Der 26-jährige Rene Wieser aus Schluderns ist als ausgebildeter Zugvorbereiter und Lokführer mit Güterzügen auf der Bahnstrecke zwischen Bologna und Kufstein unterwegs. Seit 2023 bildet er nebenbei auch Anwärterinnen und Anwärter für diesen Beruf aus.
von Magdalena Dietl Sapelza
Mit dem Zugführerschein für Italien in der Tasche übernahm Rene im Juli 2018 im Güterbahnhof in Verona erstmals allein die Verantwortung im Führerstand einer großen Lokomotive. Daran gekuppelt war eine lange Schlange an Güterwagen. „Ich war aufgeregt, wusste aber, dass ich dem Sicherheitssystem des Zuges voll vertrauen kann“, sagt Rene. Seine Fahrt endete am Brenner, da er damals noch keinen Führerschein für Österreich hatte. Kurze Zeit später erwarb er auch diesen.
Rene interessierte sich schon als Kind für Züge und träumte davon, Lokführer zu werden. Es faszinierte ihn, die Züge im Bozner Bahnhof zu beobachten, während er mit seinem Vater auf die Ankunft seines Onkels wartete. Die ersten Weichen für Renes Karriere als Lokführer stellten sich am 1. Mai 2016 im Erlebnisbahnhof Staben. Dort führte er seine selbstgebaute Draisine vor. Solche Handhebelwagen wurden früher zur Wartung der Schienen verwendet. Rene hatte die Draisine als Maturaprojekt in der Werkstatt der Technischen Fachoberschule in Schlanders konstruiert, nachdem ihm Walter Weis von der Vereinigung „Freunden der Eisenbahn“ eine finanzielle Unterstützung für das Material zugesichert hatte.
Nach der Matura nahm Rene eine Arbeit in der Firma Schweitzer in Naturns an. Kurz darauf lernte er Andreas Thanei aus Tartsch kennen, der vorhatte, die Ausbildung als Lokführer zu absolvieren, die von der Firma TX Logistik, eines der größten deutschen Transportunternehmen für Schienengüterverkehr in Europa mit einer Zweigstelle in Verona, angeboten wurde. Er fragte Rene, ob er mitkommen möchte. Dieser sah seine Chance gekommen, in die Eisenbahnwelt einzusteigen und schickte das Bewerbungsschreiben ab. Bereits nach einer halben Stunde kam die Antwort. Er wurde gefragt, ob er wisse, was auf ihn als Lokführer zukomme. Der Beruf sei verbunden mit Schichtarbeit, mit Nachtarbeit, mit Wochenenddienst, mit Übernachtungen auswärts und einiges mehr. „Mir ist das alles klar gewesen“, sagt Rene. Nach einer ärztlichen Untersuchung unterzeichnete er am 24. Jänner 2017 den Ausbildungsvertrag. Sechs Monate lang machte er sich in den Räumen der Transportfirma in Bozen mit der Theorie des Eisenbahnverkehrs vertraut, alles in italienischer Sprache. Nach sechs Monaten begann seine praktische Ausbildung im Güterbahnhof in Verona. Dort lernte er die Technik der Lokomotiven und der Güterwaggons kennen. Er beschäftigte sich mit Fahrplänen, mit Datenübermittlung, mit Frachtpapieren usw. Und er machte sich mit dem Sicherheitssystem vertraut, das ihn besonders faszinierte. Das System kontrolliert anhand der Pedalbewegung, ob der Lokführer wach ist, oder ob er zu schnell fährt. Sensoren im Gleis stoppen den Zug, wenn er ein rotes Signal übersieht. Grundsätzlich läuft vieles automatisch. „Wichtig ist die gute Vorbereitung auf die Fahrt, dann kann kaum etwas passieren“, so Rene. In Begleitung eines Wagenmeisters saß er schon bald darauf in der Führerkabine einer Lokomotive, die in Richtung Brenner fuhr. Angekoppelt waren 16 Waggons. „Es war schon ein komisches Gefühl zu wissen, dass du ohne Anstrengung fast 1500 Tonnen Güter bewegst“, erinnert er sich. Um welche Güter es sich genau handelt, wissen die Lokführer nicht. Kurz darauf übernahm Rene allein die Verantwortung und fuhr bis zum Brenner. Mittlerweile passiert er mit dem österreichischen Führerschein auch die Grenze. Rene ist nun regelmäßig zwischen Bologna und Kufstein unterwegs. Er schläft in Hotels, in Kufstein, am Brenner oder in Verona und dann wieder in seiner Wohnung in Bozen. Mittlerweile ist er auch als Ausbilder für Lokführer-Neueinsteiger tätig. „Ich liebe meinen Beruf, und ich liebe auch die Schichtarbeit, denn ich habe frei, wenn andere arbeiten“, erklärt Rene. Teile dieser Freizeit widmet er dem Schludernser Theaterverein, genauso wie sein Vater Roger, seine Mutter Hannelore und die jüngere Schwester Sabrina. Das Theaterfieber in der Familie hatte einst sein Opa, der bekannte Vinschger Regisseur Karl Wieser, angefacht, dem er schon als Kind über die Schultern geschaut hatte. Kürzlich übernahm Rene im Verein die Aufgabe des Kassiers. „Das kann ich gut mit meinem Beruf verbinden“, meint er.
Rene hat seinen Weg gefunden und sich seinen Kindheitstraum erfüllt. Die Eisenbahn ist nun seine Welt. „Einmal Eisenbahn, immer Eisenbahn“, lacht er. Seine selbstgebaute Draisine tut noch heute ihren Dienst auf den Erlebnisbahnhof in Staben und erfreut kleine und große Fahrgäste.