbuch von Planeil, hatte sie der Sprachhistorie ein Kapitel gewidmet. Den Weg vom Romanischen zum Deutschen zeichnete sie in einem kurzweiligen Vortrag nach.
Da das Romanische im Vinschgau eine Volkssprache und keine Schriftsprache gewesen war, ist die Wissenschaft auf deutsche oder lateinische Darstellungen angewiesen. Entstanden war das Romanische um Christi Geburt, als die Römer den Alpenraum eroberten. Die Romanisierung betraf auch die Sprache, das (Räto)Romanische entstand. Und es blieb viel länger als in den anderen Teilen Tirols, die schon um 1000 den deutschsprachigen Einflüssen nachgaben. Der obere Vinschgau sei um 1600 noch zweisprachig gewesen, führte Blaas ihre Forschungen aus, je abgelegener die Dörfer, desto hartnäckiger habe sich das Romanische erhalten (siehe Kasten). Blaas begründete dies u.a. mit den Verbindungen zur nahegelegenen Schweiz, die auch mit der kirchlichen Zugehörigkeit zum Bistum Chur zusammenhängen. Sie führte Urkundenbelege an, die im Vinschgau zweisprachige Dolmetscher bezeugen. Wie wurde der obere Vinschgau schlussendlich eingedeutscht? Deutsch war schon seit Meinhard II. (+1295) die Sprache der Landesfürsten, weshalb man die romanischen Obervinschger zunehmend als derb und fremd empfand. Um 1600 begann eine Deutsch-Offensive: Die weltliche Kraft verband sich mit der kirchlichen, entscheidend war dabei die Rolle des Klosters Marienberg. Gemeinsam plante man aus Angst vor der Reformation die Vinschger sprachlich von den protestantischen Schweizer Nachbarn zu isolieren. Einerseits spielte also die Wahrung des christlichen Glaubens eine Rolle, andererseits wollte man die Landeseinheit stabilisieren und Deutsch als Mode- und Statussprache verankern. Das ist wohl gelungen. Und doch wirkt das Romanische noch immer in unsere deutsche Sprache hinein. Mercedes Blaas schloss mit dem Hinweis auf Hof-, Flur- und Ortsnamen und erinnerte an die vielen romanisch klingenden Nachnamen und Bezeichnungen des bäuerlichen Lebens. Sie seien „Bausteine einer vergangenen Welt“. Danach servierte Wirtin Alexandra Peer Vinschger Schneemilch, während an den Tischen eifrig romanische Einsprengsel gesammelt wurden.
Maria Raffeiner

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