Miteinander in Mals aufgewachsen, beide Bauern, beide Schwergewichte und nun treten sie gegeneindander für die Landtagswahlen an: Sepp Noggler zum 4. Mal für die SVP und Markus Hafner nach den Parlamentswahlen zum 2. Mal für das Team K. Der Versuch eines Streitgesprächs.
Vinschgerwind: Ihr seids beide Bergbauern. Warum geben immer mehr Bergbauern auf?
Sepp Noggler: Das Leben wird teurer, die Vorstellung vom Leben wird vielfältiger und somit ist nicht alles finanzier- und leistbar. Der finanzielle Aspekt ist einer, warum Bauern aufgeben. Der andere Aspekt ist das intensive und nicht einfache Arbeiten auf den Höfen. Zieht man in Betracht, dass sehr viele Leute die Arbeit bzw. die Produkte der Bergbauern nicht honorieren, dann verdrießt das viele Bauern. Es braucht einen Zuerwerb und der Verdienst daraus wird meist in die Landwirtschaft hineingesteckt. Das ist kräftezehrend. Da sagen sich viele junge Bauern, ich arbeite nicht zwei- dreimal um einmal überleben zu können.
Markus Hafner: Stimmt. Diese Kritik hör’ ich auch immer wieder „Wir müssen zwei- dreimal arbeiten, um einmal zu überleben“. Aber ich muss dir eines sagen, Sepp, es stimmen in der Viehwirtschaft die Rahmenbedinungen nicht mehr. Das geht auf der einen Seite von Brüssel aus. Ich habe das Gefühl, dass wir Bergbauern mit der Klimaneutralitätsdiskussion geopfert werden sollen. Auch in Südtirol stimmen die Rahmenbedingungen nicht mehr. Wir haben einen Stundenlohn von 2 Euro, das weißt du genau. Wir hängen am Tropf der Subventionen. Wir gehen zum Bauernbund und unterschreiben dort die Betreibsprämien, die 300 Euro, heuer haben wir noch nicht die Aufzuchtprämie erhalten. Brüssel hat entschieden, dass die EU bei der Milch einer der vier Global-Player sein will. Aber ganz ehrlich: Die Milch von der Friedolina von Lichtenberg und die Milch vom Langen-Sepp aus Matsch hat auf dem Weltmarkt absolut nichts zu suchen. Oder? Uns hat Matthias Gauly von der UNI Bozen Produktionskosten von 80 Cent für konventionelle und 1 Euro für Biomilch vorgerechnet. Den Super-Milchpreis, der da immer nach außen gelobt wird, den haben wir nicht.
Sepp Noggler: Natürlich haben wir keinen Super-Milchpreis. Sämtliche landwirtschaftliche Produkte sind viel zu billig und werden zu wenig geschätzt. Ziel ist es ja eigentlich, die Regionalität in der Berglandwirtscahft zu forcieren, so dass die Leute einen guten Preis zahlen.
Vinschgerwind: Welche Lösungsvorschläge habt ihr?
Sepp Noggler: Die Produkte der Berglandwirtschaft müssen so honoriert bzw. bezahlt werden, dass die Landwirte davon leben können. Das wünschen sich die Bauern.
Markus Hafner: Stichwort Hofkäserei. Das trägt nicht für viele. Mir sagen Bergbauern klar, was sie wollen: Sie wünschen sich einen einzigen Viehzuchtverband. Dann kommt eine soziale Sache: Bauern sagen, wir brauchen eine soziale Absicherung, vielleicht über eine Art Grundeinkommen. Eines muss auch klar sein: Mit der Arbeit der Bergbauern profitiert auch der Tourismus, auf den Almen, bei der Landschaftspflege usw. Da werden wir mit dem Tourismus verhandeln müssen. Dein Kollege Schuler redet da von einem „grünen Euro“, ich nenne das ein Art Grundeinkommen „reddito di cittadinanza“.
Sepp Noggler: Wir kommen schon zum Ziel. Bisher hat sich noch niemand so richtig Gedanken gemacht, wie die 30 Millionen Euro aus der Aufenthaltsabgabe verteilt werden sollen. Da ist noch viel Vorarbeit zu machen. Eine diesbezügliche Umfrage vom Bauernbund läuft derzeit.
Vinschgerwind: Verteilt man da nicht das Fell eines Bären, der noch nicht erlegt ist?
Markus Hafner: Das ist richtig. Aber die Diskussion wird man führen müssen. Das wird die Aufgabe vom Noggler Sepp sein oder auch meine, falls ich gewählt werde. Der Sepp wird sich da mit seinen Lobbyisten im Hintergrund leichter tun. Wir brauchen eine soziale Berglandwirtschaft und auf dem Weltmarkt haben wir nichts zu suchen. Für den „grünen Euro“ fehlt ja heute die gesetzliche Basis. Da wird der neue Landesrat für Landwirtschaft mit den Bauern und mit dem HGV Verhandlungen führen müssen...
Sepp Noggler: Die Verhandlungen laufen ja schon. Die Gegenwehr des HGV ist auch da. Wobei der HGV genau weiß, dass er die Berglandwirtschaft auch für die Gäste benötigt. Das Verständnis für das Vorhaben eines „grünen Euro“ ist jedenfalls vorhanden. Da ist noch viel zu klären.
Markus Hafner: Unsere Aufgabe ist, den Bergbauern eine Perspektive zu geben.
Vinschgerwind: Themenwechsel. Für den Vinschgau hat in den letzten Jahrzehnte das Thema Energie eine große Rolle gespielt. Wie positioniert ihr das Thema Energie neu?
Markus Hafner: In Schlanders startet der Bau von 5 kleinen Kraftwerken. 13 Jahre hat der Schlanderser Bürgermeister Arbeit gehabt, bis er die Genehmigungen erhalten hat. Das VEK hat eine Studie beauftragt, um herauszufinden, wo noch Ressourcen für Stromerzeugung vorhanden sind. Beim Marteller Stausee sind wir mit wieviel Prozent beteiligt?
Sepp Noggler: Bei der Marteller Konzession mit 25 und beim Reschenstausee mit 8 Prozent. Das ist viel.
Markus Hafner: Bleiben wir beim Beispiel Schlanders. Die Bürokratie ist riesig, es bestimmen die Beamten. Und überall ist der Landschaftsschutz drauf. Die Gründung des Vinschgauer Energiekonsortium (VEK) zielte auf eine autonome Energieversorgung des Vinschgau ab. Albrecht Plangger hat in den Gemeinden dafür geworben, das jeweilige Stromnetz zu kaufen. Für 2,2 Millionen Euro hat die Gemeinde Mals zum Beispiel ihr Stromnetz gekauft und das wurde dann kostenlos dem VEK zur Verfügung gestellt. Aus wirtschaftlichen Gründen absoluter Nonsens, aber moralisch und politisch ok.
Vinschgerwind: Das Lob an ihre politischen Widersacher ist schon ok. Aber was ist die Vision für den Vinschgau?
Markus Hafner: Wir haben nur Wasser zur Verfügung und etwas Wind. Wind ist marginal und die Windkraftwerke habt ihr abgebaut.
Sepp Noggler: Nicht wir. Wir haben die Windräder aufgebaut.
Markus Hafner: Der ehemalige BM von Graun, der Heinrich Noggler hat mir gesagt, dass er unheimlich viel Druck von den Touristikern bekommen hat.
Sepp Noggler: Zur Frage der Vision: Unsere Vision ist, den Vinschgau energieautark zu machen...
Markus Hafner: ... gibt’s nicht...
Sepp Noggler: Das gibt es sehr wohl, das ist unser Vision und in diese Richtung sind wir gestartet. Wir haben bei der Wasserkraft sehr große Schritte nach vorne gemacht. Es muss nicht jeder Bach genutzt werden. Wir haben große Speicher und da ist der Vinschgau in einer Super-Situation wie kein anderer Bezirk mit Reschen, Schnals und Martell. Uns geht es darum, politisch so stark zu sein, damit wir die Beteiligung bei der nächsten Ausschreibung so hoch als möglich hinaufschrauben können. In Martell haben wir damals als VEK angesucht und da hat uns zum Teil die Erfahrung gefehlt. Im Nachhinein waren wir vielleicht zu nachgiebig. Aber der Vinschgau hat mittlerweile die Erfahrung und das VEK, das wir von Null aufgebaut haben, steht wirtschaftlich sehr gut da. Das VEK hat bei den hohen Strompreisen jedem Mitglied 15 Cent pro Kilowattstunde nachlassen können. Das war für jedes Mitglied und für die energieintensiven Betriebe großes Geld und die Leute sind zufrieden gewesen. Zum Stromnetz: Das Netz war für uns wichtig. Das Problem war, dass wir das Stromnetz viel zu spät bekommen haben. Als das ENEL das Netz abgetreten hat, waren die Kosten pro Stromkunden 500.000 Lire, das war nicht viel. Damals hat das Netz die SELnet übernommen und es ist für uns teurer geworden. Ohne Stromnetz wäre unser ganzes Unterfangen in Richtung VEK sinnlos gewesen.
Markus Hafner: Aber das Netz haben die Gemeinden für das VEK gekauft...
Sepp Noggler: Es hatten nur die Gemeinden die Möglichkeit, das Stromnetz zu kaufen. Das VEK gehört ja auch den Gemeinden und den energieproduzierenden Genossenschaften. Alles, was die Fotovoltaik anbelangt, für die wir im Vinschgau von der Sonne bevorzugt sind, können wir mit dem eigenen Stromnetz gestalten.
Markus Hafner: Du weißt schon, dass um die Mittagszeit zu viel Fotovoltaikstrom vorhanden ist...
Sepp Noggler: Was heißt zuviel Strom? Der erzeugte Strom wird eingespeist und dann gilt halt ein anderer Tarif..
Markus Hafner: Teilweise ist der gezahlte Tarif ganz tief... In der Energie war die letzten 5 Jahre der Vettorato zuständig. Eine einzige Katastrophe, das brauche ich dir nicht zu sagen. Das war ein Fehlbesetzung. Aber zu deiner Stromautonomie: In Schlanders werden die 5 Kraftwerke mit dem VEK gebaut. Aber wenn die fertig sind, steigt Schlanders aus und bewirtschaftet diese Kraftwerke alleine. Prad geht auch allein. Da sind wir von einer Stromautonomie weit entfernt. Sehe ich das falsch?
Sepp Noggler: Das siehst du falsch. Es ist ja heute schon so, dass das VEK die Dienstleistungen in Schlanders übernimmt. Es wird so sein, dass die E-Werke an das VEK verpachtet werden, wie in Planeil, am Rambach usw.
Vinschgerwind: Themenwechsel. Was die Polen für Deutschland sind, sind die Vinschger für die Schweiz...
Markus Hafner: Richtig. 1000 Leute pendeln in die Schweiz. Das ist ein großes Problem. Sicher, auf der anderen Seite wird das in der Schweiz verdiente Geld wieder im Vinschgau investiert. Aber unsere Handwerker, die Gastbetriebe und wir Bauern auf den Almen bluten aus. Weil wir diese Löhne nicht zahlen können. Die Handwerker bilden Lehrlinge aus und sobald diese ausgebildet sind, wandern sie in die Schweiz ab, weil dort doppelt soviel gezahlt wird.
Vinschgerwind: Gibt es da Lösungen?
Markus Hafner: Sehr schwierig. Ein Problem sind die Lohnnebenkosten bei uns. Ich weiß, dass Arbeiter in der Schweiz 3000 und gute Arbeiter 4000 Franken verdienen. Bei uns verdienen Arbeiter 1600 bis 1700 Euro.
Sepp Noggler: Das unterscheidet den Vinschgau vom Pustertal: Das Unternehmertum wächst bei uns nicht. Der Grund dafür ist auch die Schweiz. Fluch und Segen zugleich. Der Verdienst ist ganz ein anderer, und es stimmt, wie du gesagt hast, dass das Geld hier bei uns investiert wird. Wenn wir die Schweiz nicht hätten, hätte sich wohl ein anderes Unternehmertum im Vinschgau gebildet. Auch die Hoppe verhindert den Aufbau eines Unternehmertums. Das Problem ist, dass gut ausgebildete Handwerker abwandern...
Markus Hafner: Moralisch ist dann der Handwerkermeister, der die jungen Leute ausgebildet hat, am Boden.
Sepp Noggler: Als mögliche Lösung wurde des Öfteren diskutiert, dass sich die Lehrlinge verpflichten, eine längere Zeit im Betreib zu bleiben. Oder dass es so etwas wie eine Ablösesumme geben könnte, wie es bei den Fußballern der Fall ist (lacht). Die Betriebe stecken schließlich sehr viel Herzblut in die Ausbildung und bilden fähige Leute aus.
Markus Hafner: Wenn bei uns junge Leute selbständig werden, so sind die zu unterstützen. Das ist mein bzw. unser Credo in der Familie Hafner.
Vinschgerwind: Mit welchen Argumenten wollt ihr jene überzeugen, die heute noch Zweifel haben, zu den Wahlen zu gehen?
Markus Hafner: Ich habe den Mut zu sagen, dass hinter mir keine Lobby steht, kein Bauernbund. Ich setze mich ein, wie ich das mit vielen Aktionen schon in der Vergangenheit getan habe. Die Leute wissen, dass ich mich im Gemeinderat gegen Enteignungen eingesetzt habe. Der Sepp ist in einem Korsett drinnen, in einer mächtigen Partei und vom Bauernbund geschoben. Er ist ein Schwergewicht und ich bin ein Leichtgewicht. Vielleicht haben sie viele Leute voll und sagen, jetzt geben wir dem Hafner die Stimme.
Sepp Noggler: Der Markus sagt, er sei kein Lobbyist. Ich bin Lobbyist für den Vinschgau. Mir ist der Vinschgau immer ein Anliegen gewesen. Natürlich bin ich ein Vertreter von Südtirol, aber mir liegt halt der Vinschgau zuerst am Herzen.
Moderation: Erwin Bernhart